Mülheim. Lange Jahre war Isabell Meeth (58) Betriebsrätin bei Real im Mülheimer Hafen. Jetzt sucht sie einen beruflichen Neuanfang. Leicht wird es nicht.

Isabell Meeth, ehemalige Betriebsratsvorsitzende bei Real, hat in diesem Jahr ihren Arbeitsplatz verloren, dazu den Kollegenkreis und vieles andere, um das sich ihr Leben lang Zeit gedreht hat. 2020 wird etwas Neues bringen. Was genau, weiß die 58-Jährige noch nicht.

Am 1. Januar definitiv raus bei Real

Die gelernte Einzelhandelskauffrau war 37 Jahre im Markt an der Weseler Straße tätig, der bis 1998 noch als Allkauf geführt worden war. Direkt nach der Ausbildung ist sie als Teamleiterin eingestiegen, war in dieser Funktion später auch bei Real tätig, in der Elektroabteilung - bis zum letzten Verkaufstag am 2. November.

Als Urgestein darf man Isabell Meeth sicher bezeichnen, es gab allerdings Beschäftigte, die waren noch länger im Betrieb. Alle sind freigestellt und am 1. Januar des neuen Jahres definitiv raus bei Real. „Der Abschied bei der letzten Betriebsversammlung war das Schlimmste“, sagt Meeth, „wie eine Familie, die zerstört wird...“ Danach hat sie sich erst einmal zwei Wochen Urlaub gegönnt, eine Kreuzfahrt zu den kanarischen Inseln.

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Isabell Meeth macht keinen Hehl daraus, dass sie ihre Arbeitskraft nicht nur dem alltäglichen Verkaufsbetrieb gewidmet hat, sondern viel Zeit und Energie in Betriebsrats- und Gewerkschaftsaktivitäten investierte. Im Gesamtbetriebsrat von Real hat sie bis zum Jahresende auch noch mitgewirkt: „Dort ist die Hölle los. Vor allem spielt das Management nicht mit offenen Karten. Die Mitarbeiter bekommen immer erst als Letzte Bescheid und erfahren vieles erst aus der Presse.“

Im Gesamtbetriebsrat „ist gerade die Hölle los“

Für die Beschäftigten im Mülheimer Hafen, ursprünglich 102 Frauen und Männer, wurde ein Sozialplan ausgehandelt. Maximal 15 Brutto-Monatsgehälter habe es für die altgedienten Kräfte gegeben, sagt Isabell Meeth. „Ich hab das Geld zur Seite gelegt, für schlechte Zeiten.“ Wobei sie sich bemüht, dass diese gar nicht erst kommen.

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Arbeitslos - das ist der Status, mit dem sie erst einmal leben muss. Der Neueinstieg mit Ende fünfzig gestaltet sich schwierig. Aber Geld verdienen muss sie weiterhin. 20, 30 Bewerbungen habe sie schon „ins Blaue hinein“ abgeschickt, beispielsweise für Stellen als Sachbearbeiterin. Im Einzelhandel sieht Isabell Meeth keine Perspektive mehr, wegen der schlechten Bezahlung und weil vielfach nur Teilzeitjobs angeboten würden. „Für ältere Führungskräfte sieht es da schlecht aus. Den Zahn hat mir das Arbeitsamt schon gezogen.“

Im Einzelhandel wohl keine Perspektive mehr

In welche Richtung es beruflich gehen könnte? „Ich möchte was Soziales machen“, sagt Isabell Meeth. „Vielleicht im Bereich Integration, Inklusion, aber auf jeden Fall als Fachkraft, keine Hilfstätigkeit.“ Im Januar hat sie den nächsten Termin bei der Arbeitsagentur. Der Berufsalltag fehlt ihr. „So viel wie jetzt war ich noch nie zu Hause.“

Von Kalkar nach Mülheim gependelt - 20 Jahre lang

Die gebürtige Mülheimerin Isabell Meeth ist vor 20 Jahren nach Kalkar gezogen und seither vom Niederrhein aus zur Arbeit gependelt. „140 Kilometer pro Tag.“

Das habe sich nur gerechnet, weil ihre Stelle als Teamleiterin bei Real nach Tarif bezahlt wurde. „Für’n Appel und ‘n Ei würde ich nicht so weit fahren.“

Nun sucht sie eine neue Stelle in der Nähe ihres Wohnortes.

Von der „Familie“ Real ist eine WhatsApp-Gruppe geblieben, die etwa 60 Mitglieder umfasst. Ihr Name: „Big Familiy“. Dort werden Fotos von Stellenanzeigen geteilt, gelegentlich auch gute Nachrichten verbreitet, wenn jemand einen neuen Job gefunden hat. „Zwei aus meiner Abteilung haben es schon geschafft“, sagt die langjährige Betriebsrätin. „Sie fangen im Januar woanders an.“