Mülheim. In Mülheimer Kitas soll es bald mehr flexible Betreuungsangebote geben. Stadt und Fachleute fragen zunächst die Bedarfe bei den Eltern ab.

Alleinerziehende oder berufstätige Eltern im Schichtdienst bekommen bei der Betreuung ihrer Kinder oft ein Problem. Denn die normalen Öffnungszeiten der Kitas reichen häufig nicht aus. Diesem Problem will sich die Stadt Mülheim stellen – und lässt nun das Interesse an der Randzeiten-Betreuung abfragen.

Der Jugendhilfeausschuss soll in seiner Sitzung am 31. Januar die Verwaltung beauftragen, zusammen mit den freien Trägern der Kindertageseinrichtungen Pilot-Kitas zu benennen. In diesen soll das Betreuungsangebot flexibler gestaltet werden. Viele Eltern halten das für längst überfällig, denn nachmittags ist in fast jeder zweiten Mülheimer Kita schon um 16 Uhr Schluss.

Flexibel heißt: Längere Öffnungszeiten über 47 Stunden in der Woche sowie Öffnungszeiten an Wochenenden und Feiertagen. Auch eine Betreuung nach 17 Uhr am Nachmittag und vor 7 Uhr morgens soll möglich sein sowie „zusätzliche Betreuungsangebote bei unregelmäßigem Bedarf oder für ausnahmsweise kurzfristig erhöhten Bedarf der Familien“, heißt es in der Beschlussvorlage. All diese Angebote sollen in ausgewählten Gruppen der Pilot-Kitas zunächst getestet werden.

Interessenbekundung soll Bedarfe ermitteln

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Nun steht es allerdings erst einmal an, eine so genannte „Interessenbekundung“ bei den Eltern durchzuführen. Wie ist der Bedarf an flexibleren Betreuungszeiten und -angeboten? In welchem Umfang sind die Angebote möglich? Wie wird die Mehrbetreuung personell umgesetzt und finanziert? „All diese Fragen gilt es, gemeinsam mit den Trägern zu besprechen und herauszuarbeiten“, erklärt Lydia Schallwig, Leiterin des Amtes für Kinder, Jugend und Schule. Sie weiß: „Es ist ein ständiger Spagat zwischen dem Wohl des Kindes und dem Bedarf der Eltern.“

Der Mülheimer Stadtelternrat fordert schon lange, die Betreuungsangebote flexibler zu gestalten. Das habe man schon auf dem Schirm, so Schallwig. „Aber erst jetzt haben wir die finanziellen Mittel dazu.“ Insgesamt werden 439.500 Euro an die jeweiligen Träger der Pilot-Kitas für die Umsetzung des Projekts ausgeschüttet, 351.600 Euro davon kommen vom Land Nordrhein-Westfalen, 87.900 Euro finanziert die Stadt. Gestartet werden soll zum 1. August 2020.

Dem Arbeitsmarkt geht wertvolles Potential verloren

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„Eine gute Randzeitenbetreuung durch Kindergärten, Kindertagesstätten und Tagesmütter für Kinder ist vor allem für Frauen die Voraussetzung für den erfolgreichen Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Elternzeit“, weiß Jürgen Koch, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen. Im Beratungsalltag erlebten die Arbeitsvermittler immer wieder, wie schwierig es ist, Arbeit und Familie miteinander zu vereinbaren, wenn etwa die Eltern weiter weg wohnen und keine Unterstützung bei der Kinderbetreuung anbieten können, erklärt Jürgen Koch.

Stadtelternrat fordert schon lange mehr Flexibilität

Bereits jetzt ist rund die Hälfte der Mülheimer Kita-Kinder im Umfang von 45 Wochenstunden angemeldet, das gilt auch für die U3-Betreuung. Auch der Stadtelternrat Mülheim als Interessenvertretung der Mütter und Väter von Kita-Kindern, hat sich schon mehrfach mit den Öffnungszeiten beschäftigt.

Ideal sei aus Sicht vieler Eltern eine Art Gleitzeitmodell in den Kindertagesstätten: dass also die Betreuungszeit immer erst dann gerechnet wird, wenn das Kind tatsächlich in der Tür steht. „Es wäre schön, wenn die Einrichtungen diese Flexibilität anbieten würden“, meinte der Vorsitzende des Stadtelternrates in einem Gespräch mit dieser Zeitung vor knapp einem Jahr.

Dem Arbeitsmarkt gehe wiederum durch die fehlende Kinderbetreuung wertvolles Potential verloren. Vor allem gut qualifizierten und motivierten jungen Frauen werde der Berufseinstieg erschwert. „Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Verlust in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht.“ Besonders betroffen seien Betreuungsberufe wie Familienpfleger oder Jobs im Handel, „aber auch das höhere Management wie Unternehmensberatungen zählen dazu“, weiß Koch.