Mülheim. Die Mülheimer Friseurbetriebe bereiten sich penibel auf die Wiedereröffnung ab Montag vor. Was erwartet die Kunden und Mitarbeiter in den Salons?

Ein Ende des Wildwuchses ist in Sicht: Wie viele andere Friseure bereitet Eva Melchers ihren Salon in Dümpten auf den Neustart nach sechs Wochen Zwangspause vor. Einerseits erleichtert, andererseits "mit Bauchschmerzen". Warum, erklärt die stellvertretende Obermeisterin der Friseurinnung Mülheim im Telefoninterview.

Alle gehen davon aus, dass die Friseure ab Montag wieder öffnen dürfen. Was erwartet uns dann in den Salons?

Wir müssen es so herrichten, dass um jeden Arbeitsplatz in alle Richtungen 1,50 Meter Abstand sind. Das ist für manche Betriebe, je nach Platzsituation, schon ein Problem. Auf dem Boden müssen deutliche Markierungen sein. Spielecken und Wartebereiche entfallen komplett. Getränke und Zeitschriften gibt es nicht. Es soll zu keinerlei Wartezeiten kommen.

Das heißt, man braucht zwingend einen Termin?

Ja genau. Betriebe, die viel mit Laufkundschaft arbeiten, müssen sich jetzt erheblich umstellen.

Gibt es eine maximale Personenzahl pro Geschäft?

Nein, das nicht. Wir müssen es über Voranmeldungen und eine verringerte Zahl der Arbeitsplätze so steuern, dass wir die Abstandsregelungen einhalten. Wenn wir die Öffnungszeiten im vollen Umfang ausschöpfen wollen, müssen die Mitarbeiter wohl in Schichten arbeiten. Allerdings gibt es viele Ein- oder Zwei-Personen-Betriebe, die das kaum organisieren können.

Wie sieht es mit Mundschutz und Handschuhen aus?

Für Mitarbeiter wie Kunden gilt: Mund und Nase müssen bedeckt sein. Wie das in der Praxis beim Haareschneiden funktionieren soll, vor allem im Bereich der Ohren, müssen wir sehen. Die Mitarbeiter müssen Handschuhe tragen, so lange die Haare noch nicht gewaschen sind. Grundsätzlich dürfen keine Arbeiten mehr an ungewaschenen Haaren durchgeführt werden. Trockenhaarschnitte sind tabu.

Auch Bartschnitte mit Mundschutz kann man sich schwer vorstellen...

Bartpflege darf nicht ausgeführt werden. Obwohl Barbiere ja gerade absolut im Trend liegen. Auch Augenbrauen- und Wimpernfärben ist weiter untersagt, ebenso kosmetische Gesichtsbehandlungen. Und die Friseurinnen dürfen nicht in ihren Alltagssachen arbeiten, sondern müssen spezielle Oberbekleidung tragen, die täglich im Betrieb gewechselt und bei 60 Grad gewaschen wird. Ich habe für mein Team weiße Kasacke gekauft.

Sie sehen sich am Montag höchstwahrscheinlich zum ersten Mal nach sechs Wochen wieder. Haben viele Mülheimer Friseurbetriebe Kurzarbeit angemeldet?

Sehr viele. Die Personalkosten würden ja sonst weiterlaufen. Ich selber bin jetzt seit 42 Jahren im Geschäft und kann mich nicht erinnern, dass wir schon einmal Kurzarbeit hatten.

Wer frisiert, hat einen der am schlechtesten bezahlten Berufe. Wie kommt man da mit Kurzarbeitergeld über die Runden? Zumal das Trinkgeld ja auch wegfällt?

Da stellen Sie eine ganz berechtigte Frage. Ich weiß nicht, wie andere Betriebe es handhaben, aber ich habe aufgestockt, so dass meine Angestellten ihre Löhne zu 100 Prozent erhalten haben. Darunter sind alleinerziehende Mütter, die kommen mit Kurzarbeitergeld nicht zu Rande. Sie machen einen sehr guten Job und sollen nicht in finanzielle Not geraten. Ich habe grundsätzlich zur Lohnpolitik in unserem Handwerk eine klare Meinung, die nicht von allen geteilt wird: Ich finde, dass Friseurinnen und Friseure viel zu wenig verdienen.

Wer hat Ihnen denn in den letzten Wochen die Haare geschnitten?

Niemand. Ich trage meine Haare mittellang und könnte sie auch als Profi nicht wirklich gut selber schneiden. Ich habe allerdings eigenhändig gefärbt.

Freuen Sie sich auf die Wiedereröffnung nach der Corona-Zwangspause?

Einerseits schon. Die Leute sehnen sich nicht nur nach Mehl und Toilettenpapier, sondern auch nach Haarschnitten. In den vergangenen Wochen hat man gesehen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Andererseits habe ich etwas Bauchschmerzen, denn das Infektionsrisiko besteht nach wie vor, und es gibt noch zu viele Menschen die unvernünftig sind. Für uns und unsere Familien steht Gesundheit absolut im Vordergrund. Deshalb müssen wir die Sicherheitsvorkehrungen und Hygieneauflagen sehr ernst nehmen.

183 BETRIEBE IN MÜLHEIM

In Mülheim gibt es nach Angaben der Stadt derzeit 183 Friseurbetriebe. Nur 54 davon gehören der Innung an.

Die Salons waren noch geöffnet, als die meisten anderen Geschäfte schon schließen mussten. Seit 23. März sind aber alle zu.

Laut geltender Corona-Schutzverordnung des Landes NRW muss dies vorerst bis 3. Mai auch so bleiben. Die Friseurbetriebe sollen sich aber auf eine Wiedereröffnung ab 4. Mai unter strengen Hygieneauflagen vorbereiten. Alle rechnen damit, dass es am Montag losgehen kann.