Mülheim/Essen. Das Mülheimer „Netzwerk gegen Fluglärm“ wendet sich entschieden gegen die jüngsten Pro-Flughafen-Initiativen. Doch manches Argument ist falsch.
Plant Mülheims Verwaltung an der Politik vorbei einen neuen Regionalflughafen? Mit dieser kritischen Frage stellt sich Waldemar Nowak vom „Netzwerk gegen Fluglärm“ der neu entflammten Debatte über die Zukunft des Betriebs am Flughafen Essen-Mülheim entgegen.
Im Interview mit dieser Zeitung hatte Wirtschaftsförderer Hendrik Dönnebrink zwar betont, er setze bei seiner Hoffnung auf einen Fortbestand des Flughafens lediglich auf eine Entwicklung als Geschäftsflughafen mit kleinem Anteil an Frachttransporten. Doch auch auf moderne Luftfahrttechnik soll der Flughafen zurückgreifen können. Düsenbetrieb eingeschlossen.
Nowak: Klimapolitischer Unsinn der Flughafen-Lobby
Die mögliche Kehrtwende in der Flughafen-Frage ruft Waldemar Nowak vom „Netzwerk gegen Fluglärm“ auf den Plan. Nowak fürchtet mit Blick auf die Landeplatzgenehmigung Planungen für einen „Düsenflugverkehr in einer ganz erheblichen Größenordnung“. Ein umfassender Lärmschutz für Anwohner sei hingegen nicht gewährleistet.
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Wer so etwas plane, handele gegen die Bürger, die angesichts der fortwährenden Defizite aus dem Flughafenbetrieb gar auch noch zur Finanzierung des Ganzen herangezogen würden. Klimapolitischer Unsinn sei der „neuerliche Versuch der Flughafen-Lobby“.
Netzwerk will Masterplanung ohne Option für weiteren Flugbetrieb
Nowak plädiert dafür, die Masterplanung zur weiteren Nutzung des Flughafen-Areals ohne die Option weiterzuverfolgen, den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. Die Stadt solle nicht den Pfad verlassen, etwas gegen den Mangel an Wohnbau- und Gewerbeflächen zu tun, freilich unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte. Das „Filetstück“ der Flughafen-Fläche sei „das einzige Pfund, das Mülheim im Konkurrenzkampf mit anderen Kommunen in die Waagschale werfen kann“, um dringend benötigte Steuereinnahmen zu generieren.
Auch zu den Plänen des Luftschiff-Unternehmens WDL, zehn bis zwölf Millionen Euro in einen Neubau mit angeschlossener Luftschiff-Eventhalle für bis zu 5000 Besucher zu investieren, äußert sich Nowak kritisch. Der Ausbauplan sei „nicht belastbar und hält einer wirtschaftlichen Überprüfung nicht stand“, sagt er mit Blick auf die WDL-Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre.
WDL kontert: Nowak lässt Sachlichkeit vermissen
„Es ist es schon beschämend, wie wenig Sachlichkeit Herr Nowak an der Tag legt“, nimmt dazu WDL-Geschäftsführer Frank Peylo Stellung. Er hatte schon vor einigen Tagen gesagt, sein Unternehmen könne das Invest gar aus ihren Bargeldreserven stemmen.
Ein Blick in die Jahresabschlüsse der Firmengruppe, unter deren Dach die WDL firmiert, belegen das: So weist der im Bundesanzeiger aktuell veröffentlichte Jahresabschluss von 2016 für die Gesellschaft „Westdeutsche Luftwerbung Theodor Wüllenkemper“ ein Vermögen aus Kassenbestand sowie Guthaben bei Banken in Höhe von 21,2 Millionen Euro aus.
Netzwerk klagt: Kaum Gewerbesteuereinnahmen, hoher Zuschussbedarf
Nowak führt seine Attacken unbehelligt fort. Die WDL habe in der Vergangenheit schon Vieles großspurig angekündigt (Blimps für China, Transport-Blimps für Südafrika, Wartung von A 320) – alles hätte sich als Flop herausgestellt. Peylo entgegnet: „Zu der Wartung der A320: Da hat die Politik seinerzeit ihre Ablehnung erteilt.“
Falsche Annahmen der Landesrechnungsprüfer
Der Landesrechnungshof hatte mit einem Bericht im Jahr 2009 aufgezeigt, warum es für das Land NRW ratsam sei, aus der Beteiligung am Flughafen Essen-Mülheim auszusteigen.
Dabei hatte der Rechnungshof hochgerechnet, dass für den 25-Jahres-Zeitraum bis zum Jahr 2034 mit einem Gesamtverlust von 55 Millionen Euro wegen der jährlichen Unterdeckung der laufenden Betriebs- und Investitionskosten zu rechnen sei.
Zugrunde lag dieser Kalkulation allerdings die Annahme, dass die jährliche Unterdeckung der laufenden Betriebs- und Investitionskosten von seinerzeit rund 1,1 Millionen Euro wie in den 13 Jahren zuvor weiter anwachsen werde. Als Trend wurde angenommen, das sich das Defizit weiter mehr als verdoppeln werde.
Der Trend bei den Jahresergebnissen (nach Steuern) stellt sich tatsächlich aber anders dar. Ist hier laut Zahlen der Beteiligungsholding für das Jahr 2009, als das Gutachten des Landesrechnungshofes entstand, noch ein Defizit von 0,71 Millionen Euro ausgewiesen, so lag es 2018 um einiges darunter: bei 0,43 Millionen Euro.
Anders als Wirtschaftsförderer Dönnebrink und die ansässigen Betriebe sieht Nowak im Flughafen-Betrieb keinen Nutzen für den Wirtschaftsstandort. Nowak zählt auf, was aus finanzieller Sicht gegen einen weiteren Betrieb spreche: Erstens dass die Stadt einer Kalkulation des Netzwerks zufolge weniger als 90.000 Euro Gewerbesteuer von den am Flughafen ansässigen Firmen erhalte, zweitens dass die Stadt nicht nur auf einem jährlichen Defizit von aktuell rund einer Viertelmillion sitzen bleibe, sondern bei einem weiteren Betrieb auch noch kräftig in die Flughafen-Infrastruktur zu investieren habe.
55 Millionen Euro Investitionsbedarf? Wirtschaftsförderer hatte dies zurückgewiesen
Nowak nennt Zahlen aus dem 2009er Gutachten des Landesrechnungshofes: Demnach seien bis zum Jahr 2034 „Investitionen“ in Höhe von 55 Millionen Euro zu tätigen. Wirtschaftsförderer Dönnebrink hatte dies zuletzt zurückgewiesen. Allenfalls sei mittelfristig mal die Start- und Landebahn zu erneuern. Der Landesrechnungshof habe 2010 „ziemlich unseriös gerechnet“ (siehe Box).
WDL-Geschäftsführer Peylo hält Nowak Stimmungsmache vor: „Die aufgewärmten alten Geschichten mögen Herrn Nowak interessieren, den Bürger interessiert eine gesunde Stadtentwicklung mit Wirtschaft und Natur im Einklang, zukunftweisend ausgerichtet. Das wollen wir hier am Flughafen umsetzen.“