Mülheim. In Mülheim besuchen weniger Kinder über drei Jahre einen Kindergarten als in vielen anderen Städten in NRW. Dafür steigt die Zahl der U3-Kinder.
In Mülheim besuchen weniger Kinder über drei Jahre eine Kita oder eine Tagesmutter als in anderen Städten im Umkreis. Dafür werden hier mehr kleine Kinder unter drei Jahren fremdbetreut als im NRW-Schnitt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung, die stadtscharf den Umfang und die Art der Betreuung von Kindern zwischen einem und sechs Jahren untersucht hat.
88,5 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren besuchten 2019 in Mülheim einen Kindergarten (2020: 88,8 %), 2,1 Prozent davon eine Tagesmutter oder einen Tagesvater. Zum Vergleich: In Bochum sind es etwa 91,8 Prozent, in Düsseldorf sogar 96,2 Prozent der Kinder, im NRW-Schnitt 92,1 Prozent.
Bedarf an U3-Plätzen dürfte höher sein als die erfüllte Betreuungsquote
Bei der Betreuung der Kleinsten, der unter Dreijährigen, steht Mülheim „besser“ da: Hier sind 29,9 Prozent in einer Betreuung (2020: 32,1 %), die eine Hälfte besucht die Tagespflege, die andere Hälfte eine Kita. In Nachbarstädten wie Duisburg oder Oberhausen sind es nur 16,8, bzw. 21,7 Prozent, NRW-weit 28,2 Prozent.
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Dennoch: Wunsch und Wirklichkeit gehen immer noch weit auseinander, denn der Bedarf nach einem U3-Betreuungsplatz dürfte auch in Mülheim deutlich höher liegen als die tatsächlich erfüllte Quote. Der Bedarf wurde in der Bertelsmann-Studie NRW-weit mit 48,1 Prozent für U3-Kinder ermittelt, die Inanspruchnahme liegt in Mülheim bei rund 30 Prozent.
Öffnungszeiten: Eltern wünschen sich schon lange mehr Flexibilität
Über die Hälfte der unter Dreijährigen (50,2 Prozent) werden über 35 Stunden die Woche in der Kita betreut, in der Tagespflege nehmen die meisten Eltern (93,8 Prozent) eine Betreuung von 25 bis 35 Wochenstunden in Anspruch. Ähnlich sieht es bei den Ü-3-Kindern aus.
Bei den Öffnungszeiten wünschen sich Mülheimer Eltern schon lange mehr Flexibilität. Dass dieser Wunsch berechtigt ist, spiegelt sich in den Ergebnissen der Studie wider: 95,6 Prozent der Einrichtungen öffnen ab 7.30 Uhr oder früher, nur 36,3 Prozent haben länger als bis 16.30 Uhr geöffnet.
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Bertelsmann-Stiftung empfiehlt in U3-Gruppen pro Betreuer drei Kinder
Viele Kitas in NRW würden „ihrem Bildungsauftrag aufgrund unzureichender Rahmenbedingungen nicht oder nur eingeschränkt“ gerecht, kritisieren die Autoren der Studie. Dies zeigt sich vor allem beim Personalschlüssel. Dieser wird in Mülheim, genau wie in den meisten anderen Ruhrgebietsstädten, nicht erfüllt. Die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt einen Personalschlüssel von eins zu drei bei Kindern von 0 bis 4 Jahren, sowie eins zu 7,5 bei Kindergartengruppen. In Mülheim kommt bei den 0- bis 4-Jährigen eine Fachkraft auf 4,4 Kinder, im Ü3-Bereich betreut eine Fachkraft 8,8 Kinder.
Knapp ein Drittel der Kita-Kinder hat ausländische Wurzeln
Auch die Herkunft der Kinder wurde in der Studie unter die Lupe genommen. So haben 21,4 Prozent der U-3-Kinder in einer Kita Migrationshintergrund, also einen Elternteil mit ausländischer Herkunft. In der Tagespflege sind es 28,7 Prozent. Bei den Ü-3-Kindern sind es 32,1 (Kita), bzw. 39,7 Prozent (Tagespflege).
Die meisten Kinder in beiden Betreuungsbereichen sprechen zuhause vorwiegend Deutsch miteinander. 20,6 Prozent der Kinder unter drei Jahren sprechen eine andere Sprache (Tagespflege: 26,5); 32,7 sind es bei den Drei- bis Sechsjährigen (Tagespflege: 41,2).
Weitere Details zur Studie gibt es unter: https://www.laendermonitor.de/de/vergleich-bundeslaender-daten/kinder-und-eltern/bildungsbeteiligung
Alarmierend dürfte auch ein Wert sein, der eher selten erhoben wird: In Mülheim beklagen 9,9 Prozent der Kita-Leitungen, dass sie keine Zeit für die Ausübung ihrer Verwaltungs- und Personalarbeit haben. Dieser Wert liegt auch in anderen Städten erstaunlich hoch, etwa in Duisburg bei 15,2 oder in Essen bei 13,2.
Stadtelternrat fordert: Mehr Erzieher, zentrales Anmeldesystem
Der Mülheimer Stadtelternrat beklagt schon seit langem die mangelnde Qualität in den Kitas: Fehlende Fachkräfte, steigende Beiträge, umständliches Anmeldeverfahren, langes Warten auf einen Betreuungsplatz. Jugenddezernent Marc Buchholz versprach bereits nach Elternprotesten im Frühjahr, dass Mülheim bis zum Jahr 2022 insgesamt 525 Kita-Plätze schaffen werde, davon 162 für Kleinkinder unter zwei Jahren.
Um Familien zu entlasten, fordern die Eltern neben der Anhebung des Personalschlüssels auch ein zentrales System zur Bedarfsmeldung und Vergabe von Kita-Plätzen. Ein solches EDV-gestütztes Programm soll es zur nächsten Anmeldungsrunde für das Kita-Jahr 2021/22 geben, versprach Buchholz ebenso.