Mülheim. . Gemeinnützige „Werkstatt Solidarität“ arbeitet seit zwei Jahren in Mülheim daran, Kinder von der Straße zu holen. Anlaufstelle in der Stadtmitte.

Wie viele Jugendliche in Mülheim auf der Straße leben? Für Peter Heemann, der die Werkstatt Solidarität führt, ist das kaum genau zu sagen. Doch allein seine gemeinnützige Einrichtung betreut derzeit 23 „Straßenkinder“ unter 18 in der Ruhrstadt, „einige Jugendliche sind nach Essen abgewandert, weil sie dort etablierte Strukturen vorfinden“, erläutert der Geschäftsführer Peter Heemann.

Die Werkstatt Solidarität ist an der Universität Dortmund vor rund 35 Jahren gegründet worden und arbeitet inzwischen mit der Jugendhilfe in vielen Städten zusammen. Dabei bietet die Werkstatt eine Mischung aus Wohnungs- und Straßenbetreuung durch Pädagogen und Streetworker an.

Neue Anlaufstelle an der Leineweberstraße

In Mülheim hat die Werkstatt nun eine offizielle Anlaufstelle an der Leineweberstraße 78 bezogen. Begonnen hat man mit der Jugendarbeit aber bereits vor zwei Jahren. Zunächst startete man mit drei Mitarbeitern und dem Ziel, die Straßenkinder in Privatwohnungen unterzubringen. Inzwischen beschäftigt die Werkstatt Solidarität neun Kollegen, die bei der Wohnungsvermittlung helfen und danach jeden Tag an 24 Stunden mit den Betreuten in Kontakt sind, „denn Krisen finden nicht innerhalb regulärer Arbeitszeiten statt“, meint Heemann.

Vermittelt werden die jungen Menschen über das Jugendamt. Bei etwas mehr als der Hälfte ist das gelungen, zwei Jugendliche suchen noch und drei sind in der Nachbetreuung, also über 18 Jahre alt und damit selbst rechtlich in der Lage, einen Mietvertrag einzugehen.

„Die Bildung eines eigenen Zuhauses ist ein entscheidender Schritt“, betont der Geschäftsführer der Werkstatt Solidarität. Viele Kinder, die auf der Straße leben, seien aus ihrem Elternhaus traumatisiert geflohen und kennen kein Zuhause. Sie stammen laut Heemann übrigens aus allen gesellschaftlichen Schichten.

Viele Vermieter haben Vorurteile

Damit einher gehen aber nicht selten Drogenkonsum und Beschaffungskriminalität. „Wer hingegen beheimatet ist, hat bessere Chancen nicht wieder delinquent zu werden. Das Gefühl, dann etwas verlieren zu können, ist wichtig.“

Doch so leicht ist die Wohnungsfindung nicht, viele Vermieter haben Sorge, mancher gar Vorurteile, dass die Jugendlichen ihre Wohnungen nicht pflegten. Das angemietete Lokal der Werkstatt Solidarität an der Leineweberstraße 78 soll eine verlässliche Ansprechstelle nicht nur für betroffene Kinder sondern ebenso für Vermieter sein.

Mülheimer Jugendamt spricht von Bedarf

Die Hausverwaltung „Grand City Property“ stellt das Ladenlokal für eine „verminderte Symbolmiete bereit, weil wir dieses Angebot der Werkstatt Solidarität für richtig und wichtig halten“, sagt Pressesprecherin Tanja Ehrlich. Auf diese Weise werde das „Miteinander im Quartier gestärkt“.

Das Jugendamt indes sieht, dass gute Arbeit mit Jugendlichen in Mülheim an vielen Stellen und von vielen Trägern geleistet werde, „der Bedarf ist da. Das Angebot der Werkstatt Solidarität erweitert das Setting der Jugendarbeit und die Möglichkeit, Straßenkinder unterzubringen“, begrüßt Stefan Sprenger vom Jugendamt die Fortsetzung der Zusammenarbeit.

>>> FOLGEN FÜR DIE SOZIALAUSGABEN

Die Zahl der in Mülheim von der Werkstatt Solidarität betreuten Jugendlichen ist stark gestiegen: Waren es Anfang 2017 noch 19 sind es Ende 2017 bereits 35. In Essen stieg ihre Zahl um fast ein Drittel.

Wo werden die im Ruhrgebiet wandernden Straßenkinder untergebracht? Für die Städte hat diese Frage mitunter Folgen für die Sozialausgaben. Mit dem 18. Lebensjahr werden sie vom Jobcenter erfasst, dann ist die Stadt, in der sie gemeldet sind auch finanziell zuständig.

Infos: www.werkstatt-solidaritaet-essen.de