Huch – wo ist sie denn? Die zierliche Kreuzkröte sieht man kaum auf der Hand. „Jetzt hat sie Herzrasen“, glaubt Thorald vom Berg vom Amt für Umwelt- und Naturschutz zu spüren, der die olivfarbene Amphibienfrau mit dem hellen Strich auf dem Rücken behutsam in seiner Hand hält.
Es sind ihre 15 Minuten Ruhm, doch die plötzliche Aufmerksamkeit, vor allem die starrenden Kameraaugen, bekommen ihr wohl nicht. Sie hüpft lieber zu Boden – „ooohh...“, rufen 28 Stimmen mitfühlend.
Keine Bange, der putzigen, wenn auch reichlich runzeligen Krötendame ist nichts passiert. Man findet sie und ihre Artgenossen hier, auf dem Gelände des Steinbruchs Rauen, wo sie zwischen den von Metallspuren rostbraun oxidierten Steinen kaum auffallen und außerdem Unterschlupf finden. Die karge Landschaft mit den kleinen Pfützen zum Ablaichen ist für sie ideal, erläutert vom Berg, inzwischen sei diese fast ein wenig zu üppig bewachsen. Pflanzen wie etwa dem Buschflieder müsse man hin und wieder beikommen, um die schutzwürdige Vielfalt im Steinbruch zu erhalten: „Kreuzkröten stehen auf der Roten Liste“, so der Mann vom Naturschutz. Regelmäßig lässt die Stadt ihren Bestand kontrollieren und meldet ihn dann nach Brüssel.
Diesen und anderen ungeahnten Reichtum stöberte die Wandergruppe des Saarner Bücherfrühlings am Samstagnachmittag auf, dabei hatten die Veranstalterinnen Ursula Hilberath und Brigitta Lange diesmal „einen steinigen Weg“ angekündigt. Die Überraschung ist jedoch gelungen. Verwunderte „aahs“ und „oohs“ sind auch zu hören, als Diplom-Geologin Ulrike Marx vom Referat Umwelt der Stadt die verschiedenen Steinformationen erläutert. „Mülheim lag einmal am Meer“, zeigt sie auf einen Hang, „und am Äquator“.
Das wissen die Bewohner zwar spätestens seit dem Stadtjubiläum. Im Querschnitt durch den Steinbruch sieht man aber genau die Schichten, die, so Marx, zwischen 13 000 und 320 Millionen Jahre alt sind. Tonsteine, Sandsteine, Braunkohle, „entstanden durch Ton, Sand und Pflanzen, die sich im Mülheimdelta im Wechsel aufgeschichtet haben“, so die Geologin. Zuletzt vor 30 Millionen Jahren. „Hier haben einmal Schachtelhalme gestanden“, erkennt Marx an den Abdrücken im Stein, dann schwingt sie eine kleine Spitzhacke und schlägt einen diskusförmigen Stein auf: „Brandungsgeröll.“ Von dem einstigen Meer blieb, wenn man so will, nur ein Teich auf dem Gelände.
Die Steine, aus denen Mülheimer zum Teil ihre Gebäude errichteten, waren der Grund für die Bergarbeiten am Heuweg. Hier, wie an vielen anderen Orten in der Stadt, begann man vor 120 Jahren ebenso, Ziegel aus Ton zu brennen. Der eindrucksvolle Ringofen mit seinem hohen Turm zeugt noch davon, wenngleich er seit über 30 Jahren stillgelegt ist, wie Geschäftsführerin Ingrid Manthei verrät. „Eigentlich ein idealer Ort für Fledermäuse“, wundert sich vom Berg, „doch nix, sie nehmen es nicht an.“ Brigitta Lange entschädigt mit Christian Morgensterns „Der alte Steinbruch“: „Und der Unken Urgroßahne – niemand weiß, wann Gott ihn schuf – ruft, dass er sein Weibchen mahne, seinen dunklen Werberuf.“ Die kleine Kreuzkröte hat sich derweil schon aus dem Staub gemacht. „Wacker, Mädel!“, feuert sie eine Dame an.