Mülheim. Weil er die Hündin seines Partners in die Ruhr in Mülheim warf, soll ein 58-Jähriger für sechs Monate ins Gefängnis. Die Tat hat er gestanden.

Wie alt „Sandy“ wurde, das ließ sich selbst vor Gericht nicht mehr einwandfrei klären. Mindestens 21-jährig soll die Mischlingshündin gewesen sein, als sie ein Mann Ende des vergangenen Jahres von der Schlossbrücke in Mülheim in die Ruhr warf. Das Tier starb daran. Rein rechtlich ist das ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz in Tateinheit mit Sachbeschädigung. Das Mülheimer Amtsgericht hat einen 58-Jährigen dafür am Donnerstag verurteilt – zu sechs Monaten Haft. Der Mann soll ins Gefängnis. Zur Bewährung ausgesetzt wird die Freiheitsstrafe nicht.

Der Angeklagte G. hat die Tat wie in seinen Vernehmungen bei der Polizei auch in der Verhandlung eingeräumt. Aus „Mitleid“ mit der so betagten wie kranken Hündin, die offiziell seinem Lebensgefährten gehörte, habe er gehandelt, so seine bisherigen Erklärungsversuche. In der Verhandlung spricht der 58-Jährige aber auch von Alkoholproblemen und von einem „Kurzschluss im Vollrausch“ am Tattag: Bevor er die Hündin in das eiskalte Wasser warf, habe er tagsüber 18 Flaschen Bier getrunken. „Eigentlich bin ich tierlieb.“

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Hündin starb durch den Sturz ins Wasser verursachten Leberriss

Einen Tierarzt hatte „Sandy“ allerdings schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen. Trotz diverser, auch altersbedingter Erkrankungen. Die Hündin, so das Ergebnis der Obduktion, starb letztlich durch einen durch den Sturz ins Wasser verursachten Leberriss. Für Alternativen, also etwa eine Einschläferung und anschließende Einäscherung habe dem Paar das Geld gefehlt, rechtfertigt sich der Angeklagte vor Gericht. Das Paar hatte noch ein weiteres Tier, da waren sie diesen Weg noch gegangen. Schäferhund „Julius“ wurde eingeschläfert.

Bei der Verhandlung im Mülheimer Amtsgericht verbirgt der Angeklagte vor Prozessbeginn seinen Kopf unter einer Kapuze. Rechs von ihm sein Anwalt Ludger Aretz. Im Hintergrund Richter Mark Schneider.
Bei der Verhandlung im Mülheimer Amtsgericht verbirgt der Angeklagte vor Prozessbeginn seinen Kopf unter einer Kapuze. Rechs von ihm sein Anwalt Ludger Aretz. Im Hintergrund Richter Mark Schneider. © Funke Foto Services | Mara Tröger

Als der Angeklagte vor Beginn der Verhandlung von Pressevertretern fotografiert wird, zieht er seine Kapuze über Kopf. Vor dem Einzelrichter sitzt eine verkrachte menschliche Existenz: aufgewachsen in der DDR, Schulende nach der achten Klasse, nach der Wende beginnt er sich in Deutschland herumzutreiben und durchzuschlagen, „über Nacht die Koffer gepackt und ab in den Westen“, erzählt er. Jahre später lernt er im Internet seinen Lebensgefährten kennen, den Halter der Hündin. Die beiden Männer ziehen aus Kaiserslautern nach Mülheim zusammen. Lange sind sie arbeitslos. Der 58-Jährige durchlief zuletzt bis zu dessen Einstellung ein Förderprogramm bei der Diakonie, arbeitete bei der Tafel.

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Vorstrafen wegen Schwarzfahrens, Urkundenfälschung und Betrugs

G. steht seit Jahren mit dem Gesetz in Konflikt. Seit 1991 ist der Mann laut Bundeszentralregisterauszug schon 18 mal zu Geld- oder Freiheitsstrafen verurteilt worden, darunter Fahren ohne Führerschein, Schwarzfahren und Urkundenfälschung, vor allem aber Vermögensdelikte wie Betrug. Auch als er die Hündin in die Ruhr warf, stand er wegen einer anderen Tat noch unter Bewährungsauflagen. Einen „Bewährungsversager“ nennt ihn sein eigener Verteidiger. Auch Richter Mark Schneider wird später in seiner mündlichen Urteilsbegründung sagen: „Eine günstige Sozialprognose sehe ich nicht.“

Dass G. am Tattag die Hündin überhaupt ausführte, war offenbar eher zufällig, erzählt sein Lebensgefährte als Zeuge. Überraschend habe ihn seine auf der Straße lebende Tochter besucht und er für diese kochen wollen, sagt der 57-Jährige. Später sei sein Freund zurückgekommen „und der Hund war nicht mehr da“. G. habe erzählt, dass er die Hündin einer älteren Frau gegeben habe, die sich um „Sandy“ kümmern wollte. Was wirklich passiert war, so der Lebensgefährte, „erfuhr ich, als die Polizei kam“. Dass „Sandy“ so „todkrank“ gewesen sei, wie der Angeklagte es schildert, bestätigt er nicht.

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Staatsanwaltschaft verzichtet auf Einlegung von Rechtsmitteln

Im Publikum sitzen bei der Verhandlung im Amtsgericht Tierschützer und eine bekannte Mülheimer Landschaftswächterin. Die verbergen ihre Freude über das Urteil nicht. Es entspricht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Deren Vertreterin erklärte, auf Rechtsmittel verzichten zu wollen. Die Verteidigung hatte ebenfalls eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten gefordert, wollte diese aber zur Bewährung ausgesetzt haben. Er wolle nun mit seinem Mandanten besprechen, ob das Urteil akzeptiert werde oder ob Rechtsmittel eingelegt würden, erklärt Rechtsanwalt Ludger Aretz.

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Weder Verteidigung noch Anklage gehen in ihren Schlussworten darauf ein, dass der Halter der Hündin seinen Lebensgefährten in der Verhandlung selbst belastet hat. „Der mochte die nicht“, hat der 57-Jährige über seinen Damals- oder Noch-Freund gesagt. G. war nach dem Vorfall bei seinem Partner ausgezogen und seit neun Monaten in einem Männerwohnheim in Köln untergekommen.

Beide sagen, sie hätten sich getrennt, bis „die Sache abgeschlossen sei“. G. behauptet in der Verhandlung, mit dem 57-Jährigen verlobt zu sein. Der antwortet auf die Frage des Richters, ob er heiraten wolle: „Wenn der Richtige kommt...“ Als die Verhandlung vorbei ist, marschieren beide einträchtig zu Fuß in Richtung Innenstadt. Noch ist „die Sache“ nicht abgeschlossen.