Mülheim. Dass die Kultur locker ließe, kann man ihr nicht nachsagen. Am Raffelberg gibt's etliche Einblicke in aktuelle Stücke. Außerdem: Ciulli im TV.

Während Mülheim und der Rest des Landes auf das Lockdown-Endspiel wartet wie Estragon auf Godot, lässt das Theater an der Ruhr nicht locker. Beckett hat der Raffelberg zwar nicht im Gepäck, dafür aber einen Meilenstein der neueren Theatergeschichte, teuflische Zerstörungswut und einen Abgesang auf einen ganz irdischen „Deal-Maker“. Außerdem: Ciulli im Fernsehen.

Multimediales Theater-Kollektiv Anagoor am TAR

Eigentlich wäre am 16. Januar die Premiere der neuen Produktion „Der römische Komplex. Appunti per una Germania“ des italienischen Theater-Kollektivs Anagoor am Start gewesen. Doch haben sich die Macher Simone Derai and Paola Dallan entschieden, nicht die aufwendige Premiere zu streamen, sondern stattdessen ein daran angelehntes aber eigenständiges Online-Stück zu zeigen. Die Premiere wird jedoch nachgeholt.

Beide Stücke aber kreisen um das kontroverse Thema des „Fremden“, das in Tacitus’ ethnographischem Bericht „Germania“ eine Art Blaupause hat. Denn in dieser Gegenüberstellung des Römischen Reiches mit dem Germanen zieht der römische Senator und Historiker Tacitus eine undurchlässige Grenze, die bis heute immer wieder so oder ähnlich behauptet wird. Beginn der Online-Produktion ist um 19.30 Uhr unter www.twitch.tv/theateranderruhr.

Der Mensch ist ein Teufel

Einen Tag später zeigt das TAR an gleicher Stelle ebenfalls einen Probenmitschnitt von „L.I: Lingua Imperii“. Die 2012 entstandene Aufführung – ebenfalls von Anagoor – wurde von der italienischen und internationalen Kritik als Meilenstein der neueren deutschen Theatergeschichte gefeiert. Während vordergründig die Tragödie des Holocaust behandelt wird, geht es in der Tiefe um den Mythos der verlorenen Unschuld, der viele Verbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts geprägt hat. Beginn ist am Sonntag, 17. Januar, um 19.30 Uhr.

Nicht der Teufel selbst spielt bei diesem Video-Konzert-Mitschnitt „Mephistopeles“ die Hauptrolle, wohl aber die teuflische Zerstörung der Natur durch den Menschen. Die Reise durch die dunkle Seite wird elektronisch vertont von Mauro Martinuz und beginnt am Donnerstag, 21. Januar, um 19.30 Uhr online unter www.twitch.tv/theateranderruhr.

Frühe Produktionen von Cuilli im WDR

Der Roman „Il Sopravvissuto“ von Antonio Scurati sowie Texte von Platon und Cees Noteboom setzte das Kollektiv Anagoor für die Inszenierung „Sokrates der Überlebende“ in eine neues Verhältnis. Erzählt wird sie in starken Bildern, Choreografien und Filmsequenzen. Die Situation? Ein Klassenraum und ein um seine Integrität ringender Geschichtslehrer. Beginn: Freitag, 22. Januar, 19.30 Uhr unter www.twitch.tv/theateranderruhr.

Zwei Mal ist eine Produktion von TAR-Chef Roberto Ciulli im Januar im Fernsehen zu sehen: Am Samstag, 23. Januar, zeigt der WDR „Der Zyklop“, eine frühe Inszenierung der ersten Spielzeit am Theater an der Ruhr von 1982. Einen Tag später (23.1.) gibt’s „Kasimir und Karoline“ (1985). Beginn jeweils um 19.30 Uhr.

TAR feiert das Ende von Trump

Mit einem Probenmitschnitt von König Ubu (Alfred Jarry) und Am Königsweg von Elfriede Jelinek klingt der Theater-Januar aus. Jelineks provokanter Text und Philipp Preuss entsprechende Inszenierung eines unberechenbaren Präsidenten wurde von der Presse frenetisch gefeiert. Los geht’s online am 30. Januar um 19.30 Uhr unter www.twitch.tv/theateranderruhr.

Und nicht zuletzt erscheint am 31. Januar noch Ralph Hammerthalers Teil 9 von „Zeit der Zukunft“. Thema ist der Versuch von Torsten Schreiber und seiner aus Mali stammende Frau Aida, die Sahelzone zu elektrifizieren. Auf youtube.com, Suchbegriff Theater an der Ruhr. Start: 19.30 Uhr.