Mülheim. Im Strafverfahren gegen Heinz Rinas, den Ex-Chef der Mülheimer Seniorendienste, gibt sich ein Zeuge ahnungslos, und doch kommt einiges ans Licht.
Im Verhandlungsmarathon zur Anklage gegen Heinz Rinas, den Ex-Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste, wegen schwerer Untreue und Bestechlichkeit ist das Landgericht Duisburg beim aktuellen Termin nicht recht weitergekommen. Acht Zeugen waren geladen. Fünf erschienen nicht. Darunter die Frau eines Mülheimer Ratspolitikers und die vor Jahren unter ungeklärten Umständen geschasste Ex-Geschäftsführerin der Awo.
Drei Komplexe aus der umfangreichen Anklageschrift hatte sich die Wirtschaftsstrafkammer für den Verhandlungstag vorgenommen. Stets ging es dabei auch um die Frage, ob sich Rinas in seiner nicht einmal dreijährigen Zeit als Geschäftsführer der städtischen Gesellschaft privat hat für Auftragsvergaben „belohnen“ lassen. Schon die Ermittler des Landeskriminalamtes hatten seinerzeit gestaunt, welch mutmaßlich großes Korruptionsnetzwerk sich Rinas in seiner kurzen Zeit in Mülheim aufgebaut haben soll.
Mülheimer Geschäftspartnerin von Rinas erscheint nicht als Zeugin
Bei Anklageerhebung hatte es eine Mülheimer Beschuldigte gegeben. Das Verfahren gegen Sabine Dreiling-Beitz, Ehefrau und zu Zeiten von Rinas’ Wirken auch Geschäftspartnerin von FDP-Fraktionschef Peter Beitz, ist aber wegen geringfügiger Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden.
Rinas aber muss sich weiter für jene Geschäftsbeziehung zu Dreiling-Beitz verantworten, die er ohne rechtlich verpflichtende Ausschreibung eingegangen sein soll. Er hatte mit ihrer Firma und Mülheims Awo ein Projekt zur Anwerbung und Qualifizierung rumänischer Pflegekräfte für einen Einsatz in den drei städtischen Seniorenheimen oder – gegen eine Vermittlungsgebühr – anderswo vereinbart.
Ermittler entdeckten auffällige Zahlungen an ein Institut von Rinas
Im Raum steht, dass sich Rinas an der Kooperation privat bereichert hat. Die Ermittler hatten seinerzeit drei auffällige Zahlungen von Dreiling-Beitz an ein von Rinas privat betriebenes Steinbeis-Institut aufgespürt. 21.305 Euro sind geflossen, die die Staatsanwaltschaft als Bestechungsgeld ansieht. Unter anderem hatte Steinbeis eine Rechnung für die Zertifizierung der rumänischen Fachkräfte gestellt. Wurde so der Fluss von Bestechungsgeld verschleiert?
Schon die Notwendigkeit einer rechtlich nicht vorgeschriebenen Zertifizierung stellte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft infrage, wenn es doch, wie Rinas vor Gericht versicherte, bei dem Projekt in erster Linie darum gegangen sein soll, eigenen Personalbedarf zu decken. Dann brauche man ja kein Zertifikat, weil man sich selbst von der Qualität der Praktikantinnen habe überzeugen können. Den Entwurf für jene Zertifikate hatten die Ermittler im Übrigen auf dem PC von Rinas’ Tochter entdeckt.
Befragung von Rinas blieb wenig erhellend
Weitere Aufklärung zum Komplex hatte sich das Gericht von projektbeteiligten Zeugen versprochen. Doch bis auf einen erschien keiner der Zeugen. Etwa weil sie die Ladung wegen nicht mehr aktueller Adresse nicht erreicht hatte. Das galt auch für Ex-Awo-Geschäftsführerin Adelheid Zwilling, die beim Wohlfahrtsverband auch über jenes Qualifizierungsprojekt gestolpert sein soll. Sabine Dreiling-Beitz hatte sich wegen dringender geschäftlicher Termine entschuldigen lassen. Die Zeugen sollen nochmals geladen werden.
So blieb dem Vorsitzenden Richter zunächst nur eine wenig erhellende Befragung von Rinas. Der betonte, mit dem Projekt Pionierarbeit zur Bekämpfung des Pflegekräftemangels geleistet zu haben. Das Projekt sei „positiv abgeschlossen“ worden.
Dubiose Firma stellt Rechnungen für Möbel und Pflegekräfte-Vermittlung
Ein ehemals ebenfalls Beschuldigter (31) in diesem Komplex war der einzige Zeuge, den das Gericht befragen konnte. Er soll für seinen mittlerweile verstorbenen Vater, dessen privates Verhältnis zu Rinas seit den 90er-Jahren „sehr vertrauensvoll“ gewesen sein soll, in möglicherweise strafbare Geschäfte verwickelt gewesen sein. Die Firma des Zeugen soll als Möbel- und Küchenlieferant einen Umsatz mit den Seniorendiensten in Höhe von knapp 300.000 Euro gemacht haben. Bemerkenswerter Branchenwechsel: Später stellte die Firma auch Rechnungen für die Vermittlung rumänischer Pflegekräfte, ohne dass es dafür einen schriftlichen Vertrag gegeben hatte. Und obwohl es sich darum in Rumänien schon ein anderer Kontaktmann gekümmert haben soll. Auch hier steht im Raum, dass möglicherweise über Scheinrechnungen unrechtmäßig Gelder geflossen sind.
Vor Gericht blieb die Sache diffus. Der Zeuge gab sich nichtsahnend zu den Vorwürfen der Anklage. Er sei mit seinem Bruder lediglich als Firmeninhaber geführt worden, weil sein Vater hierfür wegen einer früheren Insolvenz nicht infrage gekommen sei. Er habe wenig Kontakt zu Rinas gehabt, habe hauptsächlich den Papierkram für den Vater gemacht und mal bei der Möbelmontage geholfen. „Die direkten Gespräche mit Rinas hat mein Vater geführt.“
Vorwurf: Mauscheleien an der Buchhaltung vorbei
Diese Aussage relativierte sich allerdings im Laufe der Vernehmung. Der Vorsitzende Richter verlas eine sichergestellte Mail des Zeugen an Rinas, in der dieser mit dem Geschäftsführer der Stadttochter verabreden wollte, wie ausstehende Zahlungen aus einem anderen Geschäft versteckt in die Möbelrechnungen einzubauen wären, so dass es unauffällig durch die Buchhaltung komme. Rinas’ Antwort: Da müsse man telefonieren. Oder sich treffen. Am Ende war laut Vorsitzendem Richter die Möbelrechnung genau um jene geforderten 13.600 Euro erhöht, entsprechend seien dazu die Kosten für Armlehnensessel hochgesetzt worden.
Für eine Rechnung der Firma an Rinas’ Steinbeis-Institut besteht laut Anklage ebenfalls der Verdacht strafbaren Handelns. Da soll die Firma, die Möbel geliefert und Pflegekräfte vermittelt haben will, auch noch 9500 Euro für die Konzeptionierung und Zertifizierung im Rahmen des Pflegekräfte-Projektes in Rechnung gestellt haben.
„Der hat nicht mal gewusst, wie ein Computer angeht“
Diese Rechnung kenne er nicht, sie könne „nicht von uns stammen“, so der ehemals Beschuldigte. Es sei ausgeschlossen, dass sein Vater sie geschrieben habe. „Der hat nicht mal gewusst, wie ein Computer angeht.“ Und ebenfalls undenkbar sei, dass sein Vater jemals eigenhändig ein Konzept für das Projekt verfasst habe. Dazu sei er zudem fachlich nicht in der Lage gewesen. Aber die Unterschrift unter der Rechnung, die sei doch die seines Vaters, so der 31-Jährige.
Das Verfahren soll am 13. Mai fortgeführt werden.