Mülheim. Mit der Wahl von Marc Buchholz (CDU) zu Mülheims OB gibt es eine hauchdünne Mehrheit für Schwarz-Grün. Woran eine Koalition scheitern könnte.
Die beiden Sieger der Mülheimer Kommunalwahlen, CDU und Grüne, wollen noch in dieser Woche zu ersten Sondierungsgesprächen für ein mögliche Zusammenarbeit in den nächsten fünf Jahren zusammenkommen.
Auch interessant
Der Donnerstag dieser Woche ist laut CDU-Fraktionschefin Christina Küsters angepeilt für ein erstes Treffen von Partei- und Fraktionsspitzen. Beide Seiten machten im Gespräch mit dieser Redaktion deutlich, dass es zunächst nicht um Inhalte, sondern vielmehr darum gehe, einen Fahrplan für die kommenden Verhandlungsrunden abzustecken.
Grüne dämpfen die Euphorie des neuen OB: Wir wissen noch nicht, wohin die Reise geht
Während der frisch gewählte CDU-Oberbürgermeister Marc Buchholz bereits am Abend nach seiner Wahl euphorisch eine neue schwarz-grüne Allianz in Aussicht stellte („Es passt einfach mit den Grünen“), äußern sich die Spitzen der Grünen betont zurückhaltend. Schon bei der Wahlparty der CDU hatten sie Buchholz’ klare Worte mit Lachern quittiert. Nun untermauerte Parteisprecherin Kathrin-Rosa Rose die Haltung der Partei, dass erst einmal nichts ausgemachte Sache sei.
„Wir führen erst mal nur Sondierungsgespräche, um zu sehen, wo es Überschneidungen gibt und wo Knackpunkte. Wir wissen aber noch nicht, wohin die Reise geht“, so Rose. Klar sei, dass die kräftig erstarkten Grünen mit ihren 13 Ratssitzen (CDU 14 plus OB-Stimme, SPD zwölf) mit einem ausgeprägten Gestaltungswillen in die kommenden fünf Jahre gingen.
Schwarz-Grün wäre dank OB-Stimme eine hauchdünne Gestaltungsmehrheit
Die Form der Zusammenarbeit mit der CDU sei aber völlig offen. Es werde sich in den Sondierungen zeigen müssen, ob es inhaltlich reicht für ein festes Bündnis, für lediglich inhaltliche Vereinbarungen oder aber auch nur für Verabredungen zu einigen Schwerpunktthemen. Bekanntlich wollen die Grünen auch noch mit der SPD sprechen – trotz mancher Nickeligkeiten nicht nur im Wahlkampf-Endspurt. Grünen-Sprecherin Rose betont, dass es der Stadt auch nicht schaden könne, eine gestalterische Mehrheit breiter aufzustellen als eine mögliche schwarz-grüne Allianz, die seit Sonntag dank OB-Stimme eben diese Ein-Stimmen-Mehrheit für sich beanspruchen könnte.
Die Liste der gewichtigen Themen, die streitbare Verhandlungen nötig machen, dürfte so kurz nicht sein. Beispiel Nahverkehr. In der CDU gibt es eine starke innerparteiliche Fraktion, die seit Jahren darauf drängt, das Defizit von mehr als 30 Millionen Euro jährlich durch drastische Maßnahmen zu drücken. „Leere Straßenbahnen weiter durch die Gegend fahren zu lassen“, ist für sie ein unerträglicher Zustand.
Differenzen zeigen sich im Nahverkehr, auch bei der Klima- und Umweltpolitik
Die Grünen haben in ihrem Wahlprogramm die zusätzliche Straßenbahn nach Saarn verankert, vertreten den Standpunkt: Wenn das Angebot größer und besser ist, wird die Ruhrbahn auch mehr Geld einnehmen. Die Verkehrswende ist bei den Grünen wichtiger Punkt der Klimapolitik. Zwar fordert die CDU in ihrem Programm auch „mehr ÖPNV“. Aber sie spricht in der Stadt, in der die Autonutzung weit mehr dominiert als anderswo, auch davon, den Nahverkehr „am tatsächlichen Bedarf orientiert zu gestalten“ und „kosteneffizient zu optimieren“.
Auch interessant
Nächstes Beispiel: die Klima- und Umweltpolitik. Dem Programm der Grünen ist das Thema vorangestellt und prägend, bei der CDU eines von 16 Kapiteln; dabei zudem vage bei der Benennung konkreter Maßnahmen. Zur vom Stadtrat Ende Juni erklärten Klimanotlage gilt es ein (finanzierbares) Maßnahmenbündel zu schnüren. Zentrale Punkte grüner Programmatik finden sich bei der CDU nicht wieder. Etwa erscheint der Wahlkampf-Pakt zum Schutz der Bebauung im Grünen als ein brüchiger, blickt man auf Wohnbauprojekte der Vergangenheit. Dazu haben die Grünen beständig bemängelt, dass die Stadt den Bauherren keine ökologischen Standards setzt, die CDU hat jene Bebauungspläne in dieser Angelegenheit kritiklos durchlaufen lassen, zuletzt auf dem Rumbaum-Areal in Selbeck.
Positionen zur Zukunft von Medl und Flughafen stimmen nicht überein
Nicht neu ist auch die Forderung der Grünen, langfristig die städtischen RWE-Aktien zu verkaufen, um mit dem Geld weitere Anteile an der Medl in Besitz zu nehmen. Über den Energiedienstleister soll so die Energiewende vor Ort durchschlagskräftiger gestaltet werden. Schon 2016 hatten die Grünen mit der SPD im Rat durchgesetzt, zehn Prozent Anteile von RWE/Innogy an der Medl zu übernehmen. Damals dagegen: die CDU.
Auch im Ringen um die Zukunft des Flughafens ist Konfliktpotenzial ausgemacht. Die CDU ringt hier seit Längerem intern um ihre Positionierung, ob sie weiter zu ihrem Ausstiegsbeschluss stehen soll. Neu-OB Buchholz hatte im Wahl-Interview dieser Redaktion im August deutlich gemacht, „dass ich mir eine Entwicklung am Flughafen über 2034 hinaus vorstellen kann“. Ein No-Go für die Grünen, ebenso wie eine Bebauung auf dem Areal, die über die versiegelten Flächen an der Brunshofstraße hinausgeht.
Fraktionsvorsitzende sehen Möglichkeit der Verständigung
Grüne weiter mit Giesbert und Krumwiede-Steiner
Die Grünen haben ihr Führungspersonal für den Stadtrat und die Bezirksvertretungen bereits bestimmt, heute ist die konstituierende Fraktionssitzung der CDU angesetzt.
Die grüne Ratsfraktion wird weiter von Tim Giesbert (Ministerialbeamter) und Franziska Krumwiede-Steiner (Lehrerin) geführt. Beisitzer im Fraktionsvorstand werden Brigitte Erd und Timo Spors sein.
Neuer Fraktionschef in der Bezirksvertretung Rechtsruhr-Süd wird Edgar Simon. Axel Hercher bleibt Fraktionssprecher im Bezirk Rechtsruhr-Nord. Neuer Fraktionsvorsitzender im Bezirk Linksruhr ist Carsten Voß.
Dies sind nur einige Felder, auf denen die möglichen Koalitionäre zusammenfinden müssten. „Es wird sich zeigen, bei welchen Knackpunkten wir in den Gesprächen mit der CDU mehrere Runden drehen müssen“, will Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert nicht öffentlich die konträren Inhalte diskutieren.
„Das sind natürlich alles große Themen“, sagt CDU-Fraktionschefin Küsters. Auch sie will momentan nicht näher auf Meinungsverschiedenheiten beider Parteien eingehen. „Aber ich sehe nicht, dass wir unglaublich weit auseinanderliegen. Ich bin nach wie vor guter Dinge“, sieht sie aber doch gute Chancen für eine Kooperation mit den Grünen. Man werde strittige Punkte in den anstehenden Gesprächen „gemeinsam erarbeiten“ – und dann sehen. Den Optimismus der CDU will Giesbert nicht torpedieren. Eine Zusammenarbeit mit der Union sei „die nahe liegendste Konstellation“.