Mülheim. In ihren Etatreden spricht die Politik Tacheles zur „Lage der Nation“. SPD und Grüne in Mülheim grenzten sich dabei deutlich voneinander ab.
Nicht nur in der Frage, wer in Mülheim ab 2020 als Oberbürgermeister(in) drängende Zukunftsfragen abarbeiten soll, liegen SPD und Grüne auf Konfrontationskurs. Welten liegen zwischen beiden politischen Kräften auch in den Diskussionen zur Zukunft des Flughafen-Areals und zur Gewerbeflächenpolitik. In der Ratssitzung jetzt wurden die Fraktionschefs deutlich.
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„Für die Fortführung des Flugbetriebes und die Zukunft der Flugschulen sehen wir durchaus Perspektiven, wenn dadurch eine intensivere wirtschaftliche Nutzung des Geländes nicht beeinträchtigt wird“, verdeutlichte SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff am Donnerstag vergangener Woche die Position seiner Fraktion in der Flughafen-Debatte.
Spliethoff (SPD): Flughafen womöglich privatisieren
Das Flughafenareal böte ringsum große Chancen für einen Nutzungsmix, der auch für gering qualifizierte Menschen Arbeitsplätze schaffen könne. Die Logistikbranche kommt dabei für die SPD nicht infrage. Sie schaffe bei ausgeprägtem Flächenbedarf zu wenig Beschäftigung. Spliethoff unterstützt grundsätzlich das Konzept von Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink für eine Kehrtwende zum Flughafen-Ausstieg und mehr Gewerbeflächen. Architektur und städtebauliche Konzeption könnten laut Spliethoff helfen, ein solches Vorhaben zu vereinbaren mit ökologische Aspekten, etwa mit der Kaltluftversorgung Richtung Innenstadt.
Wie sich die SPD einen Fortbestand des Flughafen-Betriebs vorstellen kann, skizzierte Spliethoff auch. Die Zahl der Starts und Landungen sei dauerhaft auf dem jetzigen Niveau zu deckeln; eine Entwicklung zu einem Regionalflughafen sei auszuschließen. Auch sei zu diskutieren, ob die heutigen Nutzer den Betrieb, das wirtschaftliche Risiko vollständig übernehmen.
SPD will Luftschiff „Theo“ auf jeden Fall weiter in Mülheim abheben sehen
Ganz unabhängig von der grundsätzlichen Flughafen-Frage sei für die SPD festzustellen, dass sie sich für eine Zukunft des Luftschiffes „Theo“ ausspreche. „Es ist nicht nur wünschenswert, sondern auch möglich, dass diese für Mülheim identitätsstiftende und emotional in der Bevölkerung verankerte ,Luftzigarre’ auch weiterhin brummend seine Kreise über unseren Köpfen ziehen wird“, so Spliethoff.
Bekanntlich pochen die Grünen derweil darauf, dass die von den Stadträten in Essen und Mülheim gefassten Beschlüsse zum Flughafen-Ausstieg im Jahr 2024 umgesetzt werden. Angesichts der aktuellen Klima- und Flugverkehrsdiskussion sei es „ein Unding“, einen im direkten Umfeld des Düsseldorfer Airports liegenden Flugplatz mit maroder Infrastruktur „auf Steuerzahlerkosten aufzupäppeln“, hatte Fraktionssprecherin Franziska Krumwiede-Steiner bereits Ende September gesagt.
Grünen-Kritik an Wirtschaftsflächen-Konzept: Großangriff auf das Mülheimer Grün
Ihr Partner an der Fraktionsspitze, Tim Giesbert, kündigte in seiner Etatrede wiederum schwerpunktmäßig Widerstand zum Gewerbeflächen-Konzept von Wirtschaftsförderer Dönnebrink an. Das Papier Dönnebrinks sei „ein Großangriff auf das Mülheimer Grün und daraus resultierend das Stadtklima“, sagte Giesbert.
Stadtklimatisch bedeutende Grünareale wie am Auberg, in Winkhausen, in Fulerum und in Selbeck zu versiegeln, sei ein Rückfall in eine Gewerbeflächenpolitik in die Sechziger- und Siebziger-Jahre. „Solange in Mülheim in hohem Maße Gewerbeflächen brachliegen, kann sich Herr Dönnebrink unseres vehementen Widerstandes gegen solch schwerwiegende Eingriffe im Außenbereich sicher sein“, so Giesbert.
SPD-Appell an die CDU: Widerstand gegen Gewerbefläche in Winkhausen aufgeben
Zuspruch erfuhr Dönnebrink wiederum von der SPD. Fraktionschef Spliethoff begrüßte während seiner Etatrede die Initiative, weil so dem Abwärtstrend am Wirtschaftsstandort begegnet werden könne. Spliethoff verspricht sich für die Stadt durch die Ansiedlung neuer Unternehmen mehr Steuereinnahmen und die Chance, weniger für Transferleistungen an Arbeitslose berappen zu müssen.
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70 Hektar Gewerbefläche seien zu arrondieren an der Kölner Straße in Selbeck, an der A 40 in Winkhausen 46 Hektar, am Flughafen 52 Hektar. Spliethoff appellierte an die CDU, „insbesondere bei der Entwicklung des Geländes in Winkhausen über ihren Schatten zu springen“ und ihre Verweigerungshaltung aufzugeben.
Zwei zukunftsweisende Themen für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt – und SPD und Grüne zeigen, dass sie vielleicht beim Hauhalt gemeinsame Sache machen können, sich bei anderen Sachfragen aber diametral gegenüberstehen.