Mülheim. Der Rechtsanspruch auf eine OGS-Betreuung ab 2025 bereitet der Politik in Mülheim Kopfzerbrechen. Schon jetzt haben nicht alle Kinder einen Platz.

Das ist schon selten, dass die Stadtverwaltung der Politik die dritte Version eines Beschlussvorschlags unterbreiten muss, um dafür eine Mehrheit zu bekommen. So geschehen jetzt zur Frage, ob es gelingen kann, mit Einsparungen bei der Trägervergütung im Offenen Ganztag bis Sommer 2020 noch zusätzliche OGS-Plätze zu schaffen, um die Versorgungslücke zu schließen.

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Bekanntlich hatte Sozialdezernent Marc Buchholz mit den OGS-Trägern ausgehandelt, dass sie für die Betreuung der gleichen Anzahl an Kindern ab dem neuen Schuljahr 250.000 Euro weniger bekommen sollen. Unklar blieb bis zuletzt, ob damit Qualitätseinbußen verbunden sein werden.

SPD und Grüne äußerten Skepsis: Leere Versprechungen der Verwaltung?

Marc Buchholz, Bildungsdezernent der Stadt Mülheim
Marc Buchholz, Bildungsdezernent der Stadt Mülheim © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auf der anderen Seite soll die Einsparung helfen, möglichst doch noch gut 120 OGS-Plätze zu schaffen, die zusätzlich bei den Anmeldungen für die hiesigen Grundschulen von Eltern nachgefragt worden sind. Mit seinen bisherigen Beschlussvorlagen hatte Buchholz insbesondere bei SPD und Grünen Skepsis hervorgerufen, weil er einerseits verlautbart hatte, die OGS-Träger könnten die Mittelkürzung beispielsweise dadurch kompensieren, dass sie weniger Personal in eine jede Gruppe steckten. Andererseits schenkten Politiker Buchholz nicht das Vertrauen, dass er und seine Mitarbeiter sich tatsächlich ins Zeug legen werden, um die Versorgungslücke im Sommer möglichst nicht entstehen zu lassen.

Nach zähem Ringen gelang es Buchholz nun doch, auch SPD und Grüne – wenn auch grummelnd – zum Sparbeschluss zu bewegen. Dieser macht es laut Buchholz aufgrund der angespannten Haushaltslage überhaupt erst möglich, mit Schulleitungen und OGS-Trägern in Verhandlungen zur Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze einzutreten. Die Politik hat sich (bei Gegenstimmen von MBI und FDP) nun festschreiben lassen, dass Buchholz sofort berichten soll, wenn er glaubt, dass er für die Viertelmillion keine weiteren Plätze schaffen kann. Buchholz will nun Gespräche an jeder Grundschule führen.

Unklar blieb, wie viele Plätze insgesamt fehlen

Grünen-Bildungspolitikerin Ingrid Tews missfiel auch das Zahlenwerk, das das Bildungsdezernat der Politik vorgelegt hatte. Einerseits ist dort von 122 bislang unversorgten Erstklässlern die Rede, andererseits werden auf der Warteliste für die OGS-Betreuung gar 161 Kinder gelistet. Welches Ausmaß die Unterversorgung in Mülheim nun tatsächlich hat, konnte die Verwaltung im Bildungsausschuss nicht aufklären.

Dezernent: OGS-Betreuung in Klassenräumen muss möglich werden

Um den Ausbau der OGS-Betreuung bis 2025 stemmen zu können, will Dezernent Marc Buchholz möglichst nicht viel Geld für Neubauten in die Hand nehmen müssen. Er plädiert dafür, das OGS-Angebot nachmittags vermehrt in Klassenräumen möglich zu machen. „Es ist widersinnig, neben einer Schule ein OGS-Gebäude zu errichten“, sagt er. Lösungen will Buchholz mit Schulleitungen und OGS-Trägern besprechen.

Buchholz machte deutlich, dass dies heute vielfach nicht möglich sei, weil Materialien der Schulklassen nicht sicher in den Klassenräumen zu verstauen seien. Der Dezernent forderte die Politik auf, Geld zur Verfügung zu stellen, um die Voraussetzungen für eine anderweitige Nutzung der Klassenräume an Nachmittagen zu schaffen.

Sorgenvoll blickt die Politik schon auf das Jahr 2025, wenn Eltern einen Rechtsanspruch auf einen OGS-Betreuungsplatz haben sollen. Buchholz machte deutlich, dass in Mülheim dazu wohl eine Verdopplung der Plätze nötig sei – bei städtischen Zuschüssen von derzeit sechs Millionen Euro eine Herkulesaufgabe, will man die im Vergleich zu anderen Kommunen hohen Mülheimer Qualitätsstandards halten. Niemand rechnet damit, dass der Bund die Kommunen für den OGS-Ausbau auskömmlich mit Finanzmitteln ausstatten wird.

Buchholz: Wir haben nur etwas Zeit bis 2025

„Wir haben nur etwas Zeit bis 2025“, eine eingehende Bestandsanalyse sei nötig, forderte Dezernent Buchholz schon jetzt ein, die Politik möge sich nicht um Entscheidungen winden, „damit Familien verlässlich planen können“. Buchholz zielt offensichtlich darauf ab, dass sich das hoch verschuldete Mülheim durch Absenkung von Standards finanzielle Freiräume für den nötigen Ausbau schafft. „Wir leisten uns ein sehr kostenintensives Betreuungssystem.“ Um den Ausbau zu stemmen, so Buchholz, sei zu schauen, wie Hort und Tagespflege die OGS-Versorgung ergänzen könnten.

Der Vorsitzende des Bildungsausschusses, Norbert Mölders (SPD), fand Zustimmung für seinen eindringlichen Appell, schnellstmöglich alle beteiligten Akteure an einem Runden Tisch zu versammeln, um die Herausforderung anzugehen, „vielleicht auch kreative Lösungen zu finden“.