Mülheim. Mit der Aktion „Land schafft Verbindung“ bedanken sich Mülheimer Landwirte für Unterstützung der Bevölkerung. Schwierigkeiten gibt es trotzdem.
„Vielen Dank für Ihre Unterstützung!“ Das steht in großen Lettern auf einem bunt dekorierten Anhänger, der im Moment auf einer Staffelfahrt durch ganz Deutschland unterwegs ist. In Mülheim machte der Dankeschön-Anhänger auf dem Hof von Landwirt Hermann Terjung Station. Gemeinsam mit seinem Essener Kollegen Nikolas Weber hatte der Landwirt aus Holthausen den Anhänger in Bochum abgeholt.
Mit der Aktion „Land schafft Verbindung“, an der sich Landwirte aus der ganzen Bundesrepublik beteiligen, möchten sich die Bauern zum einen für die Unterstützung der Bevölkerung bedanken, denn regionale Produkte werden soviel gekauft wie lange nicht mehr. Zum anderen möchten die Landwirte die Aktion nutzen, um mit Lokal-Politikern, lokaler Presse und der Bevölkerung selbst ins Gespräch zu kommen.
Mülheimer Landwirt: Vielen fehlt emotionaler Bezug zu Lebensmitteln
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So kamen auch Mülheims erste Bürgermeisterin Margarete Wietelmann, OB-Kandidatin der SPD Monika Griefahn und FDP-Ratsherr Joachim vom Berg auf den Hof von Bauer Terjung, um im Rahmen der Aktion über die Anliegen der Mülheimer Landwirte zu sprechen. „Die Themen, die uns bewegen, betreffen ja eigentlich die Politik auf Bundesebene, aber wir müssen die Menschen vor Ort erreichen mit den Endverbrauchern sprechen, um Verständnis für die Schwierigkeiten, die wir empfinden, in der Bevölkerung zu bekommen“, sagte Nikolas Weber, der den Essener Oberschuirshof nicht weit von der Mülheimer Stadtgrenze betreibt.
Es seien ganz unterschiedliche Probleme, die für den Endverbraucher jedoch sehr abstrakt seien, der emotionale Bezug zu den Lebensmitteln fehle bei vielen. Dass die regionalen Produkte seit einiger Zeit boomen, sei natürlich auch den Begleitumständen durch Corona zu verdanken.
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„Die Leute kochen und essen einfach viel mehr zu Hause“, weiß Hermann Terjung, der mit seiner Frau den Hof in Menden-Holthausen in fünfter Generation betreibt. „Mensen, Restaurants, Kantinen, die waren und sind teilweise ja alle dicht. Auch die Kinder werden nicht in der Kita oder in der Schule versorgt.“
Keine dauerhafte Bereitschaft, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben
Obwohl Familie Terjung keinen Hofladen betreibt und ihre Produkte auf verschiedenen Wochenmärkten anbietet, käme es in letzter Zeit häufiger vor, dass Spaziergänger einfach mal vorbeikommen und einen frischen Salat vom Feld oder andere Produkte direkt vor Ort kaufen möchten. Es sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber Nikolas Weber glaubt trotz der gestiegenen Nachfrage in seinem Hofladen und generell nach regionalen Produkten aber nicht, dass die Bereitschaft, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, wirklich gestiegen sei.
Denn auch die Supermärkte und Discounter würden durch die Corona-Krise ähnlich mehr Umsatz in Sachen Lebensmittel machen. Gerade beim Fleisch würden viele Menschen zu anonymisierten Produkten tendieren. Ein Beispiel hat Landwirt Weber direkt parat. „Eine Kundin wollte bei uns im Hofladen Perlhuhn kaufen, wir hatten aber in der Auslage nichts mehr vorrätig“, erinnert sich Weber. „Wir hatten an diesem Tag Schlachttag und ich habe ihr angeboten, ein Perlhuhn zu schlachten, wenn sie etwas Zeit hätte.“
Ausgleich zwischen Umweltschutz und Lebensmittelproduktion schwierig
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Die Kundin habe den Gedanken, dass für sie jetzt ein Perlhuhn sein Leben lassen müsse nicht ertragen und habe den Einkauf dann ohne Fleisch beendet. „Wenn ich Emotionen habe, das Tier kenne, dann ist auch die Wertschätzung diesem Tier gegenüber eine ganz andere“, findet der Essener Landwirt, der aber nicht den Verzicht auf Fleisch predigen möchte. Denn schließlich lebe er davon. „Aber das Bewusstsein ist ein ganz anderes.“
Seine Kunden würden bei ihm die Tiere insofern kennen, als dass diese vor der Schlachtung ein angenehmes Leben bei ihm auf dem Hof führen könnten. Ein weiterer Aspekt, den die Landwirte ins Gespräch brachten, war das Thema Naturschutz und Nachhaltigkeit. Es sei immer schwieriger Umweltschutz und Lebensmittelproduktion ausgeglichen zu betreiben.
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Weniger Ertrag durch Umweltschutz und Artenvielfalt
„Vor 60 Jahren war alles mehr oder weniger Bio, aber dann wurden die Flächen immer weniger, aber zeitgleich immer mehr Menschen, die versorgt werden wollen“, schildert Landwirt Weber die Zwickmühle, in der sich die meisten Landwirte befinden. „Wenn ich nur auf Umweltschutz und Artenvielfalt, auf die wir Landwirte wie alle Menschen ja auch angewiesen sind, setze, habe ich weniger Ertrag.“
4000 Kilometer durch Deutschland
Der Aktionswagen wird insgesamt 4 000 Kilometer quer durch Deutschland mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometer unterwegs sein.
Die Aktionsfahrt ist wie bei einem Staffellauf organisiert, der Anhänger wird von Station zu Station weitergereicht.
Mehr Informationen und aktuelle Aktionen der Bewegung „Land schafft Verbindung“ gibt es auf www.landschafftverbindung.org.
Genauso laufe es andersherum. Viel Ertrag bedeute eben weniger Umweltschutz und im schlimmsten Fall Artensterben. Dass diese Probleme auf lokaler Ebene nicht ad hoc lösbar sind, wissen die Landwirte. Aber es sei ein Anfang, wenn man durch diese Aktion mehr Menschen erreichen und ein neues Bewusstsein gegenüber den Lebensmitteln schaffen könne. Damit auch wirklich viele Landwirte und Verbraucher durch die Aktion zusammenfinden, ging es am Mittwoch dann für den Aktionsanhänger per Traktor weiter nach Ratingen und dann Etappe für Etappe in Richtung Niedersachsen.