Mülheim. Neuer Tiefschlag für die Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte: Die Transfergesellschaft für die Mitarbeiter der Eisengießerei ist vorerst geplatzt.
Nachdem vor über einer Woche das Ende der Eisengießerei der Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim verkündet wurde, folgt nun der nächste Tiefschlag für die 235 Mitarbeiter. Eigentlich sollten sie die Möglichkeit haben, in einer Transfergesellschaft vorübergehend aufgefangen zu werden. Nun ist das dafür nötige Darlehen geplatzt. Den Mitarbeitern droht die sofortige Freistellung am Montag, wenn nicht kurzfristig eine Lösung gefunden wird.
Alle Bedingungen waren erfüllt, 89,99 Prozent der Mitarbeiter hatten sich entschlossen, in die Transfergesellschaft zu wechseln. Dort sollten sie 80 Prozent ihres aktuellen Nettogehalts bekommen und bis zu zehn Monate lang weiterqualifiziert werden, um gegebenenfalls auf aussichtsreichere Jobs umzuschulen. Doch am Mittwochnachmittag, am letzten Tag des Schutzschirmverfahrens, teilte die Geschäftsführung den insgesamt 460 Mitarbeitern der Hütte – 235 in der Eisengießerei, 225 im Stahlguss – mit, dass der Mutterkonzern, die GMH-Gruppe (Georgsmarienhütte), kein Darlehen bewilligt.
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Mülheimer Friedrich-Wilhelms-Hütte braucht 2,4 Millionen Euro für Transfergesellschaft
2,4 Millionen Euro wollte die GMH-Gruppe als Kredit zur Verfügung stellen, ist aber kurzfristig abgesprungen. „Das Versprechen ist gebrochen worden“, sagt IG-Metall-Sekretär Dirk Horstkamp. Am Donnerstag sollte das Insolvenzverfahren beginnen, nun wurden drei Tage Karenzzeit erkauft, um eine Lösung zu finden.
Die Geschäftsführung der Friedrich-Wilhelms-Hütte hat nach eigenen Angaben am Donnerstag Gespräche mit einem möglichen neuen Geldgeber geführt. Wer das ist, wollte die Hütte nicht bekannt geben. Die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen, am Freitagnachmittag wolle man ein Ergebnis präsentieren.
Ende der Eisengießerei könnte Ende des gesamten Standortes bedeuten
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Wenn die Transfergesellschaft nicht zustande kommen sollte, bedeute das für rund 150 der 235 Mitarbeiter eine sofortige Entlassung am kommenden Montag, sagt Horstkamp. Die anderen folgten dann am 1. November beziehungsweise 1. Dezember. Horstkamp ist sich sicher, dass alle Mitarbeiter gegen ihre Kündigung klagen werden – und damit das Ende des gesamten Standortes besiegelt sei. „Das wäre auch das Ende des Stahlgusses.“ 235 Kündigungsschutzklagen seien nicht mehr tragbar für die traditionsreiche Hütte, kein Investor würde sich das antun. „Wenn das passiert, brennt die Luft.“
Ein Schlosser, der seit zwölf Jahren in der Eisengießerei gearbeitet hat und anonym bleiben will, findet harte Worte: „Die fahren die Karre geplant vor die Wand.“ Er, seine Kollegen, alle seien sie kreidebleich gewesen, als man ihnen von dem geplatzten Darlehen für die Transfergesellschaft erzählt hat. „Viele haben sich noch mal Hoffnung gemacht, aber da wurden Luftschlösser gebaut“, ärgert er sich.
Halbe Betriebskapazität lag brach
Im Jahr 2016 hatte die Friedrich-Wilhelms-Hütte rund ein Drittel ihrer Belegschaft entlassen, die meisten davon im Stahlguss. Im vergangenen Jahr lag dort die Unterbeschäftigung bei zehn bis 15 Prozent, in der Eisengießerei lag zuletzt die halbe Betriebskapazität brach.
Im Bereich Stahlguss erstreckt sich der Produktbereich insbesondere auf Fahrwerksteile und Bauteile für den ballistischen Schutz, Gussteile für Schienenfahrzeugkupplungen, den allgemeinen Maschinenbau, Bremsscheiben und Verschleißguss wie Hämmer für Schredder-Anlagen. Die Kunden sind in den Branchen Wehrtechnik, Schienenfahrzeugtechnik, Bergbautechnik sowie im Maschinen- und Anlagenbau tätig.
Zumal einige „sich geopfert“ hätten, der Transfergesellschaft zuzustimmen, um die nötige 90-Prozent-Quote der Belegschaft zu erreichen. Er als Schlosser habe weniger Sorgen, eine neue Arbeit zu finden. Anders sieht das bei den Gießern aus – es ist ein Beruf, der ausstirbt. Der Mittvierziger glaubt nicht mehr daran, dass eine Lösung gefunden wird.
Schlosser in der Eisengießerei: „Es gibt ständig ein neues Worst-Case-Szenario“
„Es gibt ständig ein neues Worst-Case-Szenario“, sagt er. Erst war es das Schutzschirm-Verfahren, das die Hütte im Juni nach den Corona-Einbußen beantragt hatte, verbunden mit dem Optimismus des Geschäftsführers Mark Vierbaum, dass die Hütte „2061 auch noch ihren 250. Geburtstag feiern wird“. Nun die Insolvenz der Eisengießerei und eine schlechte Zukunftsprognose für den Stahlguss.
1811 gegründet, ist sie eines der traditionsreichsten Unternehmen der Stadt, tausende Mülheimer Familien sind über die zwei Jahrhunderte mit ihr verbunden gewesen. Wenn am Freitag keine Lösung gefunden wird, könnte diese Tradition bald der Vergangenheit angehören. Die Mitarbeiter, sie fühlen sich für dumm verkauft: „Wir haben alles gegeben bis zum Schluss.“