Mülheim. Ein Mülheimer Spaziergänger hatte am Morgen eine tierische Begegnung in der Müga. Amerikanische Flusskrebsarten verdrängen die heimischen Krebse.

Eine tierische Begegnung hatte Timo Janssen vor ein paar Tagen morgens in der Müga: Kampflustig reckte ihm ein Krebs dort auf dem Weg vor dem Restaurant Ronja die Scheren entgegen. Der Mülheimer machte ein Foto und brachte den mehrbeinigen Spaziergänger dann mithilfe eines Stocks ins Wasser. Das bei Facebook gepostete Foto sorgte für viele Reaktionen. Michael Raspel vor der Interessengemeinschaft der Fischervereine Untere Ruhr nannte das Tier beim Namen: Amerikanischer Kamberkrebs.

Kamber- oder Kalikokrebs - jedenfalls keine in Mülheim ursprünglich heimische Art

Den Kamberkrebs beobachten die Mülheimer Angler schon seit Jahren in und an der Ruhr, berichtet Raspel. Durchaus mit Sorge: Denn das Tier war ursprünglich nur in amerikanischen Flüssen und Seen heimisch, vermehrt sich hierzulande aber sehr stark und verdrängt dadurch die heimischen Edelkrebsarten. Er überträgt die Krebspest und frisst, was die einheimischen Krebse fressen: Grünzeug, tote Fische, kleine Insekten, wohl auch Laich.

Daniela Specht, die Artenschutzbeauftragte im Umweltamt der Stadt, mag sich aufgrund des Fotos nicht genau festlegen, weil ihr der Größenvergleich fehlt, zudem seien einige artspezifische Merkmale nicht so gut zu erkennen, sagt sie. Es könnte sich laut Specht auch um den viel kleineren Kalikokrebs handeln. Ob Kamber- oder Kalikokrebs: Beides sind „invasive Arten“, und vor allem der Kalikokrebs „vermehrt sich sehr stark und frisst alles, was er kriegen kann.“ Weil er auch Kleinstbewässer besiedelt, kann er zur Bedrohung für lokale Amphibien werden.

Infos rund um Flusskrebse

Meldungen zu Krebsvorkommen in der Stadt kann man der Mülheimer Bürgeragentur melden unter 0208 / 455-1644 oder schriftlich unter buergeragentur@muelheim-ruhr.de. Auch im Umweltamt kann man sich melden: 455-0.

Auf der Seite https://www.edelkrebsprojektnrw.de/ findet man alle möglichen Informationen rund um heimische und nicht heimische Flusskrebse.

„Die Kamberkrebse sind ziemlich gut zu Fuß und lassen sich nicht viel gefallen“, berichtet Fischexperte Raspel. Bis zu zwölf, 13 Zentimeter groß werden ausgewachsene Krebse, und die zwacken auch, wenn sie sich bedroht fühlen. „Man möchte“, so Raspel, „die nicht so gern am Finger hängen haben.“ Ihre Wanderfreude und ihre sehr hohe Vermehrungsrate machen die Kamberkrebse, die eigentlich nachtaktiv sind, nun wohl auch schon mal am Tage sichtbar: Auch in der Hermannstraße in Broich sei bereits ein Exemplar „mit der Suppenkelle“ eingefangen worden, wie in Timo Janssens Facebook-Post kommentiert wurde.

Krebsprojekt will die heimischen Flusskrebsarten Edel- und Steinkrebs schützen

Schwer nachvollziehbar sei heute, wie die Ami-Krebse letztlich auch in die Ruhr kamen, so Raspel. Womöglich sind sie ausgesetzt worden. Das Ergebnis: Der Europäische Edelkrebs ist an der Ruhr „gar nicht mehr nachweisbar“. Michael Raspel verweist auf das gemeinsame „Edelkrebsprojekt NRW“ von Naturschutzbund Nabu und dem Fischereiverband NRW, das sich zum Ziel gesetzt hat, die beiden heimischen Flusskrebsarten Edelkrebs und Steinkrebs zu schützen und zu fördern. Gleichzeitig soll die Ausbreitung amerikanischer Flusskrebsarten verringert werden. Neben dem Kamberkrebs sind das unter anderem der Signalkrebs, der Rote Amerikanische Sumpfkrebs oder eben der Kalikokrebs.

Invasive Arten hat das Umweltamt im Blick und bittet die Bevölkerung um Mithilfe: Gute Fotos machen, genau aufschreiben, wo der Krebs gefunden wurde, und das dann dem Umweltamt oder der Biologischen Station melden. „Wer sich traut, kann den Krebs auch einfangen“, sagt Daniela Specht. Denn die Stadt müsse den Status der Vorkommen erfassen. Unter Umständen muss gehandelt werden, das sehe das Naturschutzgesetz seit 2017 so vor. Bestimmte invasive Arten werden dann zum Beispiel heraus gefangen.

Mülheimer Angler wollen den Krebs-Bestand in der Ruhr untersuchen

Auch die Mülheimer Angler wollen etwas tun: Im kommenden Jahr, berichtet Michael Raspel, werden die Interessengemeinschaft der Fischervereine ausnahmsweise an zwölf bis 20 Stationen in der Unteren Ruhr Krebs-Reusen auslegen, um den Krebs-Bestand zu untersuchen. Mit Krebsreusen zu fischen, erklärt Raspel, das ist an der Unteren Ruhr nicht erlaubt.

Auch der Kamberkrebs hat seine Fress-Feinde, und damit sind nicht allein die kulinarischen Freunde der Krustentiere gemeint. Heimische Raubfische wie Hecht, Zander oder Barsch fressen Krebse, erklärt Raspel. Und auch die Konkurrenz der eigenen Art kommt nach: In Düsseldorf gebe es bereits Probleme mit dem ebenfalls aus den USA stammenden gefräßigen Kalikokrebs, weiß Raspel. Der rund 9 cm kleine Kalikokrebs geht auch gern über Land und vermehrt sich noch schneller als der Kamberkrebs.