Mülheim. . Die Stadt profitiere wegen ihrer Gewerbeflächen-Not zu wenig vom Wachstum, warnt Mülheims Chef-Wirtschaftsförderer Schnitzmeier.
Die Digitalisierung und die Förderung von Innovationen sollen laut Geschäftsführer Jürgen Schnitzmeier im Jahr 2018 die Schwerpunktthemen der Wirtschaftsförderung Mülheim & Business (M&B) sein. Angesichts der immer stärker durchschlagenden Strukturkrise der heimischen Industrie treibt den Chef-Wirtschaftsförderer allerdings eine alte Sorge noch stärker um als bisher schon: Es fehlt Platz für Ansiedlungen von Gewerbebetrieben, die für die Zukunft Arbeitsplätze bieten könnten, die an anderer Stelle wegbrechen.
Ein weiteres Jahr ist vorbei – und die größeren Ansiedlungserfolge, die für Mülheim zu verbuchen sind, sind wieder nur an einer Hand abzuzählen. Aldi Süd setze seinen Expansionskurs für die international ausgerichtete Firmenzentrale in Mülheim unvermindert fort, benennt Schnitzmeier ein Highlight. Die PVS (Private Verrechnungsstelle) baut ein neues Verwaltungsgebäude, Turck wächst und erweitert in Heißen, auch Elomech nennt er.
Schwierigkeiten, mehr Platz in Mülheim zu finden
Dass der Wirtschaftsstandort aber etwa von der zuletzt wieder rasanten Expansion des Heißener Klimatechnik-Experten Menerga zehren kann, ist schon als glücklich zu bezeichnen. Menerga hatte immense Schwierigkeiten, für sein Wachstum Platz in Mülheim zu finden. Zwei Jahre lang dauerte die Hängepartie, das Unternehmen dachte zwischenzeitlich schon an Abschied. Bis sich dann doch noch die Möglichkeit auftat für einen Hallen- und Verwaltungsneubau an der Alexanderstraße. Eine Investition von acht Millionen Euro bleibt nun doch in der Stadt.
„Leider kommen wir mit den im letzten Jahr gemeinsam mit Flächeneigentümern und Unternehmen angegangenen Flächenmobilisierungen und Revitalisierungsprojekten nur sehr mühsam voran“, sagt Schnitzmeier. Laut Oberbürgermeister Ulrich Scholten, dem M&B-Aufsichtsratsvorsitzenden, locken die weiterhin niedrigen Zinsen Eigentümer, die auf reaktivierungsfähigen Brachflächen sitzen, auch nicht gerade dazu, Kasse zu machen durch Grundstücksverkäufe.
85 Anfragen von Unternehmen für Grundstücke
2017 zählte M&B 85 Anfragen von Unternehmen für unbebaute Grundstücke. 136 Hektar Fläche seien nachgefragt worden. Zu bieten habe man allerdings nur noch rund 6,6 Hektar, verteilt auf vier Flächen.
Schnitzmeier sieht den Flächenmangel als großes Risiko. „Während Mülheim in den 60er Jahren als erste zechenfreie Stadt im Ruhrgebiet von den damaligen Expansionen des Mittelstandes am stärksten profitieren konnte, droht die Stadt derzeit zum großen Verlierer der auch regional anhaltenden Expansionsphase zu werden.“ Schnitzmeier kündigte an, weiter bohren zu wollen, damit ungenutzte Areale dem Markt zugeführt werden können. „Wir müssen schauen, dass wir vom Boom noch etwas abbekommen“, verweist Schnitzmeier auch darauf, dass ein Masterplan Industrie und Gewerbe in Arbeit sei.
Gespannt auf den Masterplan-Prozess
Der Vize-Aufsichtsratsvorsitzende von M&B, Heinz Lison als Vertreter der heimischen Wirtschaft, blickt derweil „gespannt“ auf den Masterplan-Prozess für die künftige Nutzung des Flughafen-Areals. Es werde hierzu sicher noch „scharf diskutiert“ werden, sagt er und fordert, „dort auf jeden Fall einen wesentlichen Gewerbeflächenanteil zu bevorraten, damit wir bei Ansiedlungen auch wieder mitspielen können“. Nur, das weiß auch Lison: Realistisch sei, dass sich nicht schon 2024, sondern erst 2034 vor Ort etwas entwickeln lasse.
Oberbürgermeister Scholten gibt sich zu Lisons Wünschen noch zurückhaltend. Die Restriktionen, die eine Flächenentwicklung am Flughafen definierten, würden erst noch aufzeigen, was wo faktisch überhaupt möglich sei.
Gewerbe am Flughafen: noch ferne Zukunftsmusik. Die Gewerbeflächennot hingegen: hoch aktuell.
600 Arbeitsplätze mehr Anfang 2018
5700 Produktions- und Dienstleistungsunternehmen zählt die Wirtschaftsförderung in Mülheim.
„Unter dem Strich gibt es Anfang 2018 mit 59 600 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 600 Arbeitsplätze mehr in unserer Stadt“, zieht Geschäftsführer Jürgen Schnitzmeier Bilanz für das vergangene Wirtschaftsjahr.
Mit 5,029 Milliarden Euro ist die Bruttowertschöpfung taxiert.