Dortmund. . Eine Familie und eine Kindertagesstätte mit 60 Plätzen ziehen mitten in ein Wohngebiet der Innenstadt. Eine Premiere für das Ruhrgebiet.
Das Dorf entsteht mitten in der Stadt. Und eigentlich ist es „nur“ ein Haus: In einer Dortmunder Wohnstraße entsteht das erste SOS-Kinderdorf im Ruhrgebiet, jedenfalls das erste „echte“. Neben einer Kindertagesstätte und einer Notgruppe für Kinder, deren Zukunft noch geklärt werden muss, zieht auch eine klassische Kinderdorf-Familie ein: Mutter, Vater und sechs Kinder.
Vorbei die Zeiten, in denen SOS-Kinderdörfer aufs Land gehörten, gern auch abgeschieden und architektonisch – ein Dorf eben. Längst geht der Verein „in die Lebenswelt der Kinder, die uns brauchen“, sagt Gabriele Polle. Die 53-Jährige ist derzeit Leiterin des Kinderdorfs Sauerland in Lüdenscheid und wird auch Dortmund übernehmen. Gerade Kinder, die das Jugendamt aus ihren Familien nehmen muss, kommen häufig aus der Stadt, weshalb das SOS-Team das Konzept des „Kinderdorfzentrums“ erfand: Angebote in Großstädten. In Berlin entstand bereits eine solche Kombination aus Jugendhilfe-Einrichtung und Familie. In Frankfurt und auch Essen betreibt der Verein Wohngruppen für Jugendliche, aber ohne feste Kinderdorf-Mutter. „Es war augenfällig“, sagt Polle, „dass wir im Ruhrgebiet noch nicht vertreten waren.“
Im Dachgeschoss entsteht ein Spielplatz
Nun aber kommt Dortmund, und das wird so: 60 Kinder zwischen vier Monaten und sechs Jahren beziehen eine dreigruppige Kindertagesstätte. Ein Begegnungszentrum entsteht gleich nebenan, etwa für Kursangebote auch für Ältere. In die erste Etage zieht die Kinderdorf-Mutter mit Ehemann und sechs Kindern. Mit zwei Geschwisterpaaren von zwei bis fünf Jahren lebt sie bereits im Lüdenscheider Dorf. Darüber wird eine „Klärungsgruppe“ eingerichtet: Hier wohnen Kinder im Grundschulalter nur für kurze Zeit, bis für sie, die bei ihren Eltern aus verschiedenen Gründen nicht bleiben können, eine neue Perspektive gefunden ist. Und dann gibt es noch das Dachgeschoss, Ruhe- und Spielplatz zugleich.
Jugendliche werden nicht kommen, dabei wurde das im Viertel schon behauptet. Wie auch, dass das alles laut wird, dass die (maximal 16) Kinder aus schwierigen Verhältnissen sich nicht benehmen werden – und dann die Parkplätze! Derer gibt es zu wenig in der Kronprinzenstraße, aber Gabriele Polle glaubt nicht, „dass wir das Problem wesentlich verschärfen werden“. Zehn Stellplätze für Mitarbeiter sind geplant, auf die Kita-Eltern will man einwirken: „Wir hoffen, dass sie so einsichtig sind, ihr Kind zu Fuß zu bringen.“ Zumal die meisten aus der Umgebung kommen: 70 Anmeldungen liegen der Kita, die es noch gar nicht gibt, bereits vor, die Mehrheit aus dem Viertel, ganz viel Post kam von der Adresse Kronprinzenstraße.
Das Gebäude: „Ein Sechser im Lotto“
Und das Kinderdorfzentrum schreibt zurück. Kärtchen an alle Nachbarn, dass sie hier „ein neues Zuhause für Kinder“ bauen. Und neulich eine Einladung zum Baustellenfest: Die Nachbarn sollen die Pläne kennenlernen und die gut 20 Mitarbeiter gleich mit. Denn noch sind die 3139 Quadratmeter Baustelle. Die ersten Kinder kommen zu Jahresbeginn, die Kita öffnet zum 1. August 2019. Das Haus gibt es schon, es war einst das Verwaltungsgebäude der Bau-Berufsgenossenschaft, erbaut 1951. „Ein Sechser im Lotto“, sagt Gabriele Polle, dass das SOS-Kinderdorf es kaufen konnte. Die Stadt beteiligt sich an dem Millionenprojekt.
Die Büros sind bereits entkernt, ihr Teppich ist herausgerissen, die Kabel, die Rohre, alles nackt; einzig das rosa getünchte Treppenhaus ist noch ganz. Der eingeschossige Anbau wird Kita, mit großem Garten nach Süden, wo der alte Bahndamm das Grundstück begrenzt. Der alte Verwaltungstrakt wird Wohnhaus, jedes Büro ein Kinderzimmer. Schon bald sollen die künftigen Bewohner erstmals zu Besuch kommen, später dürfen sie beim Einrichten helfen.
Es wird das „Haus der Kinder“, sagt Gabriele Polle, und das in einem Viertel, das sich in den vergangenen Jahren immer mehr verjüngt hat. Mitten hinein zieht nun eine neue Dorfgemeinschaft – und vielleicht schon bald in den nächsten Stadtteil: In der Dortmunder Nordstadt, deutet Polle an, könnte sich SOS-Kinderdorf vielleicht ein weiteres Standbein setzen.
>>> INFO: SOMMERFEST IN ESSEN, BAUSTELLEN-PARTY IN DORTMUND
Am kommenden Samstag, 30. Juni, lädt das SOS-Kinderdorf Dortmund zum Baustellenfest. Von 11 bis 15 Uhr gibt es Programm für Kinder und Informationen für Nachbarn, Spender, Interessierte: Kronprinzenstr. 89-93, 44135 Dortmund.
Auch Essens Kinderdorf feiert: ein Sommerfest am Freitag, 6. Juli, ab 15 Uhr in der Hammacherstr. 33. Danach wird das „Förderturmhaus 2“ umgebaut.