Mülheim. Mit Diane Jägers (58) haben CDU und Grüne eine gemeinsame Kandidatin für die OB-Wahl präsentiert. Ein Coup, der die SPD auf kaltem Fuß erwischt.

Mülheim hat vor 25 Jahren Geschichte geschrieben, als der Stadtrat mit Hans-Georg Specht einen Oberbürgermeister gewählt hat, der sich als CDU-Mann in einer deutschen Großstadt von den Grünen als Bündnispartner mittragen ließ. Jetzt haben sich CDU und Grüne zur Kommunalwahl 2020 wieder verbandelt: Diane Jägers (CDU, 58) wird es indes aller Voraussicht nach leichter fallen, das Mülheimer Rathaus von der SPD zu erobern.

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Mülheims CDU ist der Coup gelungen, schon zu einem Zeitpunkt eine entscheidende Weichenstellung für die Kommunalwahl vorzunehmen, da die SPD noch dabei ist, langsam aus dem eineinhalb Jahre währenden Koma zu erwachen, in das sie die Affäre um OB Ulrich Scholten versetzt hat.

Genossen stehen nun auf verlorenem Posten da

Gerade erst vor etwas mehr als einen Monat haben die Genossen den jungen Rodion Bakum zu ihrem neuen Parteichef gewählt und damit das gefährliche Vakuum in der Parteiführung aufgelöst, da macht die politische Konkurrenz Nägel mit Köpfen. Wie zu hören ist, hat auch die SPD bei den durch jüngste Wahlerfolge vor Kraft strotzenden Grünen sondiert, ob eine gemeinsame Kandidatenaufstellung denkbar sei.

Diana Jägers (3.v.r.) soll nach Willen der Parteispitzen von CDU und Grünen Mülheims nächste Oberbürgermeisterin werden. Mit im Bild (v.l.) CDU-Fraktionschefin Christina Küsters (CDU) Grünen-Vorstandssprecher Fabian Jaskolla, CDU-Parteivorsitzende Astrid Timmermann-Fechter, Grünen-Vorstandssprecherin Kathrin-Rosa Rose und Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert.
Diana Jägers (3.v.r.) soll nach Willen der Parteispitzen von CDU und Grünen Mülheims nächste Oberbürgermeisterin werden. Mit im Bild (v.l.) CDU-Fraktionschefin Christina Küsters (CDU) Grünen-Vorstandssprecher Fabian Jaskolla, CDU-Parteivorsitzende Astrid Timmermann-Fechter, Grünen-Vorstandssprecherin Kathrin-Rosa Rose und Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Doch die gelähmten Genossen waren zu spät dran, stehen nun auf verlorenem Posten da. Längst hatten CDU und Grüne ihren Kandidaten-Deal vorbereitet, hatten zunächst jeder für sich Anforderungsprofile für einen künftigen OB formuliert und waren dann gemeinsam auf Kandidaten-Suche gegangen.

CDU und Grüne: Zusammenarbeit in Personalfragen ist geübt

Die Zusammenarbeit in Personalfragen ist geübt. Schon bei der Eroberung des Sozialdezernats, das man mit Marc Buchholz (CDU) der SPD abgeluchst hat, haben CDU und Grüne gemeinsame Sache gemacht. Clever von der CDU, dass sie die Schwäche der SPD frühzeitig für sich ausgenutzt hat. Wenn auch der fade Beigeschmack bleibt, dass die Union Kandidaten aus dem eigenen Mülheimer Stall offensichtlich nicht das Format zumisst, um erfolgreich in die OB-Wahl zu gehen.

Schon Werner Oesterwind war 2014 eine Verlegenheitslösung. Mit Grauen denkt man an einen Wahlkampf zurück, in der Herausforderer Oesterwind nicht über ein kumpelhaftes Ich-tu-dir-nichts im Wettbewerb mit SPD-Hinterbänkler Ulrich Scholten hinauskam. Man konnte 2014 den Eindruck gewinnen, beide hätten einen Nichtangriffspakt geschlossen. Das niederschmetternde Ergebnis für die CDU ist bekannt.

Kandidatin bringt Erfahrung in der Führung mit

Das soll nun mit Diane Jägers anders werden. Zweifelsohne: Die Kandidatin bringt Führungsqualitäten insbesondere auch aus ihrer Zeit als Rechtsdezernentin in Bochum und Dortmund mit, wurde gar zweimal als Kandidatin für das Kabinett von NRW-Ministerpräsident Laschet gehandelt. Sie hat schon angedeutet, dass sie gewillt ist, Verkrustungen in Mülheims Machtapparat zu durchbrechen, „neue Strukturen“ zu schaffen.

Ob die Grünen mit der Unterstützung Jägers einen klugen Schachzug gemacht haben, muss sich noch beweisen. Nach den starken EU-Wahlergebnissen hätte die Partei eine eigene Kandidatin (eine Frau sollte es ja sein) aus dem Hut zaubern können. Dafür hätte es sicher keine Unterstützung der CDU gegeben, aber womöglich von der SPD.

Grüne haben Chance vertan, auf der Welle der Wahlerfolge zu reiten

Auch wenn Grünen-Vorstandssprecherin Kathrin-Rosa Rose betont, dass es mit der SPD trotz einiger inhaltlicher Schnittmengen auch gravierenden Dissens in Sachfragen gebe, etwa zur Flughafen-Frage oder zur Gewerbeflächenpolitik: Die Chance, mit einer eigenen Kandidatin auf der Welle der jüngsten Wahlerfolge zu reiten, ist vertan.

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