Mülheim. Mülheims CDU will vom Stadtrat einen Zeitplan zur Aufgabe von Flüchtlingsunterkünften beschlossen sehen. Die Finanzierung aber ist unklar.

Die einen wollen das Thema offenbar noch vor dem Kommunalwahlkampf abräumen, die anderen warnen vor kostspieligen Schnellschüssen: Mülheims Politik ringt darum, wann und wie überzählige Holzhäuser zur Flüchtlingsunterbringung abgebaut werden können.

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Eine Entscheidung soll am nächsten Donnerstag im Stadtrat fallen. Doch die Debatte zuletzt im Finanzausschuss, auch ein Beschluss in der November-Ratssitzung zeigen vor allem eins: Es ist keine gemeinsame Linie, kein Konzept zu erkennen. Die Verwaltung hält mit Informationen hinter dem Berg. Sie versucht, sich mit Sachargumenten gegen Bestrebungen insbesondere der CDU zu stemmen, den Bürgern jetzt Klarheit zu geben, wann die Standorte zur Flüchtlingsunterbringung im jeweiligen Stadtteil aufgegeben werden.

Mülheimer CDU will Zeitplan für Abbau der Häuser verabschiedet sehen

Die CDU hat ihr Ansinnen in einen Antrag für den Stadtrat gegossen: Sie will eine Prioritätenliste zur Aufgabe von Standorten beschlossen sehen. So sollen noch in diesem Jahr die Einrichtungen an der Eltener Straße, an der Vereinstraße und an der Koloniestraße schließen. Das „Dorf“ am Steinbruch Rauen (Holzstraße), für das die Stadt noch mal Geld in die Hand nehmen musste, weil sie nicht wusste, wohin so schnell mit den nicht mehr genutzten Häusern, soll laut CDU möglichst bis zur zweiten Jahreshälfte 2020 abgebaut sein.

Holzhäuser der Flüchtlingsunterkunft an der Oberheidstraße in Dümpten: Es gibt Pläne für ein Gewerbegebiet auf dieser Fläche.
Holzhäuser der Flüchtlingsunterkunft an der Oberheidstraße in Dümpten: Es gibt Pläne für ein Gewerbegebiet auf dieser Fläche. © Martin Möller / Funke Foto Services | Martin Möller

Darüber hinaus soll 2020 der Abbau der Holzhäuser auf dem Saarner Kirmesplatz (bis spätestens 2022) und an der Oberheidstraße (bis spätestens 2021) in Angriff genommen werden. Als letztes sollen die Unterkünfte am Klöttschen (2021/22) und an der Gustavstraße (2022) dichtgemacht werden.

Aufregung im Finanzausschuss: Verwaltung hält Notaufnahme in Saarn weiter für nötig

Nun hatte der Stadtrat auf FDP-Initiative Anfang November bereits eine „Lex Saarn“ vorgezogen und gegen den Willen der Verwaltung und der Kritik der SPD, die ein Gesamtkonzept einforderte, den zeitnahen Abbau der dortigen Holzhäuser ab 2020 beschlossen.

Im Finanzausschuss sorgte jetzt für Aufregung, dass die Verwaltung ungeachtet dessen weiter mit einer Beschlussvorlage in die Sitzung ging, die anderes vorsah: Die Verwaltung wollte zwar den Betrieb in Saarn vorübergehend im Jahr 2020 einstellen. Sie wollte sich aber die Option offenhalten, die Einrichtung mit ein bis zwei Häusern bei Bedarf kurzfristig mit städtischem Personal wieder in Betrieb zu nehmen. Auch sei weiter eine Erstaufnahmeeinrichtung nötig, sie sollte demnach von Saarn zum Klöttschen umziehen.

Kämmerer Mendack verlangt finanzielle Lösung für Ratsbeschluss

Knapp 5000 Flüchtlinge sind in Mülheim registriert

Anfang Juli 2019 waren laut aktuellem Bericht des Sozialamtes 4932 Flüchtlinge in Mülheim registriert, 246 Personen mehr als zu Beginn des Jahres.

Insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 waren viele Flüchtlinge zur Unterbringung nach Mülheim gekommen. Die Zahl der hier lebenden Flüchtlinge stieg seinerzeit von 1370 (Ende 2014) auf 3174 (2015) und 4079 (2016).

Die Verteilung der Flüchtlinge auf Stadtbezirke ist dabei ungleichmäßig. Insbesondere im Styrumer Norden und in der nördlichen Innenstadt/Eppinghofen leben die Menschen. Ihr Anteil an den Bewohnern liegt hier bei 10,6 bis 13,4 Prozent. In vielen anderen Bezirken, insbesondere in wohlhabenden Gegenden, liegt die Quote bei unter 3,5 Prozent.

Die Politik verwies auf ihren Ratsbeschluss zur Räumung des Saarner Kirmesplatzes, kleinlaut erklärte Kämmerer Mendack die Verwaltungsvorlage als zurückgezogen. Nur ist damit weiter nicht klar, wohin die Reise geht. Denn, so der Kämmerer: Die Verwaltung sehe noch keine Lösung in Sicht, den Beschluss des Stadtrates umzusetzen.

Mendack ermahnte die Politik, nicht Beschlüsse zu fassen, ohne eine Finanzierung aufzuzeigen. Das sei oberstes Gebot für eine Stärkungspakt-Kommune. Er plädiert weiter dafür, Häuser erst abzubauen, wenn sie woanders direkt wieder zu verbauen sind. Wären die Holzhäuser einzulagern, müsse die Stadt dafür Hallen anmieten, so Mendack. Was das kosten würde, wollte er zunächst nicht offenlegen, weil er befürchtet, sich für Preisverhandlungen am Markt schlechterzustellen. Er wolle es nun „grob darstellen“ in der Ratssitzung, sagte Mendack am Freitag.

SPD kritisiert CDU-Vorstoß: Union lasse Risiken unberücksichtigt

Alexander Böhm (SPD) sprang dem Kämmerer bei, nannte den CDU-Antrag einen „Schaufenster-Antrag“, der nicht nur finanzielle Risiken unberücksichtigt lasse. Was, fragte Böhm, mache die Stadt eigentlich, wenn es noch einmal zu einer größeren Flüchtlingsbewegung komme, dann aber alles abgebaut sei an Infrastruktur?

Auch Martin Fritz (BAMH) sieht bislang keine Informationsbasis gegeben, um einen Beschluss zum Abbau der Holzhäuser zu fassen. „Eine Entscheidung kann erst fallen, wenn die Kosten auf dem Tisch liegen, sonst kann es nur ein Beschluss ins Blaue werden“, sagte er und fragte spöttisch: Was soll denn am Ende rauskommen? Eins, zwei, fünf oder zehn Millionen Euro Minus?“

Die BAMH-Fraktion stellte nun noch einen Antrag für den Stadtrat, mit der sie vom Kämmerer für die erste Sitzung des Finanzausschusses im neuen Jahr eine Modellrechnung einfordert, die aufzeigt, was wirtschaftlich am sinnvollsten mit den Holzhäusern anzustellen wäre. Auch ein Verkauf soll noch mal Thema werden.