Mülheim. Die Mülheimer Innenstadt soll mehr Lebensqualität bieten. Grüne und CDU wollen dafür Parkplätze opfern. Gegen die Pläne regt sich Widerstand.

Mehr Raum zum Verweilen, mehr Grünflächen und weniger Lärm- und Umweltbelastung – mit ambitionierten Ideen wollen Grüne und CDU die Mülheimer Innenstadt lebenswerter umbauen . Sie fordern von der Verwaltung nun ein Gesamtkonzept für den ruhenden Verkehr. Und darin liegt auch schon ein Knackpunkt: Damit es schöner werden kann, muss ein hart umkämpfter „Stadtbewohner“ an die Seite rücken – das Auto.

Denn die Sinnbilder des komfortablen Individualverkehrs sind beharrliche Bollwerke , wenn es um den innenstädtischen Raum geht. Nicht nur, weil Mülheim sich schleichend zur SUV-Stadt gemausert hat. Sondern auch, weil deren Verkehrs- und Parkflächen einfach viel Platz in Anspruch nehmen, die auch dann Raum beanspruchen, wenn etwa außerhalb der Geschäftszeiten keine Autos darauf stehen oder fahren. Diese Flächen könnten auch anders genutzt werden.

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„Ziel unserer Politik ist es, vom Auto wegzukommen“

Profitieren soll von dem errungenen Platz der Mensch, die alternative Fortbewegung zu Fuß und mit dem Fahrrad, ein klimafreundlicher Nah- und Lieferverkehr und am Ende auch das Stadtklima. „Ziel unserer Politik ist es, vom Auto wegzukommen“, betonte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Axel Hercher, im Mobilitätsausschuss. Dort stellten Grüne und CDU ihr Bündel von Ansätzen vor.

Den Parkplätzen soll es also an den Kragen gehen. Um aber den Kompromiss zwischen Auto und Alternativen überhaupt neu verhandeln zu können, müssen Grüne und CDU die Zahl der bestehenden Parkplätze klären – und deren Auslastung. Auch der Lieferverkehr soll in diesem Zuge neu geordnet und verbessert werden, so dass er zum Anliefern nicht Fuß- und Radwege zuparken muss. „Parken ist ein emotionales Thema“, gab Roland Jansen vom Tiefbauamt im Mobilitätsausschuss zu bedenken.

30 bis 40 Prozent der Mülheimer Innenstadtparkplätze ungenutzt

Dennoch: Nach Jansens Schätzung stehen etwa 30 bis 40 Prozent der Innenstadtparkplätze regelmäßig frei. Und auch MBI-Mann Gerd-Wilhelm Scholl wollte wissen, dass rund 500 Parkplätze im Forum täglich leer blieben . Reichlich ungenutzter Raum scheint demnach vorhanden.

Der Ansatz einer zwar nicht autofreien, aber -ärmeren Stadt könnte Charme entwickeln, schon ein Vorschlag der Partei „Die Partei“ für die Leineweberstraße mit Bachlauf hatte während der Kommunalwahl nicht wenige Mülheimer begeistert.

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Was aber soll anstelle entstehen? Noch ist dazu von Seiten der Grünen und CDU nicht viel Konkretes gesagt, so lange nicht klar ist, über welche neuen Gestaltungsmaßnahmen man genau spricht. Mehr Wege und Abstellanlagen für den Radverkehr, sichere Freiräume für den Fußgänger, mehr Grünflächen, die nicht zum Verweilen dienen, sondern das aufgeheizte Stadtklima absenken können, nennen die beiden Parteien allgemein.

AfD stimmt allein gegen den Antrag

Streitpunkt Parkgebühren

Sollte in der Neubemessung des ruhenden Verkehrs auch die Gebührenordnung für das Parken überarbeitet werden? Ja, sagen zumindest CDU und Grüne: Das Parken in der Innenstadt sei noch immer viel zu günstig, wenn man bedenke, dass auch der Nahverkehr immer teurer würde.

Eine Anhebung der Parkgebühren könnte auch den städtischen Haushalt erquicken . Nach Angaben der Parteien soll die Stadt Bochum im vergangenen Jahr mit höheren Gebühren und Bewohnerparkausweisen Mehreinnahmen in sechsstelliger Höhe erzielt haben.

Dagegen allerdings wendeten sich die SPD und auch die AfD. Das Parken sei in der City zu teuer , und wenn man Carsharing und E-Fahrzeuge zudem von Gebühren ausschlösse, wäre dies eine „einseitige Bevorzugung“, wetterte die AfD.

Roland Jansen vom Tiefbauamt wendete ein, die Gebühren dienten nicht zur Aufbesserung der Kasse , sondern zur Steuerung des Parkens . Würde man die Gebühren abschaffen, parkten vermehrt Anwohner und Angestellte auf diesen Plätzen. Andere Innenstadtbesucher fänden dann weniger Parkplätze.

Auch der emissionsarme und -freie Autoverkehr soll bevorzugt in die Innenstadt kommen, etwa Carsharing-Projekte und Fahrzeuge mit E-Kennzeichen. Für die SPD im Mobilitätsausschuss ist das noch zu vage: „Sie geben keine Ziele vor, sondern nur einzelne Maßnahmen“, lautete eine Kritik. Hier wollen die Genossen noch ergänzen etwa mit weiteren Ladestationen für E-Fahrzeuge. Siegfried Rauhut (CDU) zeigte sich offen für weitere Vorschläge der Politik: „Wir sollten aber darauf warten, was die Stadt erarbeitet. Das soll die Basis schaffen, auf der wir Politik machen wollen.“

Der Ausschuss stimmte nahezu einstimmig für den Antrag – bis auf die AfD. Bis zur nächsten Sitzung im Februar 2021 will die Verwaltung vorstellen, was sie genau untersuchen will, um am Ende ein Konzept für den ruhenden Verkehr zu erarbeiten. Und seine Alternativen.