Mülheim. Jobs und Wohnung sind gekündigt, fast alles verkauft. Die Mülheimer Franziska und Fabian wagen den Ausstieg und reisen um die Welt – mit dem Rad.
Mit 29 wird es langsam ernst: Fester Job, Heirat, Hauskauf, die ersten Freunde bekommen Kinder. Während viele um sie herum sesshaft werden, zwickt Franziska und Fabian der Drang nach Freiheit und Abenteuer immer stärker. Daher wagen die beiden Mülheimer den Ausstieg aus dem Alltag - und satteln auf, um ein Jahr lang um die Welt zu radeln.
„Eigentlich waren wir schon auf der Suche nach einem Haus“, erzählt Franziska Kinscheck. Zusammen mit ihrem Partner Fabian Harting (beide 29) kam die Sozialpädagogin vor drei Jahren wegen des Berufs aus Osnabrück nach Mülheim. „Da fingen wir an zu hinterfragen“, sagen sie. „Wollen wir den klassischen Weg gehen? Oder machen wir das nur, weil es erwartet wird? Wollen wir wirklich jetzt schon im Hamsterrad enden?“
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Je ernster es wurde, desto stärker der Drang auszubrechen: „Wir wollen etwas Verrücktes tun. Nichts im Kopf haben, außer uns selbst, die Umgebung und die Begegnungen mit Menschen“, erklärt Franziska. Also ging es an die Planung für eine Weltreise.
Reparatur-Kurs belegt, Routen ausgearbeitet und 80 Prozent des Besitzes verkauft
Mit dem Fahrrad haben die Zwei zwar noch nicht so viel Erfahrung gesammelt, doch sei es das beste Mittel, um zu reisen. „Es ist kostengünstig, nachhaltig, entschleunigt und führt zu anderen Begegnungen, als würde man mit Auto oder Flugzeug reisen“, zählen die Beiden auf. Mittlerweile ist das Paar bestens vorbereitet. „Schließlich wollten wir eigentlich schon im vergangenen Jahr los, wegen Corona mussten wir es aber immer wieder verschieben.“
Die Zeit haben sie genutzt und einen Rad-Reparatur-Kurs belegt, mögliche Routen ausgearbeitet, sich in Foren Tipps geholt, Sponsoren gefunden. Und auch ihr Konsumverhalten überdacht. „Mittlerweile haben wir 80 Prozent unseres Besitzes verkauft, die Wohnung zum 1. April gekündigt.“
Sicher ist jetzt nur noch: „Es wird eine Grenzerfahrung“
Es sei ein Prozess gewesen, an dem sie gewachsen sind: Nur Dinge, mit denen Erinnerungen verbunden sind, wurden aufbewahrt, der Rest gnadenlos aussortiert. Alles, was sie jetzt noch brauchen, passt in ihre Radtaschen: „Fabian wird zwischen 25 und 30 Kilo Gepäck mitnehmen, ich etwa 15 bis 20 Kilo.“
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Ihre Jobs als Sozialpädagogin im Gelsenkirchener Jugendamt und als Disponent im Güterverkehr – ebenfalls geschmissen. Sicher ist jetzt nur noch: „Es wird eine Grenzerfahrung.“ Aber: „Sich von all den vermeintlichen Sicherheiten zu lösen, hat etwas sehr Befreiendes“, finden sie.
Zunächst durch Europa radeln, dann weiter Richtung Afrika
Starttermin ist der 6. April, los geht es von ihren Elternhäusern in Osnabrück aus - zunächst Richtung Holland, dann weiter westlich durch Europa: Belgien, Frankreich, Portugal, Spanien, Gibraltar. „Dort müssen wir spontan entscheiden, ob wir weiter Richtung Marokko übersetzen und durch Afrika fahren“, sagt Fabian. Das wird wohl vom jeweiligen Infektionsgeschehen in den Ländern abhängen. Ansonsten wollen sie sich treiben lassen – und wenn es schön an einem Ort ist, auch länger bleiben.
Die Reise auf Instagram verfolgen
Ihre Radreise haben Franziska und Fabian unter das Motto „Quit (your shit) and go“ gestellt. Wer die Reise verfolgen möchte, findet Bilder und Berichte der Beiden auf Instagram: instagram.com/quit.and.go
Sie versprechen ihren Followern: „Wir werden ehrlich und schonungslos sein. Ihr werdet uns fluchen und heulen sehen, aber bestimmt auch lachend und voller Freude strahlend.“ Auch diese Zeitung wird mit Franziska und Fabian in Kontakt bleiben und regelmäßig über ihre Reise berichten.
Mit dem Zelt seien sie relativ autark, mit viel Glück haben auch die Campingplätze wieder geöffnet. Später gebe es über das Portal „Warm Showers“ vielleicht auch die Möglichkeit, bei anderen Radfreunden eine warme Unterkunft zu bekommen. Habt ihr denn keine Sorge vor Ansteckung? „Wir sind über Weihnachten bereits beide an Corona erkrankt und haben es glücklicherweise gut überstanden“, sagt Franziska. „Ein Test hat viele Antikörper bei uns nachgewiesen - dennoch wollen wir vorsichtig sein, wir wissen ja nicht, ob wir dennoch das Virus übertragen können.“
Motivatoren für unzufriedene „Alltagssklaven“ sein
Der Weg soll aber nicht nur durch Europa und die Welt gehen, sondern auch „über Fettpolster zu Muskeln, zu Zufriedenheit, Selbsterfüllung und Gesundheit – zu absoluter Selbstbestimmtheit und Freiheit“, sagen die Beiden. Und so sehen sich Franziska und Fabian auch als „Inspiratoren und Motivatoren für all jene unzufriedenen Alltagssklaven zu Hause, die schon mindestens einmal davon geträumt haben, ebenfalls auszubrechen“.
Was wird unterwegs die größte Herausforderung werden? „Die Witterung“, meint Franziska. Aber selbst wenn sie unterwegs merken sollten, es geht nicht mehr, und sie die Reise abbrechen müssen, seien die neuen Eindrücke und Erfahrungen ein Gewinn. „Hauptsache, man wagt es.“
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