Mülheim. Mindestens einen Monat lang, bis Ostern, bleibt die Mülheimer Tafel geschlossen - aus Angst vor Corona-Infektionen. Wie reagieren die Kunden?
Mittwochmorgen, zehn Uhr, Ausnahmezustand bei der Mülheimer Tafel. Keine Menschen, leere Regale. „So ruhig war es hier noch nie“, sagt ein Mitarbeiter in der Halle an der Georgstraße. Das graue Rolltor vor der Lebensmittelausgabe ist heruntergezogen, und so wird es fast fünf Wochen lang bleiben. Vielleicht auch länger. Für die Kunden und Beschäftigten der Tafel ist das keine leichte Situation.
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Eine Einfahrt weiter werden zum vorerst letzten Mal Kisten voller Lebensmittel aus einem Transporter getragen: Brote, Bananen, Streuselplätzchen. Am Dienstagmittag hat das Diakoniewerk Arbeit & Kultur entschieden, die Tafel vorerst zu schließen. Den Verantwortlichen ist das Corona-Ansteckungsrisiko dort zu hoch.
Hohes Ansteckungsrisiko im Gedränge
Als Hauptproblem wird die körperliche Nähe betrachtet, die entsteht, wenn sich die Menschen an der Ausgabestelle drängeln. „Wir haben die Leute in den letzten Wochen immer wieder darauf hingewiesen“, berichtet eine Mitarbeiterin. „Aber es gibt große Verständigungsschwierigkeiten.“ Nicht alle Geschäfte, die Reste spenden, konnten so kurzfristig informiert werden. Also sind die Tafel-Mitarbeiter am Mittwochmorgen nochmals Touren gefahren.
Schließung hat sich bei den Tafel-Kunden schnell herumgesprochen
Was sie eingesammelt haben, wird später vom Lkw aus verteilt an die wenigen Leute, die draußen im Dauerregen warten: rund 20 Menschen mit Taschen und Trolleys, überwiegend ältere Frauen und Männer. Offenbar hat sich rasch herumgesprochen, dass die Mülheimer Tafel dicht macht. „Normalweise stehen dort schon morgens um sieben Uhr, wenn ich hier aufschließe, acht bis neun Leute“, sagt eine Mitarbeiterin. „Auch im Winter.“ Jetzt waren es nur zwei.
Stundenlang harren die Kunden aus - rund 350 Bedürftige versorgt die Mülheimer Tafel täglich am Standort Georgstraße. Wie kommen diese Leute in den nächsten Wochen zurecht? Jemand, der darüber reden möchte, ist in der Warteschlange schwer zu finden. Nicht alle sprechen Deutsch. Ein älterer Mann, der als Rentner von Sozialleistungen lebt, sagt: „Jetzt muss ich mir mein Brot eben im Geschäft kaufen.“ Reicht sein Geld? Er zuckt mit den Achseln.
Für die Bedürftigen nur eine zusätzliche Versorgung
„Letztendlich bieten wir ja nur eine zusätzliche Versorgung“, erklärt Nadine Soth, die neue Geschäftsführerin des Diakoniewerks Arbeit & Kultur. Sie sitzt in ihrem geräumigen Büro. Bei der Begrüßung hält sie einen Schritt Abstand. Kein Händeschütteln. „Wir haben unsere Kunden heute Morgen mündlich informiert“, sagt sie. Auch Hinweiszettel wurden aufgehängt. „Etwas Unmut gab es zwar, aber die meisten haben Verständnis.“
Täglich Brötchen und Obst für 14 Schulen
Das Schulfrühstück der Mülheimer Tafel ist von der Zwangspause bislang nicht betroffen: Weiterhin werden jeden Morgen 14 Schulen im gesamten Stadtgebiet mit Brötchen und frischem Obst beliefert.
Neben elf Grundschulen sind auch das Berufskolleg Stadtmitte, die Hauptschule am Hexbachtal und die Willy-Brandt-Gesamtschule dabei. 540 Kinder und Jugendliche profitieren davon.
Im normalen Betrieb sind bei der Mülheimer Tafel neun Mitarbeiter beschäftigt - Langzeitarbeitslose, die den kleinen Nebenverdienst brauchen und denen der Job auch eine feste Tagesstruktur gibt. Sie sollen auf keinen Fall wochenlang in Zwangsurlaub geschickt werden, versichert Geschäftsführerin Nadine Soth: „Nach Absprache mit der Sozialagentur wollen wir sie in anderen Bereichen einsetzen.“ Zu tun gibt es beim Diakoniewerk Arbeit & Kultur genug.
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