Mülheim. Mülheims Lernwerkstatt Natur gibt es nur noch, weil ein Förderverein Spendengelder zusagte. Jetzt steht der Verein vor dem Aus. Es gibt Streit.
„Herr Buchholz hat ein unmögliches Verhalten an den Tag gelegt“, zeigt sich Fördervereinsvorsitzender Thomas Schipper empört über ein Telefonat, das er vor Wochenfrist mit Mülheims Bildungsdezernenten geführt hatte. Schipper will seine Konsequenz daraus ziehen, kündigt an, den Förderverein, der 2016 zur Rettung der Lernwerkstatt Natur im Witthausbusch gegründet worden war, aufzulösen. Ein Paukenschlag, der im Rathaus irritiert aufgenommen wird.
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2016 war es, dass die Lernwerkstatt Natur vor dem Aus stand. Es fehlten der Stadt Mittel, um die Betriebskosten in Höhe von rund 140.000 Euro jährlich zu decken. Neun Monate dauerte das Ringen um die Zukunft der Einrichtung, die mit Umweltpädagogik Programm für Mülheimer Kinder macht. Am Ende stand eine Lösung: Der Stadtrat erhöhte die Glücksspielsteuer, ein neu gegründeter Förderverein sicherte zu, jährlich 30.000 Euro an Spenden aufzutreiben, um das restliche Loch zu stopfen.
Schipper: Ich stampfe den Förderverein ein
Alles lief prima, alles lief wunderbar, vermittelten die Nachrichten seither. Der Betrieb 2017 – gesichert dank Bürger- und Sparkassen-Stiftung (je 10.000 Euro), zusätzlich beteiligten sich mehrere kleinere Stiftungen sowie private Spender. Die gleiche frohe Kunde gab es für 2018, vom städtischen Fachamt bestätigt. Zuletzt signalisierte Fördervereinsvorsitzender Schipper im November 2018: 30.000 Euro seien beisammen.
Jetzt meldete sich Schipper überraschend zu Wort, berichtete, emotional angefasst, von einem Telefonat mit Bildungsdezernent Marc Buchholz und zog für sich die Konsequenz: „Ich stampfe den Förderverein ein.“
Förderverein hatte zuletzt 12.500 Euro an die Stadt überwiesen
Schipper, der schwer erkrankt ist und nach eigenen Angaben seit zwei Jahren nur noch allein mit seiner Frau engagiert Spendenakquise betreibt, ärgert sich maßlos über einen Anruf von Buchholz am 17. Januar. Da habe ihn der Dezernent forsch gefragt, wo das Geld bleibe. Auf seinen Hinweis hin, dass eine Überweisung längst getätigt sei, habe Buchholz das Gespräch beendet mit den Worten, er werde die Sachlage dann so dem Jugendhilfeausschuss, der am 31. Januar tagt, berichten.
„Es kam weder eine Entschuldigung noch sonst was“, gibt sich Schipper tief enttäuscht. Aus seinem Krankenbett heraus legt er einen Beleg vor, dass am 18. November 2019 12.500 Euro vom Förderverein an die Stadt überwiesen worden sind. Ebenso Mails einer Mitarbeiterin aus dem Jugendamt, die den Geldeingang Anfang Dezember bestätigte und Anfang November an Schipper geschrieben hatte: „Für das Förderjahr 2019 hatten Sie uns 12.500 Euro zugesichert. . .“
Förderverein hat Spenden für 2020 noch nicht zusammen
Zukunft der Lernwerkstatt ist 2020/21 trotzdem gesichert
Laut Bildungsdezernent Marc Buchholz ist der Betrieb der Lernwerkstatt Natur trotz der Finanzierungslücken zuletzt auch für die Jahre 2020 und 2021 gesichert.
In einem Bericht für den Jugendhilfeausschuss heißt es, dass der Betrieb der Lernwerkstatt in diesem Jahr mit 141.000 Euro zu Buche schlägt. Der städtische Zuschuss ist bei 110.000 Euro gedeckelt. Die Lücke wird geschlossen dank einer Spende der Luftschiffgesellschaft WDL. Sie gibt 50.000 Euro.
„Ich glaube schon, dass wir 2020 und 2021 damit gut ausfinanziert bekommen“, so Buchhholz. Dennoch sei alsbald die Frage zu stellen, wie die Lernwerkstatt für die Zukunft aufzustellen sei. „Mir ist es wichtig, dass es mit der Lernwerkstatt nach vorne heraus gut weitergeht.“
Keine 30.000 Euro? Schipper sagt dazu, dass die Stadt mit jenen 12.500 Euro auch in der Vergangenheit ausgekommen sei. Für 2020 sehe es freilich noch nicht so gut aus: Knapp 2100 Euro hat der Förderverein noch auf dem Konto, Schipper erwartet aber noch 2500 Euro von der Sparkasse und weitere private Spenden. Das Verhalten von Buchholz sei nicht zu akzeptieren, mit der Auflösung des Fördervereins sieht Schipper den Fortbestand der Lernwerkstatt wieder gefährdet.
Auf Anfrage dieser Redaktion nahm Dezernent Buchholz Stellung. Seine Version ist eine andere. Er bestätigte zwar den Anruf bei Schipper mit der Nachfrage, wann mit einer Überweisung zu rechnen sei, weil „ich die Info hatte, dass noch kein umfänglicher Betrag überwiesen worden war“. Doch Buchholz mag Schippers Verärgerung nicht nachvollziehen, weil er als neuer Dezernent Klärungsbedarf in der Sache gesehen habe und Schipper eingeladen habe zu einem Gespräch, um sich kennen zu lernen.
Dezernent: Es ist seit 2017 weit weniger Geld eingegangen als zugesagt
So berichtet Buchholz auf Nachfrage, dass die Zusage des Fördervereins von 2016 für jährlich 30.000 Euro nicht gehalten werden konnte. 2017 seien 25.000 Euro geflossen, 2018 gar nichts, 2019 eben nur diese 12.500 Euro aus November. „Das muss ich beim Blick in Excel-Tabellen ganz nüchtern feststellen“, betonte Buchholz, dass er damit nicht missverstanden werden wolle. Das Engagement des Fördervereins sei „aller Ehren wert“, es könne „immer sein, dass eine Geldquelle versiegt“.
Buchholz ist bemüht, kein böses Blut aufkommen zu lassen, doch stellt er fest, dass „der Verein in der Zusage steht“ und die bis heute zugesagten 90.000 Euro nicht in voller Höhe geflossen seien. Verwundert gibt sich der Dezernent, dass die Zusage des Vereins 2016 offenbar nicht schriftlich fixiert worden sei.
Verwaltung hat Politik nie informiert, dass Gelder nicht geflossen sind
Der Jugendhilfeausschuss dürfte überrascht sein von dieser Entwicklung. Dass Spendengelder nicht wie angekündigt geflossen sind, hatte die Verwaltung in den vergangenen drei Jahren nie zum Gegenstand der Tagesordnung gemacht. Vielmehr hieß es noch im November 2018, obwohl laut Buchholz keine Spendengelder eingegangen sind, dass die 2016 beschlossenen Bedingungen zur Finanzierung der Lernwerkstatt „erfüllt werden und daher wird die Arbeit in der Lernwerkstatt Natur im Jahr 2019 weiter fortgesetzt“.