Mülheim. In Mülheim scheinen Corona-Skeptiker bislang kein Fuß zu fassen. Das hindert sie jedoch nicht, es immer wieder zu versuchen - diesmal in Styrum.
Im November flatterten Banner der „Klagepaten“ an einer Brücke am Kassenberg – die illegal aufgehängten Botschaften kassierte die Stadt ein. Wenig später startete ein „Bürgerdialog“ von „besorgten Müttern“ auf dem Rathausmarkt mit einem umstrittenen Bochumer Internisten und einer überschaubaren Zahl an Zuschauern. Impfgegner und Corona-Skeptiker haben es in Mülheim bisher nicht leicht gehabt. Doch die Segel streichen wollen sie offenbar nicht.
Erst jetzt ist wieder einmal ein Stoß holzmedialer Beipackzettel von „Querdenkern“ gegen „Medien-Hetze“, „Expertokratie“ und „für Wahrheit“ ungebeten in den Briefkästen Styrumer Haushalte gelandet. Die Flyer enthalten etwa aus von George Orwell entliehenen Warnungen, dass „Alles außer Arbeit verboten“ sei. „Spazieren auf Straßen und Plätzen, Spaß haben, Singen und Tanzen ist verboten“ prophezeit ein Zettel mit Links auf Telegram-Gruppen.
Flyer verbreiten Verschwörungstheorien im Zeichen der "Wahrheit"
Über den recht kruden Mix wundert sich Leser Jochen Florstedt: „Unter den Absendern ist keine einzige Mülheimer Adresse. Wer wirft hier Flyer von Vereinen aus Passau und Sinsheim ein? Was haben diese miteinander zu tun?“
Zumindest manche der dort genannten Absender und Links im Zeichen der "Wahrheit" sind nicht nur in der Verschwörungs- und Querdenker-Szene bekannt: So sind die Verharmlosung von Corona und Behauptungen über das Impfen des emeritierten Professors für Mikrobiologie, Sucharit Bhakdi, durch verschiedene Recherchen etwa von Correctiv und des ZDF als unbelegt und sogar irreführend bezeichnet worden.
Auch der Ökonom und Wirtschaftsprofessor Stefan Homburg steht mit seinem Namen auf einem Flyer, der Corona-Impfungen in einen Zusammenhang mit dem Contergan-Skandal von 1961 rückt. Seriös? Zumindest Süddeutsche und der Tagesspiegel sehen in dem vertrauenerweckend auftretenden Ökonom einen „Professor Verschwörung“, der zweifelhafte Schlüsse mit seriösen Daten vermische.
Mülheimer Krisenstab sieht kaum Auswirkungen von Impf-Skeptikern
Doch wirkliche Auswirkungen habe schon die erste Welle dieser Postwurfsendungen vor einigen Monaten nicht gezeigt, teilt der Mülheimer Krisenstab mit. Eine höhere Impfskepsis sei deswegen offenbar nicht zu verzeichnen. Der Krisenstab baue weiterhin auf fachlich sachliche Information, teilt die Stadt mit.
Er werde dabei unterstützt von den örtlichen Krankenhausvertretern und dem Vertreter der kassenärztlichen Vereinigung. „Darüber hinaus setzen wir unser psychosoziales Krisenmanagement ein, um auch schwierige Sachverhalte für den Laien fassbar zu machen“, sieht Stadtsprecher Volker Wiebels darin einen Grund, warum Verschwörungstheorien in Mülheim kaum gegriffen haben: „Ich glaube, wir haben bislang eine gute und zielorientierte Arbeit leisten können.“
Für den Mülheimer Jochen Florstedt ist damit noch nicht das letzte Wort gesagt: „Ich frage mich, wer den Druck und das Verteilen dieser Flyer finanziert? Und zu welchem Zweck? Sollen Menschen für die Bundestagswahl politisch aufgewiegelt werden?“ Sein Rat: Man sollte nicht einfach akzeptieren, was dort steht, sondern hinterfragen.