Mülheim. Mülheims Politik will sich wegen Corona nicht weiter von der Stadtverwaltung isolieren lassen. Der Hauptausschuss soll tagen. Ein zähes Ringen.

Seit Mitte März ruht wegen der Corona-Krise Mülheims Politikbetrieb. Nun drängt die Politik darauf, die Kontrolle der Stadtverwaltung wieder ausüben zu können. Eine Lösung aber ist noch nicht gefunden. Stadtdirektor Frank Steinfort mauere, kommt Kritik auf.

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Die Oberbürgermeister-Kandidatin der SPD, Monika Griefahn, war am Freitag vergangener Woche die Erste, die eine Wiederaufnahme des Politikbetriebes einforderte. Unter Einhaltung angemessener Hygiene- und Abstandsregeln sei es notwendig, die Verwaltung auch in der Corona-Krise „demokratisch zu begleiten“, verwies Griefahn auf eine Option in der Gemeindeordnung, wichtige Beschlüsse nicht vom Stadtrat, sondern vom Hauptausschuss treffen zu lassen. Vorgesehen ist dies allerdings nur für den Fall, „falls eine Einberufung des Rates nicht rechtzeitig möglich ist“. Ein Kontaktverbot wie zurzeit findet in der Gemeindeordnung keine Entsprechung.

Ratsmitglieder hatten beim Stadtdirektor offenbar mehr Informationen eingefordert

Griefahn hatte die Wiederaufnahme des Politikbetriebs eingefordert, weil „sich die demokratische Form unseres Zusammenlebens gerade in der Krise bewähren muss“. Während Stadtdirektor Frank Steinfort, der den weiter krankgeschriebenen OB vertritt, öffentlich keine Stellung beziehen wollte zu Griefahns Forderung, verschickte er noch am selben Abend eine Mail an die Ratsmitglieder, die offenbar auch schon eine Informationslücke beklagt hatten.

Steinfort sagte darin mehr Informationen zu. Dazu sei man nun, da sich bei der Bewältigung der Corona-Krise „eine gewisse Arbeitsroutine“ eingestellt habe, auch in der Lage. Lageberichte, Verordnungen oder auch „schriftlich vorbereitete Interviews mit Mitgliedern des Verwaltungsvorstandes“ seien nun zu erwarten, aber „zumeist keine analysierenden Begleitschreiben“. Steinfort in der Mail: „Wir müssen uns aus Zeitgründen leider weitgehend auf eine reine Weiterleitung der Mails beschränken.“

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In den Nachbarstädten läuft zumindest ein eingeschränkter Politikbetrieb

Fehler oder Versäumnisse bat der Stadtdirektor schon vorab zu entschuldigen. „Leider fehlt uns der Mann an der Spitze, der in diesen Zeiten dafür prädestiniert ist, die Kontakte zur Politik zu pflegen“, schrieb er mit Blick auf die Abwesenheit von OB Scholten. Noch dazu sei die Verwaltungsspitze aus Zeitgründen nicht in der Lage, mit Ratsmitgliedern „Dialoge über diverse Sinnhaftigkeiten von Regelungen oder Entscheidungen zu führen“. Steinfort bat die Politik, Rücksicht auf unsere Belastung zu nehmen“.

„Eine Unverschämtheit“ seien gerade die letzten Aussagen, echauffiert sich da ein Ratsmitglied, der auch weiß, dass andere Städte den Politikbetrieb eben nicht auf Null gesetzt haben. In Essen kommt am Freitag der Hauptausschuss wieder zusammen, auch in Oberhausen und Duisburg hat der Hauptausschuss die Aufgaben des Stadtrates übernommen. In Bochum tagen gar noch alle Bezirksvertretungen und Ausschüsse. Die Fraktionen haben sich dort aber darauf verständigt, dass nur jeweils ein Vertreter der Fraktion teilnimmt, aber Stimmrecht für alle Mitglieder hat.

Diskutiert wird die Einberufung des Hauptausschusses

Eine solche Lösung war nach Informationen dieser Redaktion zuletzt zumindest für eine nächste Sitzung des Stadtrates Anfang Mai im Gespräch. Pro Fraktion, so der Vorschlag, sollten je zwei Vertreter an der Sitzung teilnehmen, ausgestattet jeweils mit Stimmenpaket ihrer Fraktionskollegen, die nicht teilnehmen. Diesem Verfahren hätten alle Ratsmitglieder zustimmen müssen. Dies gelang nicht.

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Am Montag nun kam vonseiten der SPD der Vorschlag, es wie andere Städte zu machen und den personell deutlich kleineren Hauptausschuss als Ersatz für den Rat im Ratssaal tagen zu lassen. Damit könnte sich einer Umfrage dieser Redaktion zufolge eine Mehrheit im Stadtrat mit anfreunden. Aber im Hauptausschuss sind nur Fraktionen stimmberechtigt. Einzelkämpfer Cevat Bicici (WIR AUS MÜLHEIM) ist nur beratendes Mitglied. Auch die Mehrheitsverhältnisse entsprechen nicht exakt denen des Rates.

Stadtentwicklung, fehlende OGS-Plätze, Haushalt: Offene Fragen gibt es zuhauf

Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert forderte Stadtdirektor Steinfort am Montag auf, in Abstimmung mit dem zuständigen Landesministerium ein Konzept zu erstellen, dass die künftige Ratsarbeit regelt. Giesbert denkt etwa an Videokonferenzen der Ratsgremien. Da sei sicher vieles rechtlich zu klären. Doch, so Giesbert: „Klar ist, dass sich der Rat und seine Gremien nicht über lange Monate hinweg aus der Verantwortung verabschieden können.“

Seit der Politikbetrieb eingestellt worden ist, sind von der Verwaltung außer Vorlagen zu Dringlichkeitsbeschlüssen keinerlei Berichte oder Beschlussvorlagen für die Ratsgremien öffentlich gemacht worden. Dabei sollen jene politischen Unterlagen sehr wohl erarbeitet worden sein. Auch in der Corona-Krise wird an Bebauungsplänen weitergearbeitet oder an anderen Dingen. Mehr als 100 Eltern von künftigen Erstklässlern etwa warten sehnsüchtig darauf, ob ihr Kind doch noch einen OGS-Platz bekommt. Prüfaufträge zum Haushalt sind erteilt. Nur drei von wohl vielen Beispielen.

corona- ob-kandidatin griefahn (spd) legt pandemie-plan vor

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Spliethoff (SPD): Kommunalpolitik hat aber nicht die Expertise zum Krisenmanagement

Wenn es was zu beraten und entscheiden gebe, sollte dies auch möglich werden, sagt etwa SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff im Einklang mit vielen seiner Kollegen. Er warnte aber davor, dass sich Politik anmaßen könnte, sich ins Corona-Krisenmanagement einzumischen. Ob schrittweise Öffnung der Schulen oder Maskenpflicht – da fehle der Kommunalpolitik im Gegensatz zum städtischen Krisenstab die Expertise.

CDU-Fraktionschefin Christina Küsters sieht das genau so. Sinn mache eine Hauptausschuss-Sitzung nur, wenn es Vorlagen aus der Verwaltung zu beraten gebe. Da läge im Moment nichts vor. Das Signal aus der Verwaltung sei, dass für eine Sitzung Anfang Mai keine Vorlagen da seien. Da hat diese Redaktion andere Informationen.

MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard ist der Meinung, die Verwaltung sollte ihre Vorlagen veröffentlichen. Bei Kenntnis der Themen könne dann noch entschieden werden, ob eine politische Sitzung dazu nötig sei. „Es sollte nicht mehr allzu lange dauern“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Peter Beitz. Irgendwas neben Corona werde in der Verwaltung ja stattfinden, vermisst auch er Vorlagen für die Politik.