Mülheim. Seit Mitte März ruht Mülheims Politikbetrieb wegen Corona. Jetzt dreht das Verwirrspiel die nächste Runde. Plötzlich geht die Politik aufs Ganze.

Mülheims Politik hat sich aufgrund der Corona-Pandemie lange Zeit damit abgefunden, den eigenen Betrieb komplett ruhen zu lassen. Entgegen der Empfehlung der Stadtspitze geht sie nun offenbar aber in die Vollen.

Eine Übertragung der Ratsbefugnisse auf den Hauptausschuss, auch die kleine „Ratslösung“, bei der zu einer Ratssitzung nur jeweils wenige Vertreter einer Fraktion zur Sitzung zusammenkommen, ausgestattet mit einem dem Ratsproporz entsprechenden Stimmenpaket, waren zuletzt gescheitert.

Mülheims Verwaltungsspitze wollte Politikbetrieb erst im Juni wieder starten

Nach dem Wochenende hatte es dann zwar doch die nötige Zweidrittel-Mehrheit für die Einsetzung alleine des Hauptausschusses gegeben. Doch diese Mehrheit ist schon wieder torpediert – durch allerlei politische Anträge, die beim städtischen Rats- und Rechtsamt dieser Tage eingetrudelt sind.

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Die politischen Anträge sind der Kniff, die sitzungsunwillige Verwaltung zur Wiederaufnahme des vollen Politikbetriebes zu zwingen. Bislang hatte die Verwaltungsspitze keine Notwendigkeit gesehen, im Mai auch nur eine politische Sitzung stattfinden zu lassen. Die wenigen notwendigen Dinge, etwa zum Verzicht der Elternbeiträge auch für Mai, seien per Dringlichkeitsbeschluss möglich, hieß es mit Blick auf die Ansteckungsgefahren bei politischen Sitzungen.

Bezirksvertretungen könnten schon nächste Woche tagen

Mit ihrer Sicht drang die Verwaltungsspitze um Stadtdirektor Frank Steinfort offensichtlich aber nicht durch. Da nun politische Anträge für allerlei Ausschüsse vorliegen, liegt die Entscheidung letztlich bei bei den (politischen) Vorsitzenden der Gremien, ob die ursprünglich terminierten Sitzungen im Mai stattfinden. Als Erstes werden die Bezirksbürgermeister gefordert sein, eine Entscheidung zu fällen. Schon für die kommende Woche stehen Sitzungen der Bezirksvertretungen an.

Auch aus der Verwaltung werde es nun Vorlagen geben, so Stadtdirektor Steinfort. Angekündigt seien Berichte aus dem Sozial- und Bildungsdezernat von Marc Buchholz. Baudezernent Peter Vermeulen wolle gar Beschlussvorlagen in die politische Diskussion bringen. „Ich nehme es, wie es kommt“, kommentierte Steinfort die Lage nur. Er wollte den Politikbetrieb erst im Juni langsam wieder anfahren lassen.

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Mächtig Aufregung hinter den Kulissen

Das Mülheimer Hickhack um die Wiederaufnahme des Politikbetriebes sorgt dem Vernehmen nach hinter der Kulissen für mächtig Aufregung. Von persönlicher Eitelkeit manch eines Ratsmitgliedes ist die Rede, auch vom Bestreben, über die Sitzungen endlich in den Kommunalwahlkampf zu kommen. Zur Unzeit, beklagen wiederum andere mit Blick auf die Corona-Pandemie und die dadurch außerordentlich ins Krisenmanagement eingespannten Teile der Verwaltungsspitze.

„Ein völliges, unverständliches Chaos“, sagt ein Ratsmitglied. „Erst gibt es bis Ende Juni keinen Beratungsbedarf, jetzt plötzlich in maximaler Ausprägung mit größtmöglicher Infektionsgefahr durch häufige Kontakte.“

Die Ausschusssitzungen würden allesamt im bereits vorbereiteten Ratssaal stattfinden, um den Mindestabstand gewährleisten zu können, so Stadtdirektor Steinfort. Eine Bewirtung der Politiker werde es aber nicht geben – aus Hygienegründen.