Mülheim. Die Obdachlosen in Mülheim sind von der Corona-Krise hart getroffen. Es gibt kaum noch Hilfsangebote und die Kontaktsperre sorgt für Einsamkeit.

Zu Hause bleiben! Das ist momentan der Appell an alle Mülheimer. Was aber, wenn man kein Zuhause hat? Obdachlose trifft die Corona-Krise besonders hart. Denn zum einen fallen nach und nach die Hilfsangebote weg. Zum anderen bedeutet das Kontaktverbot für Menschen, die sowieso schon am Rande der Gesellschaft leben und kaum wahrgenommen werden, eine völlige Isolation und große Einsamkeit.

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    Auch Gabriele schlägt sich im Moment eher schlecht als recht durch. Die 60-Jährige lebt seit fünf Jahren auf der Straße, fühlt sich oft alleine und ausgegrenzt. Das Kontaktverbot trifft sie und viele andere Betroffene hart. „Manchmal braucht man einfach mal Trost, eine Umarmung oder eine Schulter zum Ausweinen“, sagt Gabriele. „Das alles ist im Moment nicht möglich, das macht noch einsamer.“ Ein seelisches Verhungern, das manchmal schlimmer sei, als der körperliche Hunger.

    Coronavirus lässt Hilfsangebote für Obdachlose schrumpfen

    Care-Tüten mit Lebensmitteln

    Der Verein Solidarität in Mülheim stellt drei mal die Woche „Care-Tüten“ mit Lebensmitteln zur Verfügung. Diese können telefonisch oder über Whatsapp an die Rufnummer 0163/1427234 bestellt werden.

    Auch die Beratungsstelle an der Auerstraße ist telefonisch unter 302450 erreichbar.

    Kleider- und Lebensmittelspenden nehmen sowohl die Diakonie als auch der Verein Solidarität in Mülheim nach telefonischer Absprache weiterhin gerne entgegen.

    Hilfsangebote für Obdachlose und Bedürftige wurden corona-bedingt schnell auf das Nötigste heruntergefahren. Die Tafel, Kleiderkammer und Teestube wurden schon vor den normalen Geschäften geschlossen. Normalerweise trifft man Gabriele vor dem Forum. Dort sitzt sie und bittet um Geld, damit sie sich etwas zu essen kaufen kann und die Notschlafstelle in Oberhausen finanziert werden kann.

    „Die Mülheimer Schlafstelle ist zwar kostenlos, aber dort wurde ich vor etwa einem Jahr von zwei anderen Frauen krankenhausreif geschlagen“, erzählt die 60-Jährige, die vom Leben der Straße gezeichnet ist. „Da ich sowieso ziemlich krank bin habe ich Angst, dass das nochmal passiert und fahre dann lieber in die Notschlafstelle nach Oberhausen, wo ich zahlen muss.“ Wenn sie überhaupt das Geld zusammenbekommt.

    Mülheimer Innenstadt ist wie leer gefegt: Weniger Passanten, weniger Geld

    Denn durch Corona und die damit einhergehenden Maßnahmen und Verbote ist die Innenstadt nun doch wie leer gefegt. Und für Gabriele und andere Obdachlose bedeutet das: Keine Passanten, kein Geld. „Da ich schwerbehindert bin, kann ich kostenlos mit Bus und Bahn fahren“, so Gabriele. „Wenn ich nicht genug Geld für einen Schlafplatz habe, versuche ich durch lange Bahnfahrten die Nacht im Warmen zu verbringen.“

    Die Obdachlose Gabriele zählt in mehrfacher Hinsicht zur Risikogruppe.
    Die Obdachlose Gabriele zählt in mehrfacher Hinsicht zur Risikogruppe. © FUNKE Foto Services | Jill Abanico

    Durch ihre schwere Erkrankung, ihr Alter und aber auch durch ihre Obdachlosigkeit zählt Gabriele in mehrfacher Hinsicht zur Risikogruppe in Sachen Corona und weiß das auch. „Ich wasche mir im Forum auf der Behindertentoilette regelmäßig die Hände. Bei einer Freundin kann ich ab und an auch meine Wäsche waschen.“

    Ausnahmeregelung für Solidarität in Mülheim

    Weiterhin Hilfe für Mülheims Obdachlose und mittellose Menschen bietet der Verein „Solidarität in Mülheim“. Jeden Abend um 18.30 Uhr verteilen freiwillige Helfer auf dem Bahnhofsvorplatz Essen und Kleidung an Menschen in Not. In diesen Tagen gehören auch Mundschutze, Handschuhe und andere Hygieneartikel zum Sortiment. Mit Kreidemarkierungen wird dafür gesorgt, dass die Abstände zueinander eingehalten werden.

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    Der Verein hat telefonisch eine Ausnahmeregelung mit der Stadt getroffen, damit die Hilfsbedürftigen nicht auch noch dieses Angebot einbüßen müssen. „Die Ärmsten bleiben doch immer auf der Strecke“, bedauert Gabriele Bischof, ehrenamtliche Mitarbeiterin bei „Solidarität in Mülheim“. „Neben der Lebensmittelversorgung fungieren wir ja auch als sozialer Treffpunkt, denn Menschen, die zu uns kommen, haben meist niemanden mehr, der sie irgendwie auffängt.“

    Spenden von Supermärkten und der Oberhausener Tafel

    Aufgrund der geschlossenen Tafel, bitten seit einiger Zeit auch vermehrt Menschen die von Grundsicherung oder Hartz IV leben, um Hilfe. Gerade zum Monatsende ist das Geld knapp, wenn überhaupt noch etwas übrig ist. Insbesondere alleinerziehende Mütter bekommen Care-Pakete mit Lebensmitteln vom Verein, um die Zeit, in der die Mülheimer Tafel geschlossen bleibt, zu überbrücken.

    Supermärkte, die sonst die Tafel beliefern, spenden die Lebensmittel an die Helfer von „Solidarität in Mülheim“, auch die Oberhausener Tafel, die weiterhin geöffnet hat, unterstützt den Mülheimer Verein durch Spenden.

    Diakonie ist dankbar für Kleidung und Lebensmittel

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    Andrea Krause, Abteilungsleiterin der Wohnungslosenhilfe der Diakonie, bedauert sehr, dass der Betrieb der Einrichtung an der Auerstraße auf das Nötigste heruntergefahren werden musste. Sie betont aber auch, dass die Klienten nicht im Stich gelassen werden, ein Streetworker ist jeden Tag in der City unterwegs und verschafft sich einen Überblick. „Er spricht mit den Leuten und versorgt sie, wenn notwendig, mit dem was sie brauchen“, sagt Krause. „Es kommen weiter Kleider- und Lebensmittelspenden bei uns an, die wir dankend annehmen und an unsere Klienten weitergeben.“

    Dass durch die Schließung des Tagesaufenthalts, der Teestube, den Wohnungslosen eine wichtige soziale Komponente genommen wurde, ist Krause bewusst. Aufgrund der aktuellen Situation habe es aber keine Alternative gegeben. Das sei auch für die Mitarbeiter nicht leicht. Noch vor kurzem habe ein Klient gesagt: „Ich bin so froh, dass ich Sie habe, denn sonst hätte ich niemanden mehr.“