Mülheim. Zugewanderte Tiere: Der Goldschakal wollte in Mülheim nicht bleiben. Andere Tiere hingegen schon. Manche sind aber nur für Experten sichtbar.

Ein Goldschakal sorgte kürzlich für Schlagzeilen, denn dieses hundeartige Tier war in Mülheim bisher noch nicht gesehen worden. Tierische Einwanderer, Rückkehrer, Neubürger oder auch nur Durchreisende wie der Goldschakal sind in auch Mülheim gar nicht so selten. Aber meist sind diese Tiere klein und unauffällig, gehören etwa zu den Insekten und fallen daher nur Experten auf.

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Daniela Specht, Artenschutzbeauftragte im Mülheimer Umweltamt, hat allerdings einen Blick dafür. Als Beispiele für Zugezogene aus wärmeren Gefilden nennt sie etwa den „Kurzschwänzigen Bläuling“, einen Tagfalter, die „Sichelschrecke“, eine Heuschreckenart, oder den „Nachtkerzenschwärmer“, ein Schmetterling, der in der Dämmerung aktiv wird. Ebenso wie beim Goldschakal, der aus Südosteuropa stammt, wird der Klimawandel mit dafür verantwortlich gemacht, dass einige neue Tierarten in unserer Stadt inzwischen gute Lebensbedingungen finden können.

Der Goldschakal fiel auf, weil er in Mülheim Lämmer gerissen hatte

Der kleine Seidensäger fand aus dem Mittelmeerraum an die Ruhr und bekam einen Ring.
Der kleine Seidensäger fand aus dem Mittelmeerraum an die Ruhr und bekam einen Ring. © BSWR | T.Rautenberg

„Der Goldschakal ist ja nur aufgefallen, weil er Schaden angerichtet hat“, erinnert Daniela Specht an die gerissenen Lämmer. „Für den Goldschakal reicht das Habitat hier im Ballungsraum nicht aus“, sagt sie. Deshalb zog er weiter in Richtung Niederlande. Ein einzelnes Männchen, das erst auch einmal ein Weibchen finden muss, um sich etablieren zu können.

Ebenso auf der Durchreise ist auch gern mal der Fischadler. Elke Brandt, Vizevorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Ruhr, berichtet, dass kürzlich ein Exemplar in der Ruhraue beim Fischen beobachtet wurde. „Auf der Durchreise von Mecklenburg-Vorpommern nach Südeuropa muss der auch mal auftanken“, sagt sie.

Marienkäfer, zugezogen aus Asien

Kleinkrabbelige Exoten findet man auch vielerorts in Mülheim. Der asiatische Harlekin-Marienkäfer zum Beispiel kommt heute nicht mehr nur in Japan und China vor.

Der gepunktete Käfer wurde wegen seines großen Blattlaus-Appetits zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. „Der vermehrt sich massenhaft“, sagt Elke Brandt vom Nabu Ruhr, „und verdrängt den einheimischen Marienkäfer“.

Nach Mülheim gekommen, um zu bleiben, ist hingegen die „Südliche Eichenschrecke“, eine langbeinige Laubheuschrecke. Übrigens nicht zu Fuß. „Diese Tiere halten sich zum Beispiel an den Autoscheiben fest und reisen dann mit“, sagt Daniela Specht. „Sie haben sich bei uns ganz gut etabliert.“ Ebenso wie das „Weinhähnchen“, eine südeuropäische Grillenart. „Die sieht man kaum, aber man hört sie nachts“, sagt die Expertin. „Das Grillenzirpen klingt dann ganz so wie im Urlaub in Südfrankreich.“

Das Rebhuhn ist an der Ruhr heute nicht mehr heimisch

Bei den Vögeln gibt es auch einige Arten, die (wieder) eingewandert sind. Nachgewiesen ist etwa der „Seidensänger“, der aus dem Mittelmeerraum stammt, wenn er sich auch hier noch nicht fest etabliert hat. „In Mülheim konnte ein Vogel gefangen und beringt werden“, sagt Daniela Specht. Freuen würde sie sich, wenn das Rebhuhn, eine früher auch an der Ruhr heimische Art, wiederkehren würde. Der Bodenbrüter ist auf Ackerflächen angewiesen, auf denen er ungestört nisten kann. Aber das ist im Ballungsraum für Vögel schwierig, die in Reichweite freilaufender Hunde und Spaziergänger ihr Nest haben: „Auch der Kiebitz und die Feldlerche sind da sehr störempfindlich.“

Uhus – hier ein Jungvogel – fühlen sich an alten Industriestandorten im Ruhrgebiet wohl.
Uhus – hier ein Jungvogel – fühlen sich an alten Industriestandorten im Ruhrgebiet wohl. © Stadt Mülheim | D. Specht

Raubvögel wie der Uhu und der Wanderfalke gelten im Ruhrgebiet aber inzwischen als etabliert. Ob Gebirge oder hohe Gebäude – das sei diesen Vogelarten gleich. „Wir haben mehrere Uhus im Nahgebiet“, sagt Frau Specht. Ob sie aber auch auf Mülheimer Gebiet brüten oder hier nur jagen, sei nicht klar. Vor allem in alten Industriegebäuden könnten Uhus gute Brutplätze finden.

Die Türkentaube wanderte in den 1930er Jahren nach Deutschland ein

Elke Brandt erinnert an Tiere, die längst in Mülheim an der Tagesordnung sind, aber ursprünglich nicht hier heimisch waren: Die Türkentaube etwa, mit dem auffälligen „Kragen“ am Hals, zugewandert aus Kleinasien in den 1930er Jahren. Für Vogelkundler damals eine Sensation. Sensationell finden alle anderen eher Exoten wie den grünen Halsbandsittich. Exemplare dieser Papageienart wurde entweder ausgesetzt oder sind entflogen, fühlen sich an der Rheinschiene wohl und machen auch schon mal einen Ausflug an die Ruhr. Auch ein Mönchssittich hat mal zwischendurch am Auberg genistet. Doch als Singlehaushalt hatte er keine Zukunft. Diverse Gänsearten wie Nil-, Kanada- oder Rostgans wurden einst als Ziergeflügel gehalten und haben sich irgendwann selbstständig gemacht, erläutert Elke Brandt.

Außerhalb von einem Gehege oder auch einer Pelztierfarm können auch der Bisam, die Nutria und der Waschbär gut in Mülheim überleben. Es sind alles Tiere, die ursprünglich auf dem amerikanischen Kontinent zu Hause sind. Waschbären, weiß Elke Brandt, wurden einst am Edersee ausgesetzt und haben „von da aus den Siegeszug durch ganz Deutschland angetreten.“ Die erste Sichtung in Mülheim, so Brandt, „war am 31. Oktober 1984 an der Mühlenbergheide.“ Das Fatale: Das kleine Klettergenie ist ein Nesträuber, verspeist gern Eier und Jungvögel heimischer Arten.

Es besteht die Möglichkeit, dass sich Biber auch an der Ruhr niederlassen

Ein Nutria, beobachtet an der Ruhr in Mülheim.
Ein Nutria, beobachtet an der Ruhr in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

In fast allen Mülheimer Gewässern sieht man auch die Rotwangen-Schmuckschildkröte, so Elke Brandt. „Die Tiere werden oft ausgesetzt, wenn sie den Haltern zu groß werden.“ Auch dieses Tier ist in Nordamerika beheimatet.

Wasserliebende heimische Tiere wie den Biber findet man schon wieder im Kreis Wesel und in Bottrop. Die Nager stammen ursprünglich von einem Auswilderungsprojekt am Niederrhein. „Es besteht schon die Möglichkeit, dass sich Biber auch an der Ruhr niederlassen“, so Daniela Specht. Mit dem Biber, so ihre Ansicht, „kommt unser Ökosystem auch gut klar.“

Für den Luchs oder den Wolf gibt es in Mülheim aber keinen geeigneten Lebensraum, sagt Daniela Specht. Die größeren Räuber könnten aber durchaus auf dem Weg in ein passendes Habitat durch Mülheim wandern. Wie es der Goldschakal eben auch schon getan hat.