Mülheim.. Felix Blasch übernimmt im März das Stadtplanungsamt. Der 38-Jährige will sein Amt für Bürgerbeteiligung weiter öffnen – und aus Fehlern lernen.
Heute noch kommissarisch, morgen ganz offiziell: Felix Blasch steigt auf zum Leiter des Amtes für Stadtplanung, Bauaufsicht und Stadtentwicklung. Erst seit 2014 in Mülheims Technischem Rathaus tätig, übernimmt der 38-Jährige nun von seinem Vorgänger Jürgen Liebich. Wir sprachen mit ihm über Bürgerbeteiligung, die Innenstadt, Wohnungsbau in der grünen Stadt am Fluss und den Unwillen, in Visionen zu denken.
Sie starten als oberster Stadtplaner in einer Zeit, in der Mülheim überschuldet ist. Gerade erst hat der Kämmerer wieder ein 35 Millionen Euro großes Haushaltsloch festgestellt. Das muss doch frustrierend sein. . .
Felix Blasch: Natürlich wäre es mein Wunsch, mehr Dinge auf den Weg bringen zu können, aber wir haben hier nun mal beschränkte Spielräume, finanziell wie personell. Städte im Ruhrgebiet können da nicht so aus dem Vollen schöpfen wie etwa Kommunen in Süddeutschland. Die können Projekte finanzieren, da können wir nur von träumen. Mit viel Geld und Leuten ist es einfach, hier ist es eine Herausforderung, möglichst viel zu erreichen. Wir sind gezwungen, andere Wege zu gehen, etwa für die Innenstadt. Da müssen wir mehr Grips reinstecken. Bei der Fortschreibung des Innenstadt-Konzeptes müssen wir jetzt priorisieren. Man wird nicht alles machen können.
In den vergangenen fünf Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass diese Erkenntnis noch nicht gereift war. Vieles wurde in der Innenstadt angepackt, vieles blieb aber, nicht nur wegen Geldmangels, Stückwerk. Man denke nur daran, was aus der gewünschten Belebung und Gestaltung des Rathausmarktes geworden ist.
Es wird eine Herausforderung sein, sich auf Gutes zu fokussieren. Wir müssen für die Innenstadt künftig schauen, dass wir ein breiteres Themenspektrum bedienen. Nicht nur den Tiefbau oder die Gestaltung von Plätzen, auch die Bereiche Kultur, Bildung oder Sicherheit.
Der Rathausmarkt sollte wieder Mülheims gutes Stube werden, mit einem Café samt Sonnendeck. Jetzt steht er weiterhin halb voll mit Blech. Da hatten sich Bürger, die 2012 ausdrücklich nach ihren Ideen gefragt worden sind, was ganz anderes vorgestellt.
Bürgerbeteiligung muss man machen, wir bekommen etwa in Bebauungsplanverfahren immer wieder gute Hinweise, aufgrund derer wir unsere Planungen verändern. Wir versuchen es umzusetzen, wenn es geht. Nicht alles aber ist umsetzbar. Was wir gelernt haben: Wir müssen den Bürgern unseren Abwägungsprozess begreifbar machen. Dann können die Leute verstehen und nachvollziehen, warum einer ihrer Vorschläge nicht zur Umsetzung kommt. Auf diese Weise kann Stadtplanung Akzeptanz schaffen. Wir haben uns für die jetzt anstehende Bürgerbeteiligung zum Innenstadt-Konzept vorgenommen, diese Dinge sichtbarer zu machen.
Der Streit etwa um den Erhalt der Alleebäume an der Leineweberstraße ist erst spät nach der ersten Bürgerbeteiligung entfacht.
Ja, viele Bürger haben erst spät mitbekommen, dass wir jeden zweiten Baum herausnehmen wollten. Wir wollen die Kommunikation jetzt verstärken, zur Fortschreibung des Innenstadt-Konzeptes alle Kanäle bespielen. Es hat sich bei der Leineweberstraße auch gezeigt, dass es wichtig ist, vor Ort präsent zu sein, um direkt Leute anzusprechen, die dort des Weges sind. Das hat bei den Planungen für die Ostruhranlagen sehr gut funktioniert.
Schwierige Suche nach Bauland
Das Grün der Stadt ist ein hoher Wert. Geben Sie einen Ausblick auf die Wohnbauplanung!
Es gibt Bedarf an neuer Wohnbebauung. Wir müssen sehen, wie wir ihn decken können. In Mülheim gibt es nur noch schwierige Flächen – und Veränderungen produzieren Abwehrhaltung. Das müssen wir aushalten und moderieren.
So wie aktuell an der Diepenbeck?
Da sind noch viele Dinge zu klären, jetzt war ja zunächst einmal die frühzeitige Bürgerbeteiligung. Kritik gibt es in jedem Planverfahren und das ist erst mal völlig in Ordnung
Wird es ein neues 100-Häuser-Programm für junge Familien geben?
Das geht nur auf städtischen Flächen, die müsste der Kämmerer zur Verfügung stellen. Da haben wir keine Planungen in der Tasche. Am Mühlenfeld/Auf der Wegscheid sind Häuser im Bau, auch an der Friedhof- und Hundsbuschstraße. Nun kommt die Rudolf-Harbig-Straße auf den Markt. Wir werden auch in Zukunft solche Projekte haben. Es gibt ja etwa die bekannten Potenziale rund um das Lindgens-Areal. Mal sehen, wie der neue Regionalplan aussehen wird. Wir waren da aber sehr zurückhaltend bei der Flächenausweisung.
Zur Flughafenentwicklung lässt die Debatte um die Feldlerche und Ed Sheeran erahnen, dass es dort auch große Konflikte zwischen Bauinteressen und Umwelt geben wird.
Es wird dort natürlich auch einen großen Teil geben, der nicht bebaut wird, das hat der Zwischenbericht zum Masterplan gezeigt. Es ist jedem bewusst, dass Landschaft und Freiräume ihre Qualität haben.
Mülheim soll attraktive, grüne Wohnstadt bleiben
Wenn Sie mal gehen: Was soll da aus Mülheim geworden sein?
Mir wäre es wichtig, wenn ich in der Rückschau sagen könnte, dass ich selber zufrieden mit dem Erreichten bin. Anderen will ich kein Urteil in den Mund legen. Wenn wir es schaffen, dass Mülheim weiter eine attraktive, grüne Wohnstadt bleibt und wir uns Zukunftsthemen wie Klimawandel und Demografie erfolgreich gestellt haben, wäre ein wichtiges Ziel erreicht. Natürlich haben wir auch strategische Projekte wie die am Flughafen und in der Innenstadt oder den Masterplan Industrie und Gewerbe, mit dem wir mittel- bis langfristig anstreben, die gewerbliche Entwicklung zu sichern.
Keine Vision für Mülheim?
Bei Visionen habe ich im Hinterkopf, dass man was ganz Großes schafft. Dafür haben wir nicht die Ressourcen. Wir entwickeln lieber Qualitäten im Kleinen, etwa mit dem Handlungskonzept Dümpten, als unerreichbaren Visionen nachzulaufen. Es geht um strategische Konzepte für die Stadtteile, darum, dort Erneuerungsprozesse in Gang zu setzen. Die sind für uns eher umsetzbar als Visionen. Es ist der richtige Weg, kleinräumig, quartiersbezogen zu agieren.
Also braucht Mülheims Chefplaner keine Vision, um im Job glücklich zu werden?
Nein. Meine Kollegen hier sind alle sehr motiviert, sie haben tolle Ideen. Es herrscht eine tolle Atmosphäre im Amt. Es haben viele junge Kollegen angefangen, so haben wir hier eine gute Mischung aus erfahrenen und neuen Leuten. Da macht die Arbeit viel Spaß.