Mülheim. . Stadt und Eigentümer überlegen, wie sie das bedeutende Steinbruch-Areal am Kassenberg entwickeln können. Allerdings im Geheimen.
Im Hintergrund arbeitet die Stadtverwaltung mit der Eigentümerfamilie an einem Masterplan zur Entwicklung des Steinbruchs Rauen. Über die Gespräche mit der Familie ist Stillschweigen vereinbart, doch klar dürfte schon jetzt sein: In exponierter Lage am Kassenberg gibt es einige Restriktionen für eine bereits vor mehr als einem Jahrzehnt diskutierte Wohnbebauung.
Dürftig ist die Informationslage zum Thema, das immer wieder die Öffentlichkeit streift, wenn die Stadt ihre Projektliste für eine Mülheimer Beteiligung an der internationalen Gartenbauausstellung (IGA) 2027 in der Metropole Ruhr aktualisiert und der Politik vorlegt – so jüngst am Dienstag, als die Planungspolitiker sich einverstanden erklärten, dass die Verwaltung sämtliche von ihr skizzierten 47 IGA-Projekte auf deren (finanzielle) Realisierbarkeit prüft.
Neue Grüne Mitte soll entstehen
Zwei der aufgeführten IGA-Projekte berühren den Steinbruch Rauen. Zum einen markiert das für die Öffentlichkeit gesperrte Steinbruch-Areal den westlichen Ausläufer einer neuen „Grünen Mitte“ Mülheims, die sich zwischen Innenstadt und Saarn über die Ruhr spannen soll. Der Stadt schwebt vor, in dieser neuen Mitte städtebauliche Akzente zu setzen: Im naturnahen Raum, der von Industrie- und Gewerbebrachen geprägt ist (alte Lederfabrik Lindgens, Ibing-Brauerei, Steinbruch), sollen mit den Flächeneigentümern und mit Investoren umweltgerechte Nachnutzungen konzipiert werden. Noch in diesem Jahr soll mit einem städtebaulichen Wettbewerb für das Lindgens-Areal ein Startpunkt gesetzt werden.
Der 30 Hektar große Steinbruch Rauen gilt seit Jahren ebenso als Potenzialfläche für hochwertiges Wohnen. In der IGA-Projektliste heißt es dazu, dass das Areal bis 2027 „ganz oder teilweise“ neu entwickelt sein könnte. Benannt wird insbesondere die Idee, Teile des bedeutenden Steinbruch-Geotops für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, „möglicherweise im Rahmen eines geologischen Museums“. Anfang des Jahrtausends gab es schon einmal ein städtebauliches „Zielkonzept“ für das Gelände, das neben Schutzgebieten auch Gewerbeansiedlungen und entlang der Holzstraße Teilbereiche sowie im nordöstlichsten Zipfel des Geländes Wohnbebauung vorsah.
Geologisches Museum?
Bei einer Führung im September 2018 konnte eine beschränkte Zahl an Bürgern vor Ort erkunden, welch grandioses Geotop sich hinter den Absperrungen verbirgt. „Da kannste einen Karl-May-Film drehen“, staunte ein Besucher beim Anblick der Naturschönheit, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat. Eidechsen flitzen umher, Greifvögel haben sich hier niedergelassen. Ein Teil des Geländes steht unter Naturschutz, einem anderen kommt wegen seines Fossilienreichtums gar internationale Bedeutung zu. Hier, wo sich in Millionen Jahren drei Kilometer Sediment übereinander getürmt haben, treffen Münsterländische Kreidebucht und Rheinisches Schiefergebirge aufeinander.
Die Südgrenze des Ruhrkarbons verlaufe genau durch das Gelände, erläuterte Geograf Till Kasielke vom Verein Geopark Ruhrgebiet staunenden Besuchern im September. Kohle-, Ton- und Sandstein sind im Steinbruch zu finden. Und allerlei Brandungsgeröll aus der Kreidezeit, denn, so weiß Kasielke zu erzählen: Das Ruhrgebiet darf man sich vor 90 Millionenen Jahren, zur Kreidezeit, „als tropischen Karibikstrand vorstellen“. Die Brandung in Broich habe allerlei fossilienreiche Schichten entstehen lassen. Ammoniten, Haifischzähne und andere Fossilien zeugten davon.
Viel Schützenswertes auf Areal
Das alles gilt es zu schützen. So gibt die Stadt vor, das Areal über einen Masterplan behutsam entwickeln zu wollen, mit besonderem Fokus auf Natur- und Artenschutz. Planungsdezernent Peter Vermeulen führt dazu Gespräche mit der Eigentümerfamilie Rauen. Weder er noch die Familie wollen aktuell einen Sachstand abgeben. Womöglich noch in diesem Jahr, so Vermeulens Referent Klaus Beisiegel, könnte ein Masterplan-Entwurf aber in die politische Diskussion kommen.
>>Die Hermann Rauen GmbH (vormals Steinhandel Rauen) blickt auf eine lange Geschichte zurück. Das Unternehmen zählt zu den zehn ältesten Firmen der Stadt. Schon 1888 wurde im Steinbruch Rauen Ruhrsandstein abgebaut.
In vierter Generation wird die „Rauen-Gruppe“ aktuell von drei Gesellschaftern geleitet: Birgit Rauen, Ingrid Manthei (geb. Rauen) und Hans-Joachim Rauen.
Die Rauen-Gruppe zählte zuletzt zu den größten Baustoffhändlern des Ruhrgebiets. Im Steinbruch selbst gibt es aber nur noch wenige Aktivitäten. Es werden insbesondere noch Ruhrsandstein-Blöcke für Restaurierungen alter Bausubstanz wie am Schloß Broich abgebaut.