Mülheim. . Über 400 Tiere mussten im vergangenen Jahr versorgt werden. Ein ganz besonderer Einsatz im Berufsleben von Tierheimleiterin Marion Niederdorf.
Es gibt Ereignisse im Berufsleben, an die erinnert man sich noch nach vielen Jahren. Marion Niederdorf ist seit 1991 in der Tierheimleitung tätig, doch jenen Tag im November 2016 dürfte sie nicht mehr vergessen. „Ein paar Chinchillas“ müssten abgeholt werden, so lautete der Auftrag. Dass das Veterinäramt der Stadt Tiere aus nicht artgerechter Haltung, aus tierschutzwidrigen Umständen herausnimmt, kommt immer mal vor.
Marion Niederdorf, die das Städtische Tierheim leitet, schickte eine Kollegin mit dem Dienstwagen raus. Und die rief kurze Zeit später um Hilfe: „Wir brauchen den Anhänger.“ Nicht nur ein paar – 364 Chinchillas hatte man in zwei Häusern am Nachbarsweg gefunden und sichergestellt. „Bis 23 Uhr am Abend hat es gedauert, bis wir die Tiere im Tierheim hatten und alle mit Wasser und Futter versorgt waren“, erinnert sich Marion Niederdorf. Alle Kollegen seien im Einsatz gewesen, „auch die, die eigentlich Urlaub hatten“.
Käfige in Dreierreihen aufeinandergestapelt
Zum Glück wurde eins der Katzenhäuser nicht gebraucht, weil es gerade nur wenige Fundkatzen gab. So konnten dort die Käfige erst einmal rein: Aufeinandergestapelt in Dreierreihen. Das Wiegen, Untersuchen, Fotografieren der Chinchillas dauerte noch einmal zwei Tage. „Die waren alle lieb, keines hat gebissen“, erinnert sich Marion Niederdorf. Viele hatten jedoch Bissverletzungen, Darmparasiten, waren dehydriert oder unterernährt, hatten Lungeninfektionen. Einige waren so krank, dass sie nicht überlebt hatten oder eingeschläfert werden mussten.
Kaum zwei Wochen später dann der nächste Fall: Aus einem Wohnmobil in Saarn wurden weiter 53 Chinchillas gerettet. Über 400 der meerschweinchengroßen Nager – das sprengt die Räumlichkeiten des Tierheims bei weitem. „Das war“, erinnert sich Marion Niederdorf, „ein Kraftakt für alle Beteiligten.“ Zudem die Stadt als erstes noch größere Käfige in ausreichender Zahl kaufen musste – und künstliche Höhlen, Futternäpfe, Tränken, Sandschalen, Futter, Streu.
Chinchillas sind anspruchsvoll in der Haltung
Einige der sichergestellten Tiere waren gar in engen Transportkäfigen gehalten worden, erinnert sich Marion Niederdorf, teils ohne Sandbad, teils ohne Trinkflasche. Chinchillas, erklärt sie, sind anspruchsvoll in der Haltung. Sie zeigt auf eine angemessene Voliere, wo sich noch zwei der insgesamt vier in Mülheim verbliebenen Tiere tummeln: 180 cm hoch, ca. 80 cm tief, ca. 110 cm breit. Mit einem Sandbad, das die aus Chile stammenden Nager zur Fellpflege dringend benötigen, Klettermöglichkeiten sowie einer Höhle zum Verkriechen für die nachtaktiven Tiere. Von Anfang an sei die Hilfsbereitschaft sehr groß gewesen, erinnert sich Marion Niederdorf: Viele Bürger haben gespendet, auch von außerhalb der Stadt Mülheim.
Die damals leer stehende Turnhalle der Schule am Wenderfeld in Dümpten wurde zur Verfügung gestellt und beheizt: Dort wurden die neuen Käfige so gestellt, dass sich Gänge bildeten, immer drei übereinander, erzählt Marion Niederdorf. Die beiden Pflegekräfte, die die Stadt für vier Monate extra für die Pflege der über 400 Tiere angestellt hatte, mussten sich dann noch um 20, 30 Chinchillas zusätzlich kümmern: Etliche Weibchen waren trächtig ins Tierheim gekommen und hatten dort geworfen. Ein bis zwei Junge hat ein Chinchilla, erzählt Marion Niederdorf, die Kleinen kämen ziemlich selbstständig und schon mit Fell auf die Welt und fressen schon allein.
Pflegekräfte waren von morgens bis abends beschäftigt
Füttern, tränken, Medikamente verabreichen, Spreu und Sand wechseln bei über 400 Tieren: „Die Pflegekräfte waren von morgens bis abends beschäftigt“, erinnert sich Marion Niederdorf. Auch am Wochenende, auch an den Feiertagen über Weihnachten und über Ostern. . .
Nach und nach erholten sich die Tiere, konnten aus der Turnhalle genommen und paarweise weitervermittelt werden. Das hat bis Ende April 2017 gedauert. 74 Chinchillas hat das Mülheimer Tierheim bisher selbst vermittelt. Der weitaus größere Teil wurde von anderen Tierheimen übernommen – von Hamburg bis nach München – und von dort aus in gute Hände vergeben. Vier muntere Chinchillas sind noch in Mülheim und können – allerdings nur zu zweit – in kundige Hände abgegeben werden.
>> TIERHEIM VERMITTELT HAMSTER AUS TROISDORF
Dass die Tierheime sich gegenseitig bei der Vermittlung von Tieren unterstützen, ist nicht ungewöhnlich. So wurden im vergangenen Jahr über 3000 Hamster bei einem nicht artgerechten Transport sichergestellt und ins Tierheim nach Troisdorf gebracht. Auch dort gab es, genauso wie in Mülheim, eine Welle der Hilfsbereitschaft seitens der Bürger.
Zehn der sichergestellten Hamster warten aktuell im Mülheimer Tierheim auf liebevolle neue Halter. Auch die beiden verbliebenen Chinchilla-Pärchen – Tiamot und Sina (grau und weiß), sowie Bella und Robin (braun und grau), freuen sich über kundige neue Halter.
Kontakt: Städtisches Tierheim, Horbeckstraße 35, Tel. 37 22 11. Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 13 bis 16.30 Uhr. Samstag von 11 bis 13 Uhr. Mittwochs sowie an Sonn- und Feiertagen bleibt das Tierheim geschlossen.