Mülheim. . Bereits 1300 besorgte Angehörige meldeten sich bei der Stadt. Diese stellt klar: Ruhezeiten werden nicht eingeschränkt. Keine Zwangsumbettungen.

Rund 4000 Schreiben zum neuen Friedhofsentwicklungskonzept hat die Stadtverwaltung in den vergangenen Tagen verschickt und damit jede Menge Empörung, Sorgen und Ängste ausgelöst. Die Telefone in der Verwaltung stehen seit Tagen nicht mehr still, auch bei politischen Parteien melden sich viele aufgebrachte Bürger, deren Angehörige auf einem städtischen Friedhof liegen: Muss ich meinen Mann, meinen Vater oder meine Mutter umbetten lassen?

Die Ruhezeiten der Verstorbenen werden nicht eingeschränkt. Die Totenruhe bleibt in jedem Fall gewahrt. Jede Grabstätte bleibt bis zum Ende der Nutzungszeit bestehen. Keiner muss einen Verstorbenen umbetten lassen. Diese vier Punkte aus dem Konzept hebt das Friedhofsamt noch einmal besonders hervor. Angeschrieben worden sind alle Personen, deren Angehörige in Randbereichen der Friedhöfe bestattet worden sind.

Immer mehr Friedhofsfläche bleibt ungenutzt

Was ist beabsichtigt? Durch neue Bestattungsformen gibt es immer mehr Friedhofsflächen, die ungenutzt sind, aber weiter gepflegt werden müssen. Die Kosten ufern aus. Auf machen Felder gibt es nur noch einzelne Gräber. Die Stadt, und das hat die Politik mit großer Mehrheit beschlossen, will die Kosten eindämmen und in den nächsten Jahrzehnten die Bestattungen auf Kernbereiche der Friedhöfe konzentrieren. Dort sollen Gräberlücken vorrangig belegt werden.

Dies alles führt zu Beschränkungen bei der Belegung und der Vergabe neuer Grabstätten. Neue Grabstätten werden nur noch im Kernbereich vergeben. Eine Verlängerung bestehender Nutzungsrechte ist ohne Bestattungsfall nur noch im Kernbereich möglich.

Verlegung der Gräber nur auf eigene Kosten

Doch was ist mit Gräbern, die Familien für Jahrzehnte gepachtet haben und in denen mehrere Personen bestattet werden können und die eben nicht im Kernbereich liegen? Hier gilt: Eine Bestattung des Ehe- oder Lebenspartners sowie der Kinder unter zwölf Jahren wird auch künftig während der erworbenen Nutzungszeit möglich sein. Auch hier gilt für den Letztverstorbenen die Ruhezeit. Die Angehörigen können aber auch die Grabstätte in den Kernbereich verlegen lassen, und das auf Kosten der Stadt. Die sterblichen Überreste verblieben jedoch an alter Stelle. „Fake-Grab“ oder „Schein-Grab“ nennen das manche Angehörige. Eine Umbettung wäre erst nach Ablauf der Ruhefrist von 25 Jahren möglich – und auf eigene Kosten.

„Es geht bei dem Friedhofskonzept um einen förmlichen Akt, der in einer förmlichen Amtssprache dargestellt wurde. Das haben viele nicht verstehen können. Das bedauern wir“, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels. Ähnlich hat sich der zuständige Umweltdezernent Peter Vermeulen vor Politikern geäußert. Auch von denen sind einige aufgebracht, obwohl inhaltlich das Konzept nach wie vor befürwortet wird. „Es gibt in dem Schreiben so viele Ungereimtheiten. Es gibt Menschen, die fühlen sich regelrecht brüskiert“, kritisiert Hermann Stollen (Grüne) und hätte sich ein pietätvolleres Vorgehen gewünscht.

Politiker regen kulantes Vorgehen der Stadt an

In jedem Fall, so Daniel Mühlenfeld (SPD), sollten Härtefälle vermieden werden. Er wirft auch die Frage auf, ob sich die Stadt, wenn Umbettungen gewünscht sind, nicht kulant zeigen könnte. Roland Chrobok (CDU) fordert Einzelfallprüfungen, falls in Grabstätten weitere Familienangehörige neben dem Lebenspartner oder Kindern bis zu zwölf Jahren bestattet werden sollen.

>> ANHÖRUNG DER BÜRGER BIS ENDE JUNI

Rund 1300 Angehörige haben sich inzwischen bei der Stadt gemeldet und sind erneut beraten worden. Die Schreiben der Stadt, so Vermeulen, beinhalten eine Anhörung. Bis Ende Juni kann sich jeder zum Konzept äußern.

Die Stadt besitzt zehn Friedhöfe mit einer Fläche von 98 Hektar, 45 Hektar sollen in den nächsten Jahrzehnten wegfallen. Die jährlichen Betriebskosten betragen 4,5 Millionen Euro. Die Einnahmen decken nur 3,5 Millionen. Ziel der Stadt ist es, diese Lücke durch eine weniger aufwendige Pflege zu reduzieren.