Mülheim. Viele Mülheimer sehen in der VHS ein Symbol für die Versäumnisse der Stadt. So erlebt es die Bürgerinitiative an ihrem Info-Stand in der City.
Seit Wochen stehen sie vor dem Forum auf dem Kurt-Schumacher-Platz, informieren, diskutieren, helfen Bürgern, die keine Wahlbenachrichtigung bekommen haben: Die Bürgerinitiative zum Erhalt der VHS in der Müga ist im Endspurt für den Entscheid am 6. Oktober.
„Wir haben den Eindruck, dass uns viele Bürger unterstützen“, sagt Erich Bocklenberg von der Initiative, während er vor dem Info-Stand auf interessierte Bürger wartet und seine Kollegen fleißig Handzettel verteilen. Und in der Tat bleiben zahlreiche Menschen stehen, nicht nur „die Alten“, wie es immer heißt, sondern auch junge Erwachsene wie der 21-jährige René Rasche, der bereits mit „Ja“ gestimmt hat, weil er überzeugt davon sei, dass die VHS erhalten werden müsse.
Im Bürgerentscheid kanalisiert sich die Wut auf die Stadtverwaltung
Für viele andere wiederum kanalisiert sich im Bürgerentscheid die Wut auf die Stadtverwaltung, auf all die nötigen Investitionen, die über die Jahre auf der Strecke geblieben sind. Die VHS steht für sie symbolisch für zahlreiche Versäumnisse. „Wir sehen, dass die Stadt viele Einrichtungen nicht mehr erhalten will“, sagt Bocklenberg und zählt als Beispiele die 2013 verkaufte alte Feuerwehrwache an der Aktienstraße und die Jugendherberge auf, in der ein Investor Wohnungen eingerichtet hat.
„Eigentlich ist Mülheim so schön“, sagt eine Mutter, die sich „langsam Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder“ macht, denn vieles sei auf der Strecke geblieben. Das sieht auch eine 91-Jährige so, seit über 40 Jahren Mülheimerin, die nach dem Krieg von der Volkshochschule in Essen profitierte, dort ihre Berufsausbildung machte. „Man sollte etwas für das kulturelle Leben machen“, sagt sie und appelliert an die Jugend, „dass sie sich beteiligt“.
Idee eines Bürgerzentrums in der VHS: „Inhaltlich positiv“
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Einen Beitrag zum kulturellen Leben brächte auch die Idee von Jürgen Abeln, der nach einem Essener Vorbild die VHS am liebsten als Begegnungszentrum sähe. Eine Idee, die der Initiative gefällt – allerdings nicht, wie Abeln sie kommuniziert. „Inhaltlich ist das positiv und widerspricht uns nicht. Das Konzept von Herrn Abeln ist vereinbar mit unseren Vorstellungen“, sagt Bocklenberg. Denn die VHS müsse sich weiterentwickeln, ohnehin fehle ein Konzept zur Erwachsenenbildung in Mülheim.
Allerdings, so Bocklenberg, habe er wenig Verständnis, dass Abeln nun, zwei Wochen vor dem Bürgerentscheid, mit so einer Idee kommt und zudem empfiehlt, beim Entscheid mit „Nein“ zu stimmen. „Wir sind seit zwei Jahren aktiv. So eine Diskussion hätten wir uns viel früher gewünscht.“ Jürgen Abeln hätte die Initiative kontaktieren können, man hätte die Idee „in unser Konzept einarbeiten können“.
VHS-Bürgerinitiative will sich weiter engagieren
Unabhängig davon, wie die Bürger sich am 6. Oktober entscheiden, wolle und müsse sich die Bürgerinitiative weiter engagieren. Denn auch wenn die Mehrheit mit „Nein“ stimmen oder das erforderliche Quorum der Ja-Stimmen nicht ausreichen sollte, gelte es weiterhin, ein Denkmal zu erhalten. „Wir müssen beobachten und wachsam sein, was die Stadt mit dem Gebäude macht.“ Dafür gebe es bekanntlich noch keinen Plan.
Initiative will keine Konkurrenz
Nachdem der Mülheimer Sportbund sich für ein „Nein“ beim Bürgerentscheid ausgesprochen hat, weil er um die Sanierungen von Sporthallen und Schwimmbädern bangt, betont Erich Bocklenberg, er wolle keine Konkurrenzsituation.
„Wenn die Stadt beschließen sollte, das Friedrich-Wennmann-Bad zu schließen, würden wir auch dafür auf die Barrikaden gehen“, sagt Bocklenberg und stellt in dem Zusammenhang erneut klar: „Wir fordern eine Wiederingebrauchnahme der VHS, nicht die Komplettsanierung, unter der andere Einrichtungen leiden würden.“
Ein weiterer positiver Aspekt der Idee von Jürgen Abeln: Sollte er tatsächlich investieren wollen, könnte die Stadt später kaum aufgrund von Unwirtschaftlichkeit versuchen, den Denkmalschutz der VHS loszuwerden und in Richtung eines Abrisses zu agieren. Bocklenberg stellt klar: „Nach dem Bürgerentscheid ist zwar geklärt, was demokratisch erwünscht ist, aber auf die Umsetzung kommt es an.“