Mülheim. Polizeipräsident Frank Richter sorgt sich wegen der wachsenden Kriminalität gegen Senioren. Auch zu den Clans in Mülheim bezog er Stellung.

Zur aktuellen Kriminalitätsentwicklung in Mülheim bezog Polizeipräsident Frank Richter jetzt im städtischen Sicherheitsausschuss Stellung. Zwei besondere Entwicklungen hob er hervor.

Den Trend insgesamt bewertet Richter dabei positiv: Die Kriminalitätszahl in Mülheim sei „weiter massiv gesunken“. Im Zeitraum Januar bis Juli seien 5963 Fälle aktenkundig geworden. Das seien fast 1000 Fälle weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Vor allem registriere man deutlich niedrigere Zahlen bei Wohnungseinbrüchen, auch beim Diebstahl aus oder an einem Kraftfahrzeug. Gleichbleibende Zahlen seien bei Sachbeschädigungen festzustellen.

Rasant steigende Zahlen bei Trickbetrug an Senioren

„Es gibt aber auch ein Phänomen, das mir ganz, ganz große Sorgen bereitet“, so der Polizeipräsident jetzt im städtischen Sicherheitsausschuss mit Blick auf die Kriminalität gegenüber Senioren. Die Zahl der Trickbetrügereien schieße quasi „durch die Decke“. Der Trickbetrug per Telefon bringe Kriminellen offenbar mehr als ein Wohnungseinbruch. Schäden in Einzelfällen von mehr als 100.000 Euro seien aktenkundig.

Auch interessant

Insbesondere „falsche Polizisten“ trieben aktuell ihr Unwesen. Ermittlungen zeigten, dass die Betrügereien zumeist aus der Türkei heraus organisiert würden. Richter kündigte an, dass die Polizei eine „übergreifende Ermittlungskommission“ einzurichten gedenke. Zusätzlich setze man weiter auf Prävention, auf Infoveranstaltungen, die Senioren selbst, aber auch Angehörige sensibilisieren sollen. Mit der Sparkasse sei in Kooperation eine Infobroschüre zum Thema erstellt worden.

Bis zu vier konzertierte Aktionen pro Woche gegen Clan-Kriminalität

Insgesamt pflege man auf diesem Feld eine enge Zusammenarbeit mit der Sparkasse. Da würden die Mitarbeiter am Schalter Kunden im Seniorenalter bei auffallend hohen Bargeld-Abhebungen auch fragen, wofür sie so viel Geld gerade bräuchten. Mit anderen Instituten sei die Zusammenarbeit da „schwierig“.

Auch zur Clan-Kriminalität äußerte Richter sich auf besonderes Verlangen der Politiker, insbesondere der BAMH-Fraktion. Es bleibe dabei: Essen sei der „Hot Spot“, nicht Mülheim. Trotzdem sei die Situation vor Ort nicht zu unterschätzen. Mit dem Zoll, der Steuerfahndung und der Stadt will die Polizei bekanntlich gefestigte Strukturen der organisierten Kriminalität durchbrechen, „mit den Partnern fahren wir gezielt eine bis vier Aktionen pro Woche“, so Richter.

Richter: Wir sind kein Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Fehlentwicklungen

Die Polizei geht mit Razzien gegen die Clankriminalität vor. Insbesondere im Essener Norden werden Einsätze gefahren, immer wieder aber auch in Mülheim.
Die Polizei geht mit Razzien gegen die Clankriminalität vor. Insbesondere im Essener Norden werden Einsätze gefahren, immer wieder aber auch in Mülheim. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Erste Erfolge zeichneten sich ab, seit einem Jahr etwa habe man keine Tumulte arabisch-stämmiger Clans mehr erleben müssen. Aber ein sehr langer Atem sei nötig, stellte Richter klar, dass die Polizei „nicht Reparaturbetrieb“ gesellschaftlicher Fehlentwicklungen sein könne.

Folgen verfehlter Integration könne man nicht allein durch Repression heilen. Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, die Menschen aus den kriminellen Clanstrukturen herauszuholen. Einfach nur nach Abschiebung zu rufen, greife entschieden zu kurz. Weil die meisten einen deutschen Pass besäßen. Impulse erhofft sich Richter von der Ruhrkonferenz. Bei der Bekämpfung der Clankriminalität sei es hilfreich, behörden- und städteübergreifend „die Schreibtische zusammenzuschieben“.

Polizei-Chef: Wer gut arbeitet, bekommt Personal abgezogen

Politiker unzufrieden mit Informationsfluss seitens der Polizei

BAMH-Fraktionschef Jochen Hartmann beklagte im Ausschuss einen mangelhaften Informationsfluss von der Polizei zur Kommunalpolitik, insbesondere mit Blick auf die in der Vergangenheit erst auf Drängen präsentierten Zahlen und Berichte zur Zuwanderer- und Clankriminalität.

Polizeipräsident Richter gelobte Besserung. Dazu habe man zuletzt auch die Geschäftsordnung des Polizeibeirates geändert. Dort sitzen zwar je ein Vertreter von Mülheimer SPD und CDU, sie waren aber bis zuletzt zur Verschwiegenheit verpflichtet, was die Informationen aus dem Gremium betraf.

Dies soll sich laut Richter nun ändern. Nur explizit als „vertraulich“behandelte Informationen dürften auch in Zukunft nicht weitergetragen werden. Über andere Dinge dürften die politischen Beiratsmitglieder in den Gremien des Stadtrates berichten. Richter erwähnte zudem, dass die Polizei einen regelmäßigen Austausch mit dem OB pflege und dafür auch den Bezirksbürgermeistern zur Verfügung stehe.

Einige Worte fand Richter auch zur angespannten Personalsituation im eigenen Haus. Er sei „sehr enttäuscht“, dass bei der Zahl der Vollzugsbeamten wieder ein Minus stehe, so der Polizeipräsident. Fragen zum Warum seien aber „an andere“ zu richten, sagte er wohl mit Blick aufs NRW-Innenministerium. Die Mülheimer Polizeiinspektion sei von dem Personal-Minus aber „überhaupt nicht betroffen“, man habe in anderen Bereichen eingespart.

Auch interessant

Die Entwicklung der Personalzahlen sieht Richter ein Stück weit gar als Ergebnis einer positiven Entwicklung, die sich in den Statistiken abbilde. „Wer gut arbeitet, bekommt Personal abgezogen“, so sei das nun mal, sagte er mit Blick auch auf die für sein Präsidium ausgewiesene Aufklärungsquote von 57 Prozent, die sich „auf süddeutschem Niveau“ bewege.

Polizei-Gewerkschafter sollen Politik über Personalsituation informieren

Der Sicherheitsausschuss fasste schließlich nach einigem Hin und Her darum, ob es mangels Zuständigkeit eines Kommunalparlaments Sinn machen wird, den Beschluss, zur nächsten Sitzung Vertreter der Polizeigewerkschaften einzuladen. Die Ratspolitiker wollen auch aus deren Sicht hören, wie es um die Personalsituation im Polizeipräsidium, insbesondere in Mülheim, bestellt ist. Zuletzt hatte die Gewerkschaft der Polizei einen ausgewachsenen wie fortgesetzten Personalmangel beklagt.