Peter Beitz will sich von VHS in der Müga trennen. Auch auf die Straßenbahnen könne man verzichten sowie auf hohe personelle Ausstattung der OGS.
Mülheim. Der Haushalt für das nächste Jahr steht an. Die wichtigste kommunalpolitische Aufgabe. Die FDP gilt dabei jedoch immer als Verweigerer, der nur kritisiert. Warum machen sie nicht mit?
Beitz: Wir machen sehr wohl mit. Wir bringen uns in alle Etatberatungen mit ein. Im Ergebnis gibt es jedoch nie wenigstens mal zwei, drei Punkte, die in unsere Richtung gehen. Am Ende werden immer nur die Steuern erhöht oder die Beiträge. Was ist das für ein Zeichen nach draußen, etwa an die Unternehmen. Es geht nie um echte Einsparungen.
Wo würden Sie denn echt sparen wollen?
In jedem Bereich der Verwaltung sind 15 Prozent Einsparungen drin. Dann sollten wir uns endlich einmal über Ausstattungsniveaus in der Stadt unterhalten. Wenn eine Küche für einen Kindergarten 50 000 Euro kostet, läuft etwas falsch. Wenn eine Brücke doppelt so teuer wird, wie ursprünglich berechnet, läuft etwas falsch. Und was die Standards bei der Personalausstattung angeht, etwa bei der offenen Ganztagsschule, kann ich nur sagen: Wenn man es sich leisten kann, ist eine hohe personelle Ausstattung sicher gut. Aber wir können es uns nicht mehr leisten. Und beim Sparen denke ich natürlich vor allem auch an den ÖPNV.
Darüber redet Mülheim schon seit Jahren. Wo würden Sie da ansetzen?
Wir fahren mit teilweise leeren Bahnen durch die Gegend. Zum Beispiel auf dem Kahlenberg-Ast. So etwas sollte aufgegeben werden, und die Bezirksregierung sollte sich da nicht querstellen, weil es mal Fördergelder für die Strecke gegeben hat. Wir brauchen im Nahverkehr flexiblere Angebote, und das geht mit Bussen eher als mit Bahnen. Außerdem sind Busse um den Faktor zehn billiger.
Derzeit geht es auch darum, ob die Ruhrbahn für weitere 22 Jahre die Fahrleistungen direkt wieder erhalten soll – ohne Ausschreibung. Wäre das für Sie in Ordnung?
Das erinnert mich an Planwirtschaft wie in Nordkorea. Der das beste Angebot macht, sollte die Dienstleistungen auch erbringen. Die Anforderungen können in der Ausschreibung klar benannt werden. Generell würde ich jedoch nie einen Vertrag über 22 Jahre machen.
Gewerkschaften fürchten dabei um Arbeitsplätze, wenn keine Direktvergabe an die Ruhrbahn erfolgt.
Dies halte ich für unbegründet. Wer eine Ausschreibung gewinnt, braucht doch auch Personal, das hält er doch nicht vor.
Ein Sorgenkind ist die sinkende Gewerbesteuer. Der Rat hat sich durchgerungen, etliche Grundstücke für mögliche Firmenansiedlungen freigegeben. Reicht das, um die Engpässe bei Neuansiedlungen zu beheben?
Ich sehe vor allem noch große Potenziale auf den Arealen von Mannesmann, Europipe. Da ist noch richtig Platz, wenn sich die Unternehmen dort von Teilen der Grundstücke trennen würden, die sie nicht nutzen. Es müsste nur einer mit denen mal auf Augenhöhe reden.
Wer wäre das?
Der Oberbürgermeister.
Wie bewerten Sie die Spesenaffäre des OB?
So etwas hätte man auf dem Parteitag der SPD regeln und klären können, aber nicht stundenlang den Rat damit befassen müssen. Entscheidend ist doch jetzt, waren die umstrittenen Termine dienstlich oder nicht? Ich habe bei der ganzen Affäre noch nie eine so schlecht aufgestellte SPD gesehen.
Die SPD widmet sich derzeit verstärkt der Kinderarmut in Mülheim. Wie bewerten Sie das Problem, dass nirgends der Anstieg so hoch ausfällt wie hier in Mülheim?
Wer durch die Welt reist, wird feststellen, dass es in Mülheim keine Kinderarmut gibt. Über was wir klagen, ist ein statistisches Problem. Was es gibt, ist eine Schere in Mülheim. Wir sollten daher dafür sorgen, dass die Kinder alle gleiche Startchancen bekommen. Talentschulen etwa sollten nicht dorthin, wo es gut läuft, sondern in Stadtgebiete, wo es Probleme gibt.
Ein Aufreger war jüngst wieder mal der Ruhrstrand, für den immer noch nicht alle Genehmigungen vorliegen und noch nicht alle Auflagen erfüllt sind. Ist das für die FDP, die sich stets über ausufernde Bürokratie aufregt, ein gefundenes Fressen?
Es ist in jedem Fall ein gutes Beispiel dafür. Was das allein an Arbeitskraft und Zeit kostet! Ich kann den Mülheimer nur empfehlen: Macht es! Springt bei gutem Wetter in die Ruhr, so wie es frühere Generationen auch getan haben.
Ein anderer Konflikt: 11 000 Bürger wollen die VHS in der Müga halten, und der Rat lehnt deren Bürgerbegehren ab.
Wir müssen uns an die Rechtsgrundlage halten, von daher war die Entscheidung richtig. Warten wir doch erst einmal ab, wie die Kurse an der Aktienstraße angenommen werden. Wir können unmöglich so viel Geld in einen Standort investieren, um das Gebäude in der Müga zu sanieren. Für mich ist das dort auch kein Denkmal. Das ist VHS-Beton, den es hundertmal in Deutschland gibt. Das ist eine hervorragende Lage, mit dem Grundstück in der Müga könnte die Stadt Geld verdienen. Aus Sicht der FDP sollte VHS dezentral in den Stadtteilen stattfinden, abends in den Schulgebäuden.
Werfen wir noch ein Blick auf zehn Jahre Innenstadtumbau: Ein geglücktes Projekt?
Die neue Promenade wird angenommen, das ist gut. Verkehrstechnisch haben wir immer noch Probleme: Es kann nicht sein, dass ich drei Mal links abbiegen muss, wenn ich eigentlich nach rechts will. Ich finde, wir sollten auch darüber nachdenken, ob wir nicht die Schloßstraße wieder für den Autoverkehr öffnen. Das war die erste Fußgängerzone Deutschlands, aber heute gibt es dort so viel Unzufriedenheit. Mülheim – die Autofahrerstadt, das könnte die Innenstadt beleben.
Gilt noch der Slogan: Mülheim – die sympathische Stadt an der Ruhr!
Ja, insgesamt sind die Mülheimer ein sympathisches Volk.
>> DIE FDP-FRAKTION IM STADTRAT
Die FDP verfügt im Stadtrat über drei Sitze. Sie hat in diesem Jahr einen Umbruch erlebt, nachdem Christian Mangen in den Landtag gewählt wurde und Meike Ostermann aus privaten Gründen in einen andere Stadt verzogen ist. Neben Fraktionschef Peter Beitz gehören die beiden Neulinge Joachim vom Berg und Markus Schulz zum Ratsteam.