Mülheim. . Streit um die Einrichtung des Badestrandes spitzt sich zu. Nachbarn fürchten, dass das Schutzgebiet zum Tourismuszentrum wird. Stadt kontert.
Seit wenigen Tagen hat die Stadt ein weiteres Verbotsschild am Ruhrstrand in Saarn aufstellen lassen: Nach dem Baden ist jetzt auch Grillen jenseits der drei ausgewiesenen Steinplätze verboten. Außerdem wird eine Beschallung nur noch auf Zimmerlautstärke geduldet und Verstöße werden konsequent mit Bußgeldern geahndet.
Doch Bürgern in der Nachbarschaft reicht das nicht: Sie haben jetzt Anwälte in Hamburg beauftragt, Beschwerde bei der EU zur Sicherung des Fauna- und Flora-Gebietes (FFH) „unmittelbar vorzunehmen“. Der Ruhrstrand ist von einem Naturschutzgebiet umgeben.
Bis zu 400 Personen
Der Konflikt schwelt seit vielen Jahren – mit zunehmender Beliebtheit des Ruhrstrandes zugespitzt. Der Mülheimer Sportservice ist seit Jahren unter großen Anstrengungen dabei, am Ruhrstrand nun auch einen Badestrand anzulegen. So wollen es viele Mülheimer und die meisten Politiker in der Stadt. Im nächsten Jahr soll es soweit sein.
Vertreter der Pia -Stiftung, die vor Ort als eine Art Aufsicht Tische und Bänke verleihen, Grillkohle verkaufen und Getränke auf Bestellung besorgen, sprechen von bis zu 400 Personen, die an schönen Tagen das Areal jetzt schon aufsuchen. Anwohner fürchten, dass aus dem Landschaftsschutzgebiet ein Zentrum für Tourismus wird – „ohne Brandschutzvorkehrungen, ohne Bürgerbeteiligung, ohne Verkehrskonzept, ohne Genehmigung der Bezirksregierung und gegen EU-Gesetze“, kritisieren sie.
Sie fürchten noch mehr negative Auswirkungen auf die Umgebung: Lärm, Müll, Feuer, verscheuchte Tiere, zertretene Pflanzen. Wo bleibt der Schutz, fragen die Anwohner.
Die Missstände im Blick
Das Ordnungsamt und das Umweltamt der Stadt haben die Probleme im Blick: „Die aktuelle Entwicklungslage bei den Grillplätzen am Ruhrbadestrand finde ich ebenso besorgniserregend, so dass ich die in Rede stehenden Missstände aus Sicht des Ordnungsamtes fortlaufend thematisiere“, erklärt etwa Abteilungsleiterin Kerstin Kunadt gegenüber den Anwälten in Hamburg. Und sie versichert, dass Verstöße gegen das Natur- und Landschaftsschutzgesetz mit Bußgeldern geahndet würden. Ab sofort wird kontrolliert. Aus Sicht der Anwohner wurde das höchste Zeit.
Für den Badestrand müssen zahlreiche Genehmigungen eingeholt werden, es werden Sträucher entfernt, Steine aus dem Ufer herausgenommen, um einen gefahrlosen Zugang ins Wasser zu ermöglichen. Es werden Toilettenhäuschen installiert. Eine Fällung der dortigen Pappeln auf dem Gelände ist derzeit und schon gar nicht in der Schonzeit vorgesehen, betont die Leiterin des Mülheimer Sportservice, Martina Ellerwald.
EU soll das FFH-Gebiet schützen
Die Kritiker sind davon alles andere als begeistert. Ihre Meinung: Wenn die Stadt es nicht schafft, das FFH-Gebiet zu schützen, muss es die EU tun.
In der Stadtverwaltung sieht man dem Widerstand gelassen entgegen: „Der Ruhrstrand gehört nicht zum Naturschutzgebiet“, betont Umweltamtsleiter Dr. Jürgen Zentgraf und erinnert daran, dass bei der Aufstellung des Landschaftsplanes im Jahr 2005 die Stadt mit der Bezirksregierung das Gelände des Ruhrstrandes extra aus dem FFH-Gebiet ausgeklammert habe – für Erholungssuchende. Da sich der Ruhrstrand aber im Landschaftsschutzgebiet befindet, sind eine Ausweisung als EG-Badegewässer und eine naturschutzrechtliche Befreiung erforderlich. „Die naturschutzrechtliche Befreiung liegt uns vor“, sagt Martina Ellerwald. Auf die wasserrechtliche Genehmigung der Bezirksregierung warte man noch. Sobald die vorliege, erfolge die Anmeldung als EU-Badegewässer.
Besucher umlenken
Der Landschaftspflegerische Begleitplan sei erstellt, die Artenschutzprüfung erfolgt und durch die Untere Naturschutzbehörde geprüft. Die Stadtverwaltung hat sich zum Ziel gesetzt, den Schutz der Natur und das Erholungsbedürfnis an der Ruhr in Einklang zu bringen. Durch die Einrichtung des Badestrandes will sie auch erreichen, dass die Besucher, die sich bisher im Naturschutzgebiet aufgehalten haben, in den Bereich der Badestelle und der dazugehörigen Freizeitanlage gelenkt werden.
Ob es zum Baden in Ruhr im nächsten Jahr kommt? Politiker mehrerer Fraktionen sagen, dass es überfällig sei. Die Anwohner dagegen wollen hartnäckig bleiben: „Da der politische Wille gegen das FFH-Gebiet, für Baden in der Ruhr steht, werden alle juristischen Mittel ausgeschöpft werden müssen.“
>>> ERSTE REAKTIONEN
Erste Reaktionen aus der Politik zu den verstärkten Kontrollen in den Ruhrauen fallen positiv aus: „Die Ruhrauen sind nicht länger weitgehend rechtsfreier Raum“, sagt etwa so Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert.
Den Ruhrstrand gibt es seit den 1930er Jahren. Viele Mülheimer haben dort in der Ruhr das Schwimmen gelernt.