Mülheim. Die Corona-Krise bringt Menschen in Not, bei denen es vorher so gerade reichte. Auch die Awo in Mülheim verteilt jetzt tütenweise Lebensmittel.

Wer Not hat, sich ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, steht bei der Tafel an. So war es jahrelang auch in Mülheim. Seit Mitte März aber, als die ersten ernsthaften Corona-Ängste aufkamen, hat diese Anlaufstelle des Diakoniewerkes Arbeit & Kultur an der Georgstraße geschlossen.

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Damit Menschen, die wirklich bedürftig sind, nicht unversorgt dastehen, hat die Tafel schnell einen Lieferservice eingerichtet. Anfangs wurden rund 50 Personen versorgt, inzwischen sind es nach Auskunft des Diakoniewerkes 140 Leute. Mehr ist momentan nicht machbar. „Wir prüfen, ob wir es ausweiten können“, sagt Geschäftsführer Ulrich Schreyer. Wenn man überlegt, dass früher jeden Tag mehr als 300 Besucher an der Georgstraße gewartet haben, ist die Lücke augenfällig.

Hilferufe erreichen die Wohlfahrtsverbände

Durch die Corona-Krise drohen auch Menschen, deren Budget vorher so eben ausreichte, existenzielle Probleme. Bei den Wohlfahrtsverbänden in Mülheim kommen Hilferufe an, bei der Awo beispielsweise, und sie hat sich jetzt zusätzliche Fördergelder organisiert. Kürzlich hat die Awo eine Zusage der Aktion Mensch über knapp 50.000 Euro bekommen. Die Summe wird als Corona-Soforthilfe bereit gestellt, um Lebensmittel zu kaufen und zu verteilen.

Die Awo Mülheim verteilt Beutel mit Lebensmitteln - 50.000 Euro hat die Aktion Mensch zu dieser Corona-Soforthilfe beigesteuert.
Die Awo Mülheim verteilt Beutel mit Lebensmitteln - 50.000 Euro hat die Aktion Mensch zu dieser Corona-Soforthilfe beigesteuert. © Awo

Die ersten Tüten wurden jetzt gepackt, überwiegend mit haltbaren Lebensmitteln, „denn viele Menschen verfügen weder über Herd noch Mikrowelle“, so die Erfahrung des Awo-Teams. Dies gilt beispielsweise für die Stammgäste des Café Light, die dort für sehr wenig Geld essen und trinken konnten - bis der Treffpunkt für Suchtkranke schließen musste.

Ältere Menschen vermissen das günstige Mittagessen

Aber auch ältere Leute geraten durch die Corona-Krise in Schwierigkeiten, etwa dadurch, dass es den günstigen Mittagstisch im Seniorenzentrum BuSS momentan nicht gibt. „Dort wird jeden Tag frisch gekocht“, berichtet Awo-Geschäftsführerin Michaela Rosenbaum. Eine Mahlzeit kostet zwar rund fünf Euro, „aber die Portionen sind so groß, dass sich viele Besucher etwas mit nach Hause genommen und zwei Tage davon gegessen haben“.

Die Awo hat eine erste Abfrage gestartet und 80 bis 100 Menschen in Mülheim ausgemacht, die dringend Unterstützung brauchen. Insbesondere Leute, die schon vorher in den verschiedenen Einrichtungen begleitet wurden, „um deren Not wir auch ohne Pandemie bereits wussten“.

Einkaufsgutscheine für bedürftige Familien

Auch die Caritas Mülheim nimmt vermehrt Notlagen wahr, auch sie hat sich erfolgreich um Soforthilfe der Aktion Mensch beworben und rund 16.000 Euro erhalten. Mehr als 10.000 Euro davon stehen für Einkaufsgutscheine zur Verfügung. Denn: „Die Kapazitäten der Mülheimer Tafel für Lebensmittellieferungen sind ausgeschöpft“, sagt Monika Schick-Jöres, Koordinatorin der Gemeindecaritas. „Wer sich dort anmelden möchte, hat zur Zeit keine Chance.“

Tägliche Anlaufstelle für Obdachlose

Besonders auch Wohnungslose vermissen die Mülheimer Tafel - so jedenfalls der Eindruck ehrenamtlicher Helfer. Den Lieferservice könnten sie ohne feste Adresse nicht in Anspruch nehmen.

Der Verein Solidarität in Mülheim verteilt werktags ab 18.30 Uhr, samstags und sonntags ab 16.30 Uhr Lebensmittelspenden am Mülheimer Hauptbahnhof. „Wir haben während der Corona-Pandemie noch keinen einzigen Tag ausgesetzt“, berichtet die stellvertretende Vorsitzende Martina Justenhofen.

Täglich kämen 30 bis 40 Bedürftige dorthin, ob sich mit Essen zu versorgen.

In wirklichen Notfällen gibt die Caritas Einkaufsgutscheine aus, mal über 25 Euro, mal über 50 Euro, etwa um bedürftigen Familie zu helfen, deren Kinder bis vor zwei Monaten in der Schule kostenlos essen konnten. „In Familien mit drei oder vier Kindern, die jetzt den ganzen Tag zu Hause sind, wird es teilweise auch finanziell richtig eng“, so Schick-Jöres.

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Ein weiteres Beispiel fällt ihr ein: Die alleinerziehende Mutter von zwei Jugendlichen, die mit ihrem kleinen Job als Verkäuferin in Kurzarbeit gerutscht ist. „Dort haben wir schon drei Mal mit Einkaufsgutscheinen geholfen.“ Die Soforthilfe sei aber tatsächlich nur für Menschen gedacht, die aufgrund der Corona-Pandemie akut in Not seien, betont die Caritas-Koordinatorin. Das müssten Bedürftige, die bei ihr anrufen, verstehen.

Mülheimer Tafel scheut Bürokratie - Öffnung noch nicht in Sicht

Wann die Mülheimer Tafel wieder ihre Ausgabestelle öffnet, kann der Geschäftsführer des Diakoniewerkes noch nicht sagen: „Eine Warteschlange ist im Moment nicht praktikabel“, meint Ulrich Schreyer, „außerdem müssten wir Unterschriftenlisten auslegen, und davor scheuen wir uns.“ Die Mülheimer Tafel habe immer ohne Bürokratie funktioniert, und um das beizubehalten, liefert das Team momentan lieber Lebensmitteltüten aus.