Mülheim. Die Corona-Krise trifft die Menschen in Mülheim hart. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im April um 7,7 Prozent - trotz massenhafter Kurzarbeit.
Ernüchternde Zahlen meldet die Arbeitsagentur. Bedingt durch die Corona-Krise ist die Arbeitslosigkeit in Mülheim im April um 7,7 Prozent gestiegen. Momentan stehen 6756 Menschen ohne Job da. Zugleich wurde schon für 12.857 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet.
"Mülheimer Arbeitsmarkt ist nicht aufnahmefähig"
„Die Corona-Pandemie hat nun auch den Mülheimer Arbeitsmarkt erreicht", sagt Jürgen Koch, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Oberhausen/Mülheim. Neben Personen, die aktuell ihren Job verloren haben, fänden auch Menschen, die bereits länger arbeitslos sind, kaum noch eine neue Stelle. "Der Arbeitsmarkt ist aktuell nicht aufnahmefähig“, resümiert Koch.
Dabei steht Mülheim im regionalen Vergleich sogar noch relativ gut da. NRW-weit ist die Arbeitslosigkeit im April um fast elf Prozent hochgeschnellt, im Ruhrgebiet um 9,5 Prozent. Allerorten liegt die Kurzarbeit auf einem nie zuvor erreichten Niveau.
Allein in Mülheim 12.857 Menschen in Kurzarbeit
Vor allem mit Hilfe von Kurzarbeit versuchen Unternehmen, ihr Personal zu halten. So konnten auch in Mülheim bislang zahlreiche Arbeitsplätze gerettet werden. Seit Anfang März haben insgesamt 1387 Mülheimer Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Betroffen sind 12.857 Arbeitnehmer, auch aus Branchen, die sich bisher noch nie mit dem Thema beschäftigen mussten, etwa Einzelhandel, Gastronomie oder Friseursalons.
DGB-Geschäftsführer nennt Zahlen "besorgniserregend"
Von "besorgniserregenden Zahlen" spricht DGB-Regionsgeschäftsführer Dieter Hillebrand in einer Stellungnahme zum jüngsten Arbeitsmarktbericht. Der Gewerkschafter sagt: „Die hohe Zahl der Kurzarbeit schockiert mich schon. Sie macht aber auch deutlich, dass sich das Netz einmal mehr bewährt. So kann es gelingen, dass die Arbeitslosenzahlen nicht durch die Decke schießen."
Zugleich erneuert der DGB seine Forderung, die sozialen Folgen der Corona-Krise besser abzumildern, wie es etwa durch die neuen Hinzuverdienstmöglichkeiten oder den Kompromiss zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes schon gelungen sei. "Viele Arbeitnehmer machen sich existenzielle Sorgen", so Hillebrand. "Gerade bei niedrigen Löhnen und wenn eine tarifliche Aufstockung Fehlanzeige ist, reicht das Geld oft kaum."
Gewerkschaft: Viele Arbeitnehmer haben existenzielle Sorgen
Eine schnelle Besserung ist offenbar nicht in Sicht, eher das Gegenteil: Je nach Dauer der Corona-Pandemie "wird sich der Mülheimer Arbeitsmarkt in noch ungünstigere Regionen bewegen“, befürchtet der Geschäftsführer der Arbeitsagentur. Inzwischen liegt die Arbeitslosenquote in Mülheim bei 7,9 Prozent, plus 0,6 Prozentpunkte gegenüber März. Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich deutlich erhöht: Laut Sozialagentur Mülheim sind es jetzt 4814 Personen, 220 mehr als im März. Fast drei Viertel der Arbeitslosen in Mülheim - 71,3 Prozent - leben von Grundsicherung.
Kaum neue Stellen gemeldet - medizinisches Personal gefragt
Negativ ist der Trend auch bei der Jugendarbeitslosigkeit: Momentan gibt es in Mülheim 297 Arbeitslose unter 25 Jahren, 27 mehr als im März. Die Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen beträgt aktuell 4 Prozent, ein Plus von 0,9 Prozentpunkten.
Im April wurden der Arbeitsagentur aufgrund des allgemeinen Stillstands durch Corona auch nur sehr wenige neue Stellen gemeldet: 140 Stellenangebote gingen ein, 151 weniger als im März und sogar 207 weniger als im April 2019. Insgesamt gibt es derzeit 1.166 offene Arbeitsstellen in Mülheim, 97 weniger als im März. Die meisten freien Jobs wurden zuletzt im Bereich Produktion und Fertigung gemeldet sowie im Gesundheits- und Sozialwesen. Vor allem medizinisches Personal ist gefragt.
Auch Umfrage der IG Metall zeigt kritische Lage
Die kritische Situation vieler Branchen spiegelt sich auch in einer aktuellen Umfrage der IG Metall wieder. Sie hat rund 950 Betriebsräte in nordrhein-westfälischen Industrieunternehmen befragt, auch in fünf Mülheimer Firmen. Aus zwei Betrieben hieß es, die aktuelle Lage sei "schlecht" oder "sehr schlecht".
Alle befragten Betriebsräte sagen, ihr Unternehmen sei durch die Corona-Krise betroffen, wenn auch nur "mäßig". Die große Mehrheit leidet unter Engpässen bei der Materialversorgung und Umsatzrückgängen. Ein Mülheimer Industrieunternehmen aus dem Metallsektor hat demnach keinen einzigen neuen Auftrag, nur eines ist voll ausgelastet.
JEDER ZEHNTE IST "UNTERBESCHÄFTIGT"
Viele Menschen, die keine bezahlte Beschäftigung haben, tauchen in der Arbeitslosenstatistik nicht auf - weil sie sich beispielsweise in einer Qualifizierungsmaßnahme befinden oder krank sind.
Wenn man sie alle mit berücksichtigt, beträgt die "Unterbeschäftigungsquote" in Mülheim aktuell 10,3 Prozent.