Mülheim. Mülheims Stadtkämmerer hat seinen Etatentwurf für 2021 eingebracht. Abermals steht die Politik vor einer Entscheidung zwischen Pest und Cholera.
Wenig überraschend ist Mülheims Politik auch in den Etatberatungen für 2021 aufgefordert, weitere bittere Sparmaßnahmen zu verabschieden. Dafür geben nicht einmal die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie den Ausschlag.
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Stadtkämmerer Frank Mendack brachte seinen Haushaltsentwurf am Donnerstag in den Stadtrat ein, im Februar 2021 soll ein Haushalt verabschiedet werden. Klar machten Mendack wie auch Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) ihre Erwartungshaltung an die Politik, sich nicht länger vor unliebsamen Entscheidungen zu drücken.
Geplante Einsparung in Mülheims Nahverkehr ist nicht mehr realisierbar
Klar ist nämlich längst, dass der Haushaltssanierungsplan von 2018 nicht eingehalten werden kann. SPD, CDU und Grüne hatten seinerzeit eine strukturelle Einsparung im Nahverkehrsbetrieb in Höhe von sieben Millionen Euro bis zum Jahr 2023 vorgesehen. Im kommenden Jahr sollten schon zwei Millionen Euro Verbesserung erzielt sein.
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Schon früh hatte sich abgezeichnet, dass die Politik sich mit entsprechend konkreten Maßnahmen schwertun würde. Das Bemühen um einen neuen Nahverkehrsplan mündete regelmäßig in einer Sackgasse. Prüfauftrag um Prüfauftrag wurde erteilt, eine Einigung der drei Etat-Koalitionäre blieb außer Sichtweite.
Stadtkämmerer hofft auf Sparbeschlüsse im Volumen von vier Millionen Euro
Kämmerer Mendack formuliert nun ein mildes Urteil für die Politik: Man habe keinen Nahverkehrsplan mit entsprechenden Einsparungen in die Wege leiten können, weil es keine repräsentativen Fahrgastzahlen gegeben habe und diese aufgrund der Corona-Verwerfungen im ÖPNV auch nicht sinnvoll zu erheben seien. In einer Sache aber bleibt Mendack hart: Er fordert die Politik im Einklang mit der Finanzaufsicht auf, die zwei Millionen für 2021 anderswo einzusparen, besser noch mehr, weil die Nahverkehrsplanung wohl auch 2022 nicht das Einsparziel von 5 Millionen Euro bringen werde.
So formuliert der Kämmerer das Ziel, im kommenden Haushaltsjahr zu seiner strukturellen Einsparung in Höhe von 4 Millionen Euro zu kommen. Neben eher marginalen Einsparungen, die die Auflösung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mülheim & Business bringen soll (150.000 Euro jährlich), stellt der Kämmerer weitere Einsparungen zur Debatte, die der alten Ratspolitik nicht unbekannt sind.
OB Buchholz hält die hohen Standards in der Ganztagsbetreuung nicht für finanzierbar
Corona-Zusatzlasten werden isoliert
Um in der Haushaltsplanung im grünen Bereich zu bleiben, kann Mülheims Stadtkämmerer wie alle Kommunen die Corona-Zusatzbelastungen als Sonderposten deklarieren. In diesem Jahr sind das 21,8 Millionen Euro, die der Kämmerer zwar über Kassenkredite finanzieren muss, die aber nicht das offiziell angepeilte Jahresergebnis mit Überschuss in Höhe von 8,24 Millionen Euro trüben.
So will der Kämmerer auch in den nächsten Jahren Überschüsse ausweisen, auch wenn er bis 2024 mit jährlich fast 40 Millionen Euro Corona-Schaden rechnet, sollten Bund und Land nicht weitere Hilfspakete für Kommunen schnüren, so wie es 2020 der Fall war.
Zuvorderst steht abermals die Offene Ganztagsbetreuung, in der sich die NRW-Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung die mit Abstand höchsten Kosten leiste, wie es Mendack provokant auf den Punkt bringt. Die Stadt gibt pro Betreuungsplatz 2061 Euro aus, die finanziell eher auf Rosen gebettete Landeshauptstadt Düsseldorf schon nur fast die Hälfte (1058 Euro), Duisburg und Essen gar nur 642 beziehungsweise 614 Euro.
In der Summe schießt Mülheim – ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung – 5 Millionen Euro zum System zu. OB Buchholz verweist darauf, dass die Summe sich bei Beibehaltung des extraordinären Standards noch verdoppeln würde, sollte der Bund bis 2025 den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler formulieren. „Das kann als Stärkungspakt-Kommune nicht funktionieren“, sagt er.
Sparvorschlag: OGS-Zuschüsse auf Düsseldorfer Niveau herabsetzen
Vorschlag von Buchholz und Mendack an die Politik: Den Standard auf Düsseldorfer Niveau senken. So stünde eine strukturelle Einsparung von 2,43 Millionen Euro zu Buche, die bis 2025 den Mehraufwand für den Ausbau der OGS-Plätze kompensieren könne.
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Der weitere Sparvorschlag war schon vor Wochen durchgesickert und hatte bei Kita-Trägern und Elternschaft für Protest gesorgt. So schlägt der Kämmerer vor, die Trägeranteile der Stadt in der Kita-Finanzierung bis 2025 sukzessive von aktuell 50 auf dann 25 Prozent zu kürzen. Das würde 900.000 Euro strukturelle Einsparung bringen.
Kita-Gruppen sollen mit weniger städtischen Zuschüssen auskommen
Weil über das neue Kinderbildungsgesetz (Kibiz) ohnehin mehr Mittel zur Verfügung stehen würden, rechnet Mendack vor, werde die Stadt auch 2025 noch mehr Geld für die Trägeranteile zur Verfügung stellen als unter dem alten Kibiz; je Gruppe verringere sich der Trägeranteil jedoch um rund 5000 Euro pro Jahr auf dann knapp 228.000 Euro. Buchholz versprach, beim Land auf eine auskömmliche Kita-Finanzierung zu drängen, die weiter nicht gegeben sei.
Um die angepeilte strukturelle Verbesserung von 4 Millionen Euro zu erzielen, seien weitere Sparmaßnahmen nötig, so Mendack. Hierüber will er im Arbeitskreis Haushalt, der ab Januar wieder nichtöffentlich tagen soll, mit der Politik ins Gespräch kommen. Für die erste Sitzung ist erneut der Präsident der Gemeindeprüfungsanstalt, Heinrich Böckelühr, angefragt.
OB-Appell: Politik soll mutiger als bisher bekennen, wo sie auf Standards verzichten will
Mendack und OB nutzten den Donnerstag für Appelle an die Politik. Es sei mit Blick auf die Corona-Krise umso wichtiger, den Weg des Sparens weiter zu gehen, so Buchholz. „Das wird der Politik schwierige Entscheidungen abverlangen. Sie muss sich mutiger als bisher bekennen, wo sie auf Standards verzichten will. Es hat uns in den vergangenen fünf Jahren ein Stück weit gelähmt, dass eben keine Entscheidungen getroffen wurden, die von einer Stärkungspakt-Kommune erwartet werden.“ Mendack brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, für die weiteren Sparanstrengungen eine möglichst breite Ratsmehrheit hinter sich zu versammeln.
Gegen die Stimmen der MBI, dem BAMH und der Hälfte der AfD-Fraktion beschloss der Stadtrat im Übrigen am Donnerstag, dass die Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer auf konstant hohem Niveau bleiben. Die MBI hatten eine Grundsteuer-Senkung gefordert, blieben aber auf Aufforderung des OB einen ernsthaften Vorschlag zur Gegenfinanzierung schuldig.