Mülheim. Christel Stäcker hat mit ihrer Mutter dem Vater das Mittagessen im Henkelmann zum Schrankenposten gebracht. Polizisten haben sich dort aufgewärmt.
Schon wieder sind elf Folgen unserer Serie verflogen, seit wir über den alten Saarner Bahnhof berichteten. Manchmal dauert es länger, bis die alten Mülheimer die Kisten mit ihren Fotoschätzen aus hinteren Schrankecken hervorziehen und ihre Erinnerungsstücke wiederfinden. Da kommen dann kleine Schwarz-Weiß-Abzüge ans Tageslicht, die wir an dieser Stelle gern abdrucken. Es geht nochmals um die längst verschwundene Station an der heutigen Straße „Zum Alten Bahnhof“ sowie die nähere Umgebung.
Viele Saarner Firmen lieferten Erzeugnisse zur Rampe
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„Der Bahnhof hatte eine interessante Güterabfertigung“, erinnert sich Hartmut Lennewald. „Dort lieferten die Saarner Firmen schon vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Erzeugnisse an. Sie holten an der Rampe aber auch Fertigungsteile oder Erzeugnisse für den Verkauf ab.“
Zu diesen Firmen gehörte die AEG, die ein Werk am Sommerfeld betrieb. Mehrmals pro Woche seien die Erzeugnisse aus dem Werk zur Rampe an die Kahlenbergstraße gebracht worden. Auf der Rücktour brachte der klapperige Lastwagen Fertigungsteile in das Werk neben dem katholischen Friedhof zurück.
Futtermittel, Getreide und Kartoffelsäcke
Ihre Erinnerungen und alten Fotos sind gefragt
Wer Erinnerungen hat oder Hinweise zu den gezeigten Bildern geben kann, schickt diese bitte an die WAZ-Lokalredaktion, Eppinghofer Straße 1-3, 45468 Mülheim. Ihre E-Mails sind ebenfalls erwünscht an: redaktion.muelheim@waz.de
Ihre alten Fotoschätze schicken Sie per E-Mail im JPG-Format an die Redaktion oder bringen diese einfach bei uns vorbei. Ihre alten Bilder werden im Lauf der Serie in der WAZ veröffentlicht. Vielleicht können andere Leser bei der Einordnung helfen
„Der Futtermittelhändler Bellscheidt holte dort regelmäßig Säcke voller Mais, Weizen und andere Produkte ab“, schildert der Leser. Manchmal seien mit den Futtersäcken auf Tauben in Käfigen angekommen. Ab und zu sei auch ein Kartoffelsack beim Verladen gerissen. „Dann waren wir schnell beim Einsammeln der Knollen dabei. Die brachten wir der Mutter nach Hause, die sich über die Zusatzmahlzeit freute“, blickt Hartmut Lennewald zurück.
Der Schrottplatz von Karl Knippers kannten fast alle Alten Saarner und Mülheimer. Wer früher ein Ersatzteil für sein Auto brauchte, ein Stück Blech für das Dach seines Hühnerstalls suchte oder eine Metallstütze benötigte, der war bei Karl Knippers immer richtig. „Der hatte fast alles für ein paar Groschen“, erinnert sich Lennewald.
Streckenläufer kannte jeden Meter der Gleise
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„Mein Vater, Johann Liermann, war Streckenläufer bei der damaligen Reichsbahn. Der kannte jeden Meter der Saarner Bahngleise und Weichen. Er lief auch bis Kettwig, um Schienen, Schrauben und Schwellen zu prüfen“, hat Christel Stäcker in Erinnerung behalten. Das sei für den Vater ein sicherer Arbeitsplatz gewesen.
Während des Krieges stieg die Unterere Ruhrtalbahn zur wichtigen Umleitungsstrecke auf. Zahlreiche Züge wurden nach Bombenangriffen zwischen Essen und Styrum über Kettwig, Mintard, Saarn und Broich umgeleitet. Stäcker: „Mein Vater wurde nun als Schrankenwärter eingesetzt.“
Mehrmals die Mittagspause unterbrochen
„Er bezog seinen Posten im Büdeken 8 an der Landsberger Straße, dort, wo heute der Radweg auf der ehemaligen Bahntrasse endet. Mit meiner Mutter haben wir ihm oft den Henkelmann mit Mittagessen gebracht. Wir wohnten im nahen Dorf. Mehrmals musste er seine Mittagspause unterbrechen, um die Schranken herunterzulassen und wenig später wieder hochzudrehen“, erinnert sich seine Tochter.
An kalten Wintertagen hatte Johann Liermann oft Gesellschaft. Dann kamen die Polizisten aus dem Dorf und wärmten sich am Kohleofen im Büdeken auf. „Kohle kam immer von der Reichsbahn“, sagt Christel Stäcker. Ab und an musste ihr Vater auch im Büdeken 7 Dienst tun. Das war der beschrankte Überweg am Fuße des Aubergs. Im Winter sind wir bis dort mit dem Schlitten gefahren.“ Diese tolle Schlittenbahn haben noch zahlreiche Kinder nach ihr genutzt.
Rote Blinklichter und Glocken ersetzten die Schranken
Die Fotos, die Christel Stäcker hervorgeholt hat, stammen aus dem Jahr 1940, wie sie sagt. Es sind Familienerinnerungsstücke aus einer harten Zeit. Johann Liermann hat bis zu seiner Pension die Schranken an der Landsberger Straße bedient.
In den 1950er Jahren fuhren kaum noch Güterwagen zwischen Kettwig und Saarn. Die roten Schienenbusse waren vor allem an den Wochenenden voll besetzt mit Ausflüglern und Familien. Die Schranken wurden gegen rote Blinkzeichen mit Glocke ersetzt. Die Aufgabe Johann Liermanns übernahm eine automatische Steuerung.