Mülheim. Zahlreiche Schwertransporte mit Generatoren und Turbinen fuhren auf Spezialwagen vom Siemenswerk an der Friesenstraße bis in die Kraftwerke.

Einen Spezialwagen für schwere und große Teile haben wir vor zwei Wochen gezeigt. Er stand zur Abfahrt bereit auf den Gleisen im Siemenswerk (KWU, Krafwerk-Union) an der Wiesenstraße. Solche Sondertransporte mit der Bahn brauchten eine längere Vorbereitungszeit und dauerten bis ans Ziel mehrere Tage. Einige Siemenspensionäre habe ihre ehemaligen Wirkungsstätten auf dem Foto von 1954 gleich wiedererkannt. Die Fahrt ging nach Hamburg und von dort mit dem Schiff nach Sankt Nicolas.

Sankt Nicolas existiert allein 15 Mal in Mexiko

Um welches der vielen auf der Welt existierenden Sankt Nicolases es sich handelte , geht aus der Bildunterschrift nicht hervor. Sankt Nicolas in Argentinien, in Chile, in Peru, einer von den 15 existierenden Orten mit diesem Namen in Mexiko – oder doch auf den Philippinen? Der Fotograf hat hat am 26. Juni 1954 oft auf den Auslöser gedrückt. Das dokumentieren die Fotos im Ordner von Theo Haarkötter. Andere haben damals auch Super-Acht-Filme gedreht.

„Regelmäßig haben solche Schwerlasten unser Werk verlassen. Manchmal zwei pro Monat“, erinnert sich Horst Mölders. Er hatte gleich die Bilder seines ehemaligen Kollegen erkannt. „Das Bild wurde an der Wiesenstraße im Siemens Werk (KWU) vor dem Bau 14 gemacht. Im Bau 25 daneben wurde der Generator zusammengebaut.“

Alle Teile wurden im Werk Friesenstraße montiert

Bis solch ein schwerer Stromerzeuger komplett montiert war, hat es häufig mehr als ein Jahr gedauert. Alle Teile dafür wurden bei der KWU im Mülheimer Werk geplant, berechnet und angefertigt. „Danach folgten die Montage und der Testlauf“, erinnert sich Mölders.

Im Hintergrund seien die Mannesmannröhren-Werke zu erkennen. Mölders: „Die Betriebe grenzten damals wie heute direkt aneinander. Wir durften für unsere Transporte mit der Eisenbahn die Mannesmanngleise über deren Werksgelände bis zur Ausfahrt nach Styrum benutzen.“

Auch die Chefs beobachteten das Verladen

Das Foto zeigt „einen Generator auf dem Durchsteckträgerwagen. „Dieser Spezialwagen kann seitlich verschoben um mehrere Zentimeter werden, wenn auf dem Weg zum Hamburger Hafen beispielsweise Signale zu nah an den Gleisen standen“, beschreibt Horst Mölders.

Handelte es sich um einen größeren Transport, waren stets die Chefs und Abteilungsleiter mit dabei. Sie wollten schon sehen, dass die fette Fracht korrekt verladen wird. Die Abfahrt war meistens abends, „weil dieser Sonderzug nicht sehr schnell fuhr“, berichtet Mölders.

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Die Durchsteckträger waren von innen hohl

Zum Generatortransport auf Schienen gehörte ein Mannschaftswagen. Der war mit einer Küche und Schlafplätzen ausgestattet. „Wir waren damit mehrere Tage auf Achse und ein umsichtiges Team. Der Durchsteckträger war von innen hohl. Er wurde erst im Hafen herausgezogen. Danach bekam der Generator seine wasserdichte Schutzverpackung und wurde in den Bauch des Schiffes verladen.“

Vor dem Bau 14 der ehemaligen Siemens-KWU-Werke an der Wiesenstraße steht dieser Schwertransport im Juni 1954. Der Generator ist für Sankt Nicolas bestimmt – aber welches Sankt Nicolas?
Vor dem Bau 14 der ehemaligen Siemens-KWU-Werke an der Wiesenstraße steht dieser Schwertransport im Juni 1954. Der Generator ist für Sankt Nicolas bestimmt – aber welches Sankt Nicolas? © FUNKE Foto Services | Sammlung Theo Haarkötter, Repro: Martin Möller

Von 1965 bis 1970 hat der Leser an den Transporten und dem Umladen der Generator im Hamburger Hafen gearbeitet. „War so ein 150 bis 200 Tonnen schwerer Koloss korrekt verladen, hat der Kapitän uns danach zu einem Essen eingeladen. Das war jedes Mal ein neues Erlebnis.“

Wagen fuhren bis in die Kraftwerkshalle

Die innerdeutschen Transporte übernahmen die Deutsche Bundesbahn oder große Tieflader. Im Kraftwerk Scholven (bei Gelsenkirchen) kann der Eisenbahnwagen bis in die Halle Fahren. Dort hebt der Bühnenkran den Generator dann in seine Arbeitsposition“, hat Mölders miterlebt.

Erst als Siemens-KWU sein Werk in das Hafengelände verlagert hat, waren die Eisenbahntransporte ab Mülheim nicht mehr nötig. „Jetzt gehen die Generatoren direkt mit Hilfe des Krans im Nordhafen an Bord eines Frachters.

Glatteis auf der Straße überrascht Schwertransport

Nach Mölders hat ein anderer KWU-Kollege die Schienentransporte begleitet. „Mussten die Generatoren auf den letzten Kilometern auf Tieflader über die Straße rollen, haben wir öfter geschwitzt. Einmal hat uns Glatteis überrascht. Wir haben reichlich Salz gestreut“, erinnert sich Horst Mölders im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wäre das Ding in einen Graben gerutscht, hätte niemand das schwere Teil bergen können. Der Schaden wäre enorm gewesen. Zum Glück ist nichts passiert.“