Mülheim. Mülheims Verwaltungsspitze will in der Corona-Krise bis Juni auf politische Sitzungen verzichten. Nun muss die Politik dazu ihr Votum abgeben.

Die Spitze der Stadtverwaltung sieht keine Notwendigkeit für eine Sitzung des Stadtrates oder eines seiner Gremien vor Juni. Stadtdirektor Frank Steinfort unterbreitete der Politik nun ein neues Angebot, wie es weitergehen könnte.

Die in dieser Woche aufgekommene Kritik, dass in Mülheim im Gegensatz zu vielen Städten ringsum der Politikbetrieb weiter ruht, mochte der Stadtdirektor nicht auf sich ruhen lassen. Er zeigte sich verwundert und verwies darauf, bereits Anfang April die Initiative ergriffen und der Politik einen Vorschlag gemacht zu haben, wie die Ratsarbeit hätte wieder aufgenommen werden können. Doch erst am 21. April seien die letzten beiden Rückmeldungen dazu von zwei Fraktionen gekommen.

Verwaltung präferiert Delegation von Ratsaufgaben auf den Hauptausschuss

Der seinerzeitige Vorschlag, eine Ratssitzung stattfinden zu lassen, zu der jede Fraktion zwei Ratsmitglieder entsendet, ausgestattet mit dem jeweiligen Stimmenpaket ihrer Fraktion, sei aber nicht - wie nötig - von allen akzeptiert worden.

Nun hat Steinfort der Politik einen neuen Vorschlag unterbreitet, wie aus einer Mail hervorgeht, die dieser Redaktion vorliegt. Es könnten die Aufgaben des Stadtrates auf den Hauptausschuss übertragen werden, wenn dem zwei Drittel der Ratsmitglieder zustimmen. Dieser könnte im Ratssaal tagen, unter Berücksichtigung der notwendigen Hygiene- und Abstandsgebote. Diese Lösung favorisiert die Verwaltungsspitze. Alternative wäre eine Ratssitzung, für die wohl die Stadthalle anzumieten wäre, weil der Ratssaal unter den gegebenen Bedingungen zu klein ist.

Eine Sitzung hält der Verwaltungsvorstand „mit Blick auf den besonderen Gesundheitsschutz“ aber bis Juni nicht für nötig. Nach wie vor seien weite Teile der Verwaltung auch „massiv mit der Abwehr des Coronavirus befasst“. Dringlichkeitsbeschlüsse blieben auch so möglich. Eine Sitzung des Hauptausschusses sähe die Verwaltung für Anfang Juni vor, eine Ratssitzung für den 25. Juni. Die Ratsmitglieder sind aufgefordert, bis zum 29. April ihr Votum zum Vorschlag abzugeben.

BAMH ist für Ratssitzung im Mai, die Grünen präferieren den Hauptausschuss

Blick in andere Städte

Während auch in vielen Nachbarstädten die Ratssitzungen ausgesetzt werden, lässt der Bochumer Stadtrat seine Sitzung kommende Woche im Ruhrcongress stattfinden. Der alternative Sitzungsort wurde vor allem deshalb gewählt, weil in der großen Veranstaltungshalle bei Einhaltung der Sicherheitsabstände für die interessierten Bürgerinnen und Bürger mindestens genauso viele Besucherplätze angeboten werden können, wie zu „normalen“ Zeiten im Ratssaal.

Oberhausen hat sich entschieden, dass künftig grundsätzlich der Hauptausschuss des Rates sämtliche Beschlüsse tätigen soll. Ein nach dem Verhältnis der Fraktionen und Gruppen verkleinerter Hauptausschuss übernimmt damit vorübergehend die Aufgaben des Rates.

Auch in Essen tagt statt des Rates der Hauptausschuss. In Duisburg sind alle Sitzungen abgesagt. Die nächste Ratssitzung ist für Mitte Juni geplant – ob sie stattfindet, ist noch unklar.

Der BAMH ist mit dem Vorstoß nicht einverstanden: Die Fraktion fordert, nicht erst Ende Juni, sondern spätestens Ende Mai den Rat tagen zu lassen. „Der gesamte Rat soll unter Beachtung der erforderlichen Abstands- und Hygieneregeln insoweit beteiligt werden“, heißt es in einer Mitteilung. „Was die mögliche und notwendige Beteiligung der Öffentlichkeit anbelangt, so schlagen wir vor, eine Live-Übertragung über das Internet durchzuführen, die natürlich in angemessener Weise öffentlich bekannt gemacht werden muß.“

Die Grünen hingegen halten eine Ratssitzung in kompletter Besetzung nicht für sinnvoll – ein mögliches Ausweichen auf die Stadthalle, um die Abstandsregeln einzuhalten, verursache lediglich Kosten, sagt Fraktionssprecher Tim Giesbert. Bis Montag läuft eine Abfrage bei den Fraktionsmitgliedern, welche Themen zeitnah behandelt werden sollten. Dann werde sich die Fraktion zum Zeitpunkt der nächsten Sitzung äußern. Die anderen Fraktionen haben bislang noch keine Stellungnahme abgegeben. (mit lh)