Mülheim. Eine Kundgebung begleitete den Strafprozess gegen zwei Mitarbeiter des Autonomen Zentrums (AZ) in Mülheim. Die Demonstranten fordern: Freispruch.

Mit Transparenten, kernigen Statements und schnellem Punkrock haben vor dem Mülheimer Amtsgericht rund 60 Demonstranten gegen Polizeigewalt protestiert. Sie unterstützen eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter des Autonomen Zentrums (AZ), die sich in einem Strafverfahren verantworten müssen. Unter Applaus ihrer Leute betraten die beiden am Montagmorgen das historische Gebäude an der Georgstraße.

Demonstranten in Mülheim fordern: „Hände weg vom AZ“

Der Tatort, an dem die Probleme begannen, liegt nur wenige Schritte entfernt: Im AZ an der Auerstraße gab es Anfang Juni 2019 die fatale Kette aus Rausschmiss eines Besuchers, massivem Einschreiten der Polizei und Gegenwehr übernächtigter AZ-Leute, deren genauer Hergang jetzt Gegenstand der Gerichtsverhandlung ist. Die Monate danach waren von politischen Debatten um die Finanzierung des Jugendkulturzentrums geprägt, so dass die Demonstranten auch diese Forderung über die Lautsprecheranlage verkündeten: „Hände weg vom AZ!“

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Für 50 Teilnehmer war die Kundgebung angemeldet, tatsächlich sind sogar noch mehr Sympathisanten vor Ort gewesen, etwa 60. Nach Einschätzung von Demo-Sprecherin Tina Schumacher kamen die meisten von ihnen aus Mülheim, einige aus Essen oder anderen Städten. Den Corona-Schutzvorschriften wurde Rechnung getragen durch Desinfektionsmittelspender und Markierungen auf dem Pflaster. Alle Teilnehmer waren mit Mundschutz unterwegs. Keine Maskenpflicht galt für die ebenfalls zahlreich vertretenen Polizeibeamten, die die Georgstraße sperrten und das Gerichtsgebäude bewachten. „Polizeigewalt ist extrem aktuell“, erklärt die Demo-Sprecherin. „Der jüngste Vorfall in Düsseldorf zeigt, dass es nicht nur ein Problem in den USA ist.“ Leugnung und Vertuschung würden gefördert, unabhängige Ermittlungen verhindert.

Vorwurf: Opfer werden zu Tätern gemacht und umgekehrt

Speziell der für Essen und Mülheim zuständigen Polizei lasten die Demonstranten eine Reihe von Übergriffen an, deren Details am Montag noch einmal die Kundgebung anheizten. Besonders ein höchst umstrittener Einsatz wegen Ruhestörung im April 2020 hatte Kreise gezogen, hier ermittelt aktuell die Staatsanwaltschaft: In Essen-Bochold hatten Polizisten eine Wohnung gestürmt, der 23-jährige Omar A. verbreitete anschließend ein Instagram-Video, das seine massiven Verletzungen dokumentieren soll und millionenfach geklickt wurde. O-Töne aus dem Video wurden auf der Kundgebung noch einmal abgespielt.

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Auch live bekamen die rings um die Demo postierten Polizeibeamten einiges zu hören: Eine Sprecherin warf der Behörde vor, Traumatisierung als Waffe einzusetzen und häufig eine Täter-Opfer-Umkehr vorzunehmen. Unter diesem Blickwinkel betrachten die Demo-Teilnehmer auch den laufenden Prozess gegen die AZ-Leute. „Es ist nicht leicht, gegen das Freund- und Helfer-Klischee des ehrlichen Polizeibeamten anzugehen“, so die Sprecherin.

Polizist: Alles gut, außer der Musik

Einen einzigen Fürsprecher hatte die Polizei: Gleich zu Beginn der Kundgebung versuchte ein stämmiger Herr im weißen Hemd eine Lanze zu brechen für die Beamten und ihre oft schwierigen Arbeitsbedingungen: „Sie haben Familie, haben ihren Job, sie sind Leute wie du und ich.“ Lautstarker Punkrock und angenervte Rufe beendeten diesen unerwünschten Wortbeitrag. Der Besucher entfernte sich.

Ansonsten verlief die Kundgebung vor dem Amtsgericht bis zum Schluss ruhig und regelkonform. Ein Polizeibeamter fasste es am Handy so zusammen: „Bis auf die Musik ist alles gut.“