Mülheim. In zwölf Ausschüssen muss der Mülheimer Rat am 4. und 5. November Vorsitzende festlegen. Auch der AfD steht einer zu. Nicht jedem gefällt das.

Wenn der neue Rat in der kommenden Woche zum ersten Mal zusammentrifft, werden auch die Machtverhältnisse neu verteilt. In zwölf Ausschüssen muss jeweils ein Vorsitzender gewählt werden. Er oder sie legt die Tagesordnung im Gremium fest, kann darüber wichtige Themen vorantreiben und die eigene Partei profilieren. Als viertstärkste Fraktion hat auch die AfD Anspruch auf einen Vorsitz. Nicht wenigen Stadtverordneten bereitet das Bauchschmerzen: Welchen Ausschuss soll man den Rechtskonservativen überlassen?

Der öffentliche Druck, der AfD im Rat Einhalt zu gebieten, zumindest wächst. Die Grünen machen aus ihren Bedenken keine Mördergrube: „Es ist schwer zu ertragen, aber rechtlich ist daran nichts zu ändern, weder durch eine parteiübergreifende Listenbildung noch anders“, kommentiert der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Tim Giesbert, die Lage. Die Szenarien haben die Grünen durchgespielt und kommen zu einem Ergebnis: Die demokratischen Spielräume sind eng, und Tricksereien dienen am Ende womöglich der AfD – das befürchten auch SPD und CDU.

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AfD ist spätestens im zehnten Durchgang am Zug

Das Verfahren für die Besetzung der Vorsitze gibt die Gemeindeordnung NRW nach § 58, Absatz 5 vor: „Haben sich die Fraktionen über die Verteilung der Ausschussvorsitze geeinigt und wird dieser Einigung nicht von einem Fünftel der Ratsmitglieder widersprochen, so bestimmen die Fraktionen die Ausschussvorsitzenden aus der Mitte der den Ausschüssen angehörenden stimmberechtigten Ratsmitglieder.“

Kann man sich jedoch nicht einigen, werden die Ausschüsse mathematisch nach Sitzstärke im Rat verteilt: Das erste Besetzungsrecht hat die CDU mit den meisten Sitzen im Rat (14), dann die Grünen (13), dann die SPD (12). Danach werden die Sitze immer weiter halbiert und weiter verteilt: 7, 7, 6. Über den neunten Vorsitz müssen SPD und AfD losen, spätestens beim 10. Durchgang aber, wären die Blauen mit vier Ratssitzen am Zug, ihren Ausschuss zu besetzen.

Welcher Ausschuss bleibt für die AfD?

Doch welche von den zwölf Ausschüssen bleiben dann übrig? Um das zu regeln, haben sich zumindest die drei „Großen“ – CDU, Grüne und SPD – bereits zusammengesetzt. Begehrt sind der Finanzausschuss – bislang in den Händen der SPD –, Wirtschaft/Stadtentwicklung und Mobilität (CDU), der Planungsausschuss (SPD) und Umwelt (Grüne). Auch die Themen Sicherheit und Ordnung wird man der AfD wohl nicht überlassen wollen.

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„Natürlich beanspruchen wir einen Vorsitz“, macht der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander von Wrese deutlich. Allerdings, so von Wrese, rede nicht jede Partei mit den Blauen. Interesse habe die „Alternative“ besonders an Wirtschaft, Finanzen, Sicherheit, aber auch an Arbeit, Soziales (bislang SPD), räumt der Vorsitzende offen ein. Gleichwohl wissend, wie die Chancen stehen, den Vorsitz im Ausschusspoker ausgerechnet in diesen Gremien zu bekommen.

Druck auf die Ratsmitglieder: „Isolieren Sie die AfD-Fraktion“

Derweil aber wächst der Druck, rechten Parteien Einhalt zu gebieten, auf die Politik. In einem offenen Brief an die Ratsfraktionen, Einzelmitglieder und den Oberbürgermeister fordert die vor wenigen Monaten neu gebildete Kunstaktionsgruppe „Deutschland für alle“ (DfA) dazu auf: „Werden Sie Ihrer politischen und moralischen Verantwortung gerecht und isolieren Sie die AfD‑Fraktion im Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr.“

AfD will mit Sachbezogenheit punkten

„Wir wollen in der Ratssitzung mit einer sachorientierten Haltung auffallen und konstruktiv mit anderen Parteien zusammenarbeiten, wo es Mülheim nützt“, gibt der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander von Wrese bekannt.

Der letzte Einzug der Blauen – zur Kommunalwahl 2014 – allerdings währte kaum ein Jahr, bevor sich die Fraktion mit fünf Sitzen zerlegte.

„Persönliche Eitelkeiten“ hätten damals zum Bruch geführt, kommentiert Von Wrese. Jetzt aber handle es sich um eine „gewachsene Gruppe. Mit Dominik Fiedler und Karin Fiene arbeite ich seit Jahren eng zusammen“.

Weiter fordern sie, grundsätzlich keinen Anträgen der AfD zuzustimmen, nicht mit den Stimmen der AfD zu kalkulieren, um Mehrheiten für einen Antrag zu erzielen, keine Verhandlungen zu führen, die eine Mitwahl oder Zustimmung der AfD zum Ziel haben. „Betrachten Sie es als Mitglieder des Rates der Stadt als Ihre moralische und demokratische Pflicht, dem Treiben der AfD auch in Mülheim an der Ruhr entschieden entgegenzutreten“, heißt es weiter in dem offenen Brief.

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Bleiben im Ausschusspoker am Ende „Leibesübungen“ (Sport, bisher CDU) und Kultur (BAMH) für einen AfD-Vorsitz übrig? Manche Kulturschaffende fürchten, dass die neue Ratspartei dann auf Streichungen im Kulturetat drängen wird. Von Wrese allerdings winkt ab: „Ich persönlich halte nichts von Streichungen im Kulturbereich.“