Mülheim. Mit 99,1 Prozent hat Mülheims SPD ihre OB-Kandidatin Monika Griefahn nun auch offiziell nominiert. Ihre Wahl aber wurde überschattet vom Streit.

Die Zeit der Abrechnung ist bei Mülheims SPD noch nicht vorüber, das kann auch OB-Kandidatin Monika Griefahn nicht überstrahlen. Während die Delegiertenkonferenz des Unterbezirks Griefahn mit 99,1 Prozent nun auch offiziell in den Wettbewerb um den Einzug ins Chefzimmer des Rathauses schickte (eine Gegenstimme, vier Enthaltungen), verpassten die Genossen dem engeren Zirkel um den bereits vor die Tür gesetzten Fraktionschef Dieter Spliethoff einen Denkzettel.

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Fünf Stunden lang dauerten Parteitag und Delegiertenkonferenz am Montagabend in der Innogy-Halle, bevor die Zählkommission nach langer Zeit des Rückzugs das Ausrufezeichen des Abends setzte. Viele Genossen hatten sich da bereits auf den Heimweg gemacht. Entweder sie ahnten nicht, dass die Partei an diesem Abend noch Schlagzeilen ohne den Namen „Griefahn“ produzieren würde – oder aber sie wollten sich ersparen, eben jene Abrechnung als Rucksack mit in den Wahlkampf zu tragen.

Daniel Mühlenfeld entging nur knapp der Wahlpleite

Die SPD scheute sich nicht, am Montag bei den Nominierungen der Wahlkreiskandidaten und bei der Wahl der Reserveliste noch einmal Dampf abzulassen. Nachdem Fraktionschef Dieter Spliethoff schon von seinem eigenen Ortsverein in Dümpten nicht mehr als Wahlkreiskandidat vorgeschlagen worden war, bekam nun der Kreis seiner engsten Vertrauten die Quittung für die parteiinternen Querelen zur Affäre von OB Ulrich Scholten. Die SPD-Hardliner, die Scholten mit aller Macht hatten aus dem Amt drängen wollen, fuhren bei den Wahlen die schlechtesten Ergebnisse ein.

Enthüllten die Plakatkampagne der SPD für die OB-Wahl: Parteichef Rodion Bakum (links) und Kandidatin Monika Griefahn.
Enthüllten die Plakatkampagne der SPD für die OB-Wahl: Parteichef Rodion Bakum (links) und Kandidatin Monika Griefahn. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Allen voran Daniel Mühlenfeld, Sohn von Scholtens Vorgängerin Dagmar Mühlenfeld. Gar wäre fast noch seine Kandidatur im Wahlbezirk Heißen-Mitte gescheitert. Nur 56 Delegierte unterstützten seine Kandidatur, 49 stimmten dagegen. Das zweitschlechteste Ergebnis erhielt Fraktionsgeschäftsführer Claus Schindler (60/48) für seinen Wahlbezirk Heißen-Süd/Heimaterde. Auch Sascha Jurczyk (Styrum-Nord, 64,2 Prozent), Klaus Konietzka (Stadtmitte-Zentrum, 67,6 Prozent) und Norbert Mölders (Styrum-Süd, 69,2 Prozent) schnitten bei den Wahlkreis-Nominierungen schlecht ab. Für die vielen Gegenstimmen sorgten dem Vernehmen nach auch Gründe abseits der OB-Affäre, etwa die misslungene Frauenförderung im Ortsverein Styrum.

Eine Kampfkandidatur für Stadtmitte-Ost auf den letzten Metern vermieden

Alexander Böhm, Ortsvereinsvorsitzender in Stadtmitte, erhielt seinen Denkzettel erst später, weil er nach einem Deal mit Parteichef Bakum auf seine direkte Kandidatur für den Wahlkreis Stadtmitte-Ost verzichtet hatte. Bei den Wahlen zur Reserveliste, wo Böhm nach der Streitschlichtung Bakums auf Platz vier geführt wird, reichte es nur zu einem Ergebnis von 61,7 Prozent. Böhms Verzicht auf die Wahlkreis-Kandidatur hatte eine Kampfabstimmung am Montag verhindert. Der Ortsverein Winkhausen hatte Astrid Stieren als Gegenkandidatin zu Böhm ins Spiel gebracht.

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Böhm gab auf dem Parteitag eine persönliche Erklärung zu den Vorgängen ab. „Am Ende geht es um die Einigkeit der Partei und eine Geschlossenheit für den Wahlkampf“, zeigte er sich dabei versöhnlich, ohne an Kritik zu sparen. Der Ortsverein Winkhausen, für den sich später Colin Sroka öffentlich entschuldigte, habe sich unsolidarisch verhalten, weil er eine Gegenkandidatin ohne Vorankündigung ins Rennen geschickt habe. Böhm dankte Parteichef Bakum, der nun „einen großen Anteil“ an der Kompromisslösung habe. Bekanntlich hat Bakum, um Böhm einen der vorderen Plätze auf der Reserveliste bieten zu können, selbst auf seine Absicherung mit Listenplatz zwei verzichtet. Bakum wird nun auf Platz 30 geführt. Um wieder in den Stadtrat zu kommen, muss er schon CDU-Kandidat Heiko Hendriks dessen Wahlkreis Broich-Süd streitig machen.

SPD-Parteichef Bakum spricht von „Parteitag der neuen Chancen“

Griefahn sieht SPD als „soziale Kraft“ in Corona-Zeiten

„Wir Sozialdemokraten werden gebraucht“, sagte OB-Kandidatin Monika Griefahn mit Blick auf die Existenznot vieler Familien und die steigende Zahl an Arbeitslosen und Insolvenzen, die infolge der Corona-Pandemie zu erwarten seien. Es gehe darum, die SPD als die soziale Kraft in der Stadt zu präsentieren und Vertrauen zurückzugewinnen. Die Krise zeige: „Nur Reiche können sich einen schwachen Staat leisten.“

Griefahn forderte die Genossen auf, im Wahlkampf trotz schwieriger Bedingungen den Kontakt zu den Menschen zu suchen. Sie selbst hatte jüngst in einer Postkartenaktion dazu eingeladen, mit ihr in Kontakt zu treten, etwa bei Nachbarschaftstreffen. Es gelte weiter um eine Gestaltungsmehrheit im Stadtrat zu kämpfen.

Konsterniert nahmen die abgestraften Genossen ihre schlechten Wahlergebnisse auf. In kleinen Runden versammelten sie sich zur Wahlnachlese, Ex-OB Mühlenfeld und Kämmerer Frank Mendack an ihrer Seite. Daniel Mühlenfeld nahm sein Ergebnis enttäuscht zur Kenntnis, mit einer Bewertung der sachlichen Arbeit von ihm und Fraktionsgeschäftsführer Schindler könne es nichts zu tun haben, seien sie im Duo doch verantwortlich für rund ein Drittel der Anträge, Anfragen und Vorschläge in der Fraktionsarbeit.

SPD-Chef Bakum resümierte einen „Parteitag der neuen Chancen“. Der Parteitag habe gezeigt, dass Solidarität und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Vertrauen belohnt würden. Wenn auch teilweise mit schlechtem Ergebnis, so seien alle vorgeschlagenen Kandidaten nun gewählt. „Alle haben die Chance, einen neuen Stil zu pflegen, einen neuen Kurs einzuschlagen und gemeinsam im Wahlkampf um jede Stimme zu kämpfen.“

Kostspielige Wahletappe: Weil die SPD aufgrund ihrer weiterhin vergleichsweise hohen Mitgliederzahl einige mehr als 100 Delegierte coronagerecht zu platzieren hatte, musste die Partei die Innogy-Halle für ihre Nominierungswahlen anmieten.
Kostspielige Wahletappe: Weil die SPD aufgrund ihrer weiterhin vergleichsweise hohen Mitgliederzahl einige mehr als 100 Delegierte coronagerecht zu platzieren hatte, musste die Partei die Innogy-Halle für ihre Nominierungswahlen anmieten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller