Mülheim. . Die Pflege- und Sozialberatung im Evangelischen Krankenhaus Mülheim betreut jährlich mehr als 5000 Fälle.

Es ist unser gutes Recht: Die Krankenhausbehandlung umfasst auch ein „Entlassmanagement“, so garantiert es das SGB V. In der Praxis sind ganze Fachabteilungen damit beschäftigt, etwa, um Patienten zu unterstützen, die in der Klinik zum Pflegefall werden.

Im Evangelischen Krankenhaus Mülheim gibt es eine Pflege- und Sozialberatung, in der acht Fachleute arbeiten. „Alle sind Krankenpflegekräfte“, erklärt die Leiterin Evamaria Borow, „und haben dann unterschiedliche Fortbildungen oder Studiengänge absolviert.“ Im vergangenen Jahr, 2014, war das Team mit mehr als 5000 Beratungssituationen befasst. In etwa zwei Dritteln dieser Fälle, schätzt Mitarbeiterin Manuela Kosboth, mussten für ältere Patienten Kurzzeitpflege, ambulante Dienste oder eine Heimaufnahme organisiert werden.

Grundsätzlich gelte im EKM: „Sofort bei der Aufnahme, innerhalb von 24 Stunden, sollte geklärt werden, ob es bei der poststationären Versorgung Probleme gibt.“ Nicht selten bedeutet ein Krankenhausaufenthalt einen tiefgreifenden Einschnitt. Manuela Kosboth gibt ein Beispiel: „Es kann sein, dass ein sehr alter Mensch noch absolut selbstständig ist, aber durch einen Sturz von heute auf morgen in eine Pflegesituation kommt, die sein ganzes Leben verändert. Bis hin zum Heimaufenthalt und notwendigen Verkauf des Eigenheims.“

Lösungen werden zusammen mit dem Patienten erarbeitet

In anderen Fällen kommen auf der Station schleichende Probleme ans Licht, etwa eine beginnende Demenzerkrankung, die bereits längere Zeit bestehen. „Oft waren die Menschen schon vorher in ihrem Alltag am Limit“, erläutert Evamaria Borow, „die kleinste Krise bringt dann das gesamte Gerüst ins Wanken.“ Wenn das geschieht, erleben die Beraterinnen oft Betroffene und Familien „in großer Not“.

An einer möglichen Lösung arbeitet dann ein „multiprofessionelles Team“ mit Ärzten, Pflegekräften, Angehörigen, Partnern und Beratern. „Wir machen Vorschläge“, sagt Manuela Kosboth, „aber ohne den Patienten geht nichts. Seine Wünsche sind unbedingt zu berücksichtigen. Und wenn jemand sagt: ,Ich gehe nach Hause, auf eigenes Risiko’, dann machen wir das auch.“ Klar sei schließlich: „Kein Pflegeheim möchte jemanden aufnehmen, der das auf keinen Fall will.“

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Was ihre Arbeit erschwert, ergänzt Abteilungsleiterin Evamaria Borow, seien die kürzeren Verweildauern im Krankenhaus, seit nach Fallpauschalen abgerechnet wird. „Denn die häusliche Versorgungssituation interessiert die Krankenkassen nicht und ist keine Begründung, um den stationären Aufenthalt zu verlängern.“ Aber manchmal gäbe es keine schnelle Lösung, weil Angehörige nicht rechtzeitig erreichbar oder Patienten nicht entscheidungsfähig sind. „Das ist dann unser Problem. Aber grundsätzlich schicken wir niemanden auf die Straße, jeder muss versorgt sein.“ Und sie ließen sich immer von Pflegediensten schriftlich bestätigen, ob die Betreuung tatsächlich aufgenommen wurde.

Auch nach der Entlassung verlieren die Beraterinnen des Evangelischen Krankenhauses ihre Patienten nicht zwangsläufig aus den Augen. „Viele kommen aufgrund ihrer Krankheit ja auch wieder“, sagt Evamaria Borow, „und dann fragt man natürlich, wie es denn läuft.“

Beratungsbedarf immer größer

Auch im katholischen St. Marien-Hospital gibt es eine spezielle Abteilung, die mit Blick auf Betreuung nach der Entlassung berät: den Sozialdienst. Nach eigenen Angaben gehen dort täglich zwischen zehn und 15 Anfragen ein. Das sechsköpfige Team ist allerdings von der Qualifikation her etwas anders ausgerichtet als im Evangelischen Krankenhaus – drei der Mitarbeiterinnen sind Diplom-Sozialarbeiterinnen.

Die „Pflege-Überleitung“ wird als eigener Arbeitsbereich geführt – eine der beiden Ansprechpartnerinnen ist Nadja Wiedekamp, Fachwirtin im Sozial- und Gesundheitswesen, ursprünglich gelernte Altenpflegerin. Sie sagt: „Der Beratungsbedarf wird immer größer. Wenn Pflegebedürftigkeit erstmals auftritt, sind viele Patienten und Familien überhaupt nicht vorbereitet.“ Dann helfen die Krankenhaus-Profis beispielsweise, Hilfsmittel zu besorgen, vermitteln einen Hausnotruf oder ambulanten Dienst, schulen auch Familienmitglieder, die plötzlich zu pflegenden Angehörigen werden.

Anfragen kommen nicht nur von den Stationen, berichtet Nadja Wiedekamp. „Auch Nachbarn rufen bei uns an, etwa wenn jemand gestürzt ist und zu Hause nicht mehr zurecht kommt.“ In anderen Fällen melden sich Pflegedienste, weil bei Patienten akute Probleme auftreten.

Der Sozialdienst des St. Marien-Hospitals betont, man arbeite nicht nur mit konfessionellen Anbietern, sondern mit allen Einrichtungen in der Stadt zusammen. Und das funktioniert, meint Nadja Wiedekamp. Sie selber gehört der „Dialog-Offensive Pflege“ an, die 2010 mit verschiedenen Arbeitsgruppen gegründet wurde. „Mülheim ist sehr gut vernetzt“, so ihre Erfahrung.