Mülheim. Mülheims Corona-Diagnosezentrum veranlasst nicht mehr für jeden Patienten mit Überweisung einen Test. Bürger kritisieren das Krisenmanagement.
Mülheims Stadtverwaltung hat die Zugangsregeln zu ihrem Corona-Diagnosezentrum in dieser Woche ohne öffentliche Ankündigung verschärft. Grund war der Ansturm auf die Noteinrichtung am Montag.
Am Montag begehrten auf dem Kirmesplatz zeitweise rund 200 Bürger Eintritt in das Diagnosezentrum, um sich auf eine Infizierung mit dem Coronavirus testen zu lassen. Nur mit hinzugezogenen Kräften von Ordnungsamt und Polizei sei es gelungen, die Situation zu beruhigen, hieß es seitens der Stadtverwaltung. Menschen seien per Megafon eindringlich aufgefordert worden, wieder nach Hause zu fahren.
„Wir alle sind am Limit, auch die Labore“
Seither sichern Ordnungsamt und Feuerwehr, zusätzlich ein Sicherheitsdienst das Diagnosezentrum, wie Frank Pisani vom Gesundheitsamt am Donnerstagmorgen im Gespräch mit dieser Redaktion berichtete. Die Lage habe sich mittlerweile beruhigt. Aber Pisani stellte aufgrund der weiter steigenden Zahlen bei Verdachtsfällen und Infizierten fest: „Wir alle sind am Limit, auch die Labore.“
Nach dem Ansturm von Bürgern am Montag habe ein Testlabor der Stadt gar die Zusammenarbeit aufgekündigt, weil es durch die Situation in Mülheim seinen Verpflichtungen in anderen Städten nicht mehr habe nachkommen können. Die Zahl der täglich verfügbaren Tests in Mülheim sei limitiert, so Pisani.
Stadt: Test nur mit Überweisung und deutlich ausgeprägten Symptomen
Deshalb hatte die Stadt die Regeln noch einmal verschärft. Es reicht, um sich testen zu lassen, nicht mehr eine Überweisung vom Arzt. Zusätzlich sind ausgeprägte Symptome wie Fieber über 38,5°C Maßstab für die Beurteilung, ob Menschen in Saarn auf Corona getestet werden.
So war am Dienstag auch eine Mülheimerin abgewiesen worden, obwohl sie eine Überweisung hatte und nach eigener Aussage nach ihrer Rückkehr aus Italien in der Vorwoche Krankheitssymptome bei sich feststellte. Von der nicht veröffentlichten Zugangsverschärfung zeigte sie sich überrascht.
Bürgerin: Meine Rückkehr aus einem Risikogebiet interessierte nicht
Kritik äußerte sie auch am Verfahren vor Ort. „Die Art des Vorgehens hat mein Vertrauen in das Krisenmanagement am Diagnosezentrum stark erschüttert“, so die Mülheimerin. Sie beklagt insbesondere ein mutmaßlich unprofessionelles Vorgehen bei der Temperaturmessung am geöffneten Autofenster und „aus circa 20 cm Entfernung“.
Auch habe ihre Rückkehr aus einem Risikogebiet nicht interessiert. „Nach meinen Erfahrungen sehe ich die von der Stadt veröffentlichen Zahlen der Coronafälle mit anderen Augen, da man ja offensichtlich eine Möglichkeit gefunden hat, die Zahlen kleinzuhalten“, sagt sie.
Eine andere Mülheimerin schilderte gegenüber der Redaktion, am Montag zu den rund 200 Personen gezählt zu haben, die am Diagnosezentrum einen Test machen lassen wollten. „Als ich am Montag dort gegen 16 Uhr ankam, war das Diagnosezentrum noch geschlossen, da man nicht den richtigen Schlüssel für die Einrichtung hatte, gegen 16.30 Uhr wurde dann geöffnet“, schrieb sie.
Ansturm am Montag: Mülheimerin sieht Versäumnisse der Stadt
Die Kranken seien aufgefordert worden, sich in einer Schlange aufzustellen, „danach passierte erst mal nichts. Nach einiger Zeit gab es eine Megafondurchsage, dass man mit diesem Ansturm nicht gerechnet habe, man nicht wisse, ob man genug Teströhrchen hätte, und nur die Menschen getestet würden mit einer Überweisung vom Hausarzt und den entsprechenenden Symptomen. Danach wurde jeder Einzelne von Ärzten, die die Schlange abgingen, befragt. Einige verließen dann das Gelände.“
Von einem Ansturm, gar von Tumult könne keine Rede sein. „Natürlich mag es einige gegeben haben, die gemeckert haben, vielleicht auch Geld geboten haben, aber alles in allem waren die Leute doch sehr geduldig und friedlich.“ Zu berücksichtigen sei doch auch, dass die Wartenden mit Fieber und Husten über Stunden im Schatten gestanden hätten, ohne eine Möglichkeit zu sitzen, Decken oder Tee. Mit der Menschenmenge, so die Bürgerin, habe die Stadt auch rechnen können, nachdem am Wochenende viele Bürger Italien, Österreich und übrige Länder verlassen hätten.
Gesundheitsamt: Solidarität zeigen zu denen, die Test dringend nötig haben
Stadtsprecher Volker Wiebels erklärte dazu, dass sich am Montag tatsächlich die Öffnung des Diagnosezentrums verzögert habe, weil die Mitarbeiter zuvor länger als erwartet gebraucht hätten, um in einem Altenheim bei Hochrisiko-Patienten Abstriche zu nehmen – und bat für Unannehmlichkeiten in der außerordentlichen Belastungssituation für alle Beteiligten um Verständnis.
Frank Pisani vom Gesundheitsamt kannte diese Schilderung zum Montag noch nicht, als er mit der Redaktion über die aktuelle Lage im Diagnosezentrum sprach. Dabei wiederholte er den Appell an die Bürger, wegen der Kapazitätsgrenzen Solidarität zu den Bürgern zu beweisen, die auf die Dienstleistung im Diagnosezentrum dringend angewiesen seien.
„Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir einfach aussortieren müssen“
Wer mit Überweisung vom Arzt nach Saarn komme, „bekommt hier auf jeden Fall ein Gespräch“, in dem nach festem Schema des Robert-Koch-Institutes abgeklärt werde, ob die Krankheitssymptome einen der limitierten Tests zwingend notwendig machten. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir einfach aussortieren müssen“, so Pisani.
Die Stadt meldete am Donnerstagmorgen 30 bestätigte Coronavirus-Fälle, neun mehr als am Mittwoch. Zudem sind 270 Verdachtsfälle registriert.