Mülheim. Mülheims Wirtschaftsförderer will rund 160 Hektar neue Gewerbeflächen ausweisen. Aus dem Rathaus kündigt sich jetzt vehementer Widerstand an.

Der Streit um die Frage, ob für den künftigen Wohlstand Mülheims dringend neue Gewerbeflächen im Grünen auszuweisen sind, treibt langsam auf seine Spitze zu: Vor der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses zum Flächenkonzept von Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink kündigt sich vehementer Widerstand an. Und der kommt auch aus dem Rathaus selbst.

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Dönnebrink hatte als Interimsgeschäftsführer der Wirtschaftsförderung „Mülheim & Business“ den Fraktionsvorsitzenden bereits im Oktober in vertraulicher Runde ein Wirtschaftsflächenkonzept präsentiert, das er bei zwei Gutachterbüros in Auftrag gegeben hatte.

Rund 160 Hektar neue Gewerbe- und Industrieflächen sind für Mülheim skizziert

Im Wirtschaftsflächenkonzept zeigen die Gutachter auf, wo Mülheim ihrer Ansicht nach jene 88 Hektar Gewerbepotenzialfläche ausweisen könnte, die laut Planern des Regionalverband Ruhr nötig wären, um in der Stadt den Bedarf an Gewerbeflächen zu decken.

Kurz vor Weihnachten protestierte eine Gruppe von rund 40 Demonstranten der Bewegung „Fridays for Future“ gegen das Flächenkonzept von Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink.
Kurz vor Weihnachten protestierte eine Gruppe von rund 40 Demonstranten der Bewegung „Fridays for Future“ gegen das Flächenkonzept von Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Darunter finden sich kurzfristig zu entwickelnde Flächen an der Oberheid- und an der Blücherstraße, daneben Flächen am Fulerumer Feld (24 bis 28 Hektar), am Auberg (zehn Hektar) und auf dem nördlichen und südlichen Flughafen-Areal (52 Hektar). Darüber hinaus sind 70 Hektar Grünflächen im Südosten von Selbeck und 46 Hektar im Winkhauser Tal als „Regionale Kooperationstandorte“ in die Diskussion gebracht. Hier soll es laut Wirtschaftsflächenkonzept möglich werden, Unternehmen mit einem Flächenbedarf von acht Hektar und mehr anzusiedeln.

„Flächenfraß“: Gegen-Initiativen bringen sich schon in Position

Nach deutlicher Kritik von Dönnebrink, aber auch aus der Wirtschaft hatte sich der Vorsitzende des städtischen Wirtschaftsausschusses, Henner Tilgner (CDU), nach zwei Monaten der Ignoranz jüngst doch durchgerungen, das Dönnebrink-Papier am 14. Januar zum Thema einer Sondersitzung zu machen.

Im Gespräch mit dieser Redaktion kündigte nun aber ein anderer Dezernent aus dem Rathaus Widerstand an: Peter Vermeulen, der gleichsam zuständig ist für Wirtschaft, Bauen, Planen - und Umwelt. Vermeulen will der Politik zur Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses seine verschriftlichte Gegenposition zu Wirtschaftsförderer Dönnebrink präsentieren.

Umweltdezernent: „Mit der Sensibilität eines Holzhammers“

Schon gegenüber Redaktion machte Vermeulen jetzt deutlich, wie er sich zu dem Dönnebrink-Papier stellen wird. Das Konzept gehe „mit der Sensibilität eines Holzhammers mit Flächen um, als wäre die Ausweisung von Gewerbeflächen das Wichtigste in dieser Stadt“, wählt der Dezernent deutliche Worte. Er selbst hatte einen „Masterplan Industrie und Gewerbe“ vorgelegt, der einen behutsamen Umgang mit Mülheims Grün als Wesenskern führte. Die Politik hatte den Masterplan-Entwurf allerdings verworfen und Wirtschaftsförderer Dönnebrink beauftragt, einen neuen zu erarbeiten.

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„Die Stadt lebt auch davon, dass sie sich als grüne Wohnstadt entwickelt hat“, wirbt Vermeulen nun aber noch einmal für seine Position, in Zukunft auch wegen der Umweltrestriktionen „immer weniger neue Wirtschaftsflächen ausweisen zu können“.

Vermeulen: Nicht ins Grün gehen, sondern Brachen reaktivieren

Vermeulen bleibt dabei: Mülheim müsse den Blick stärker darauf richten, dass brachliegende oder nicht optimal genutzte Wirtschaftsflächen wieder verfügbar gemacht werden. Wie das geschehen soll, wo die Flächen zumeist doch in privater Hand sind, sagt er indes nicht. „Das werden wir im Januar darstellen.“

Er sieht aber auch nicht jenen großen Bedarf wie der Regionalverband, die Wirtschaft und Dönnebrink: „Wir haben unzählige Flächen, die nicht genutzt werden, sonst wäre die Jost-Fläche im Hafen längst besiedelt. Für Unternehmen, die ernsthaft in Mülheim einen Standort eröffnen wollen, haben wir im Baudezernat bisher immer eine Lösung gefunden.“

Dezernent: Bürgerwille gegen Flächenausweisung endlich einmal respektieren

hier gibt es mehr artikel, bilder und videos aus mülheimVermeulen wirft auch einen kritischen Blick zurück: Zu oft schon habe Mülheim Gewerbeflächen in Wohnbauland oder Einzelhandelsfläche umgewidmet, so geschehen einst am Heifeskamp, aktuell auf dem Areal der ehemaligen Lederfabrik Lindgens oder geplant auf dem Tengelmann-Grundstück.

Grünflächen gelte es zu bewahren, sagt er. Gegen eine gewerbliche Nutzung von Flächen am Auberg oder in Winkhausen hätten sich die Bürger schon mehrfach ausgesprochen. Das gelte es zu respektieren. Die Richtung, in die Dönnebrink die Debatte zu lenken gedenke, sei zu eindimensional, blende neben einem ökonomischen Leitgedanken anderes ringsum aus.

Dönnebrink: Keine andere Großstadt an der Ruhr hat so wenig verfügbare Fläche

Dönnebrink selbst hat jüngst noch einmal im Journal von „Mülheim & Business“ seine Position deutlich gemacht: „Mülheim hat mit 4,5 Hektar den niedrigsten Bestand an Betriebserweiterungsflächen unter den kreisfreien Städten in der Metropole Ruhr. In Mülheim wurden zudem bis 2013 sogar über 40 Hektar Gewerbe- und Sondergebiete entwidmet, as heißt, den Mülheimer Unternehmen genommen.“