Das Evangelische Krankenhaus Mülheim nutzt leere Betten der Augenklinik bald als Kurzzeitpflegeplätze. Ein landesweit neues Modell wird erprobt.
Mülheim. Ab März stellt das Evangelische Krankenhaus in Mülheim (EKM) zehn Plätze für Kurzzeitpflege zur Verfügung. Damit ist es das erste in ganz NRW. Der Vertrag mit den Pflegekassen wurde am Donnerstag in Düsseldorf unterzeichnet. Es gibt gute Gründe, warum die Mülheimer diesen Schritt tun.
Hier in der Stadt fehlen Kurzzeitpflegeplätze, wie überall im Land. Daher hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann im Sommer 2019 ein Modellprojekt angeregt, um pflegebedürftige Menschen direkt in Krankenhäusern zu versorgen. Gerade dort stehe der Sozialdienst oft vor dem Problem, für Patienten nach der Entlassung keinen Heimplatz zu finden, erläuterte Laumann bei der Vertragsunterzeichnung in seinem Haus. „Und in den Krankenhäusern gibt es ja schon die Infrastruktur.“
Niedergelassene Ärzte kommen ins Krankenhaus
Gleichwohl war es nicht einfach, beide Systeme miteinander zu verknüpfen. So lassen die Kassenärztlichen Vereinigungen laut Laumann nicht zu, dass die künftigen Pflegepatienten von Krankenhausärzten behandelt werden. Vielmehr werden dazu niedergelassene Ärzte bestimmt. So wird es demnächst auch in Mülheim sein, erläuterte EKM-Geschäftsführer Nils B. Krog.
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Die Kurzzeitpflege im Krankenhaus beruht auf einem Abkommen, das die NRW-Landesregierung, Pflegekassen und die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen miteinander geschlossen haben. Nach Auskunft des Ministeriums haben bereits 80 Krankenhäuser ihr Interesse an diesem Modell bekundet, das es so noch in keinem anderen Bundesland gibt. Dass nun das Mülheimer EKM vorprescht, als erstes einen Versorgungsvertrag mit AOK und Knappschaft schließt, hängt mit besonderen Bedingungen hier vor Ort zusammen.
Ungenutzte Betten in der Mülheimer Augenklinik
Für das Krankenhaus ist das Modell Kurzzeitpflege eine günstige Gelegenheit, um freie Kapazitäten nicht leer laufen zu lassen, sondern neu zu nutzen. Die Plätze sollen in der Augenklinik bereit gestellt werden, einer der größten in NRW: „Dort haben wir mittlerweile rund 85 Prozent ambulante Behandlungen“, berichtet EKM-Geschäftsführer Krog. „Daher stehen Betten zur Verfügung, die wir überhaupt nicht nutzen.“ Station 32 wird gerade teilweise umgebaut. Voraussichtlich im März kann die Kurzzeitpflege dort beginnen.
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Maximal 28 Tage können die Patienten dort bleiben, maximal 28 weitere Tage werden im Rahmen von Verhinderungspflege bewilligt. In erster Linie hat das EKM dabei eigene Patienten in Blick, die - so Krog - „aufgrund ihres Alters nach der Krankenhausbehandlung nicht mehr richtig auf die Beine kommen“, aber auch nicht sofort einen ambulanten Pflegedienst oder einen Heimplatz finden. Die künftigen Kurzzeitplätze sind aber offen für alle, auch um pflegende Angehörige zu entlasten, wenn diese selber erkranken oder Urlaub brauchen.
Freies Fachpersonal aus dem eigenen Pflegedienst
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Auch beim Pflegepersonal für die neue Station kann das EKM auf freie Kapazitäten im eigenen Unternehmen zurückgreifen. Wie Krog erläutert, wechselt das Team von Pflege Palliativ Ruhr der evangelischen Krankenhausstiftung in die neue Kurzzeitpflege: zehn Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationen, darunter examinierte Alten- und Familienpflegerinnen.
Dieser ambulante Dienst wurde vor vier Jahren gegründet und sei auch nachgefragt worden, so Krog, litt aber permanent unter fehlendem Fachpersonal. Mittlerweile gibt es in Mülheim auch ein neues Netzwerk, die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) unter Beteiligung niedergelassener Ärzte.
Heimfinder-App zeigt freie Plätze an
Seit einigen Wochen kann man sich mit Hilfe der neuen Heimfinder-App über aktuell verfügbare Kurzzeit- und Dauerpflegeplätze informieren. Alle Pflegeheime in NRW sind gesetzlich verpflichtet, freie Plätze täglich zu melden.
Neben der App zum Herunterladen aufs Handy gibt es auch die Website heimfinder.nrw.de. Am Donnerstag beispielsweise wurden in den Mülheimer Seniorenheimen lediglich zwei Kurzzeitpflegeplätze angezeigt, die sofort frei wären.
Kurzzeitpflege wird in der Regel bei der Pflegekasse beantragt, in einigen Fällen - falls jemand nicht dauerhaft pflegebedürftig ist - bei der Krankenkasse.
Ansprechpartnerin für das neue Angebot im EKM ist Stationsleiterin Yvonne Helmes, 0208/309-2853.
Die Kurzzeitpflege im Krankenhaus wird in Doppelzimmern stattfinden - von der generell in Pflegeheimen geltenden Einzelzimmerquote wurde eine Ausnahme erwirkt, erläutert der Gesundheitsminister. Wie sich das Modell in der Praxis bewährt, wollen alle Beteiligten nun ausprobieren. Laumann hofft, dass weitere Krankenhäuser einsteigen. Das EKM stellt die Plätze zunächst zwei Jahre lang zur Verfügung.
Auch Saskia-Alexandra Kühle, Leiterin der Heimaufsicht in Mülheim, sieht den Vorstoß in Sachen Kurzzeitpflege durchweg positiv: „Zehn Plätze sind schon mal ein Anfang.“